Weihnachtsstress bei der Post: Auf Tour mit Zustellerin Birgit Zimmermann
Stuttgart. Birgit Zimmermann ist eine Institution in Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen). 44 Jahre lang arbeitet sie schon als Postbotin, seit 40 Jahre in ihrem Stammbezirk. Ein harter Job, der vor allem in der Weihnachtszeit viel abverlangt, aber auch schöne Begegnungen bereithält. Wie erlebt die DHL-Zustellerin die wohl kauffreudigste Zeit im Jahr und wie sieht ihr Arbeitsalltag aus? Wir durften die Postbotin auf ihrer Tour begleiten.
„Überstunden gehören zur Weihnachtszeit"
Eigentlich hätte es nur ein Ferienjob sein sollen. „Ich wollte Krankenschwester werden“, erzählt Zimmermann. Wie es aber manchmal im Leben so läuft, kam es anders als gedacht: Abiturienten wurden damals nicht für eine Ausbildung zugelassen, weil sie für ein Medizinstudium vorgesehen waren. Studieren wollte sie aber nie. „Mein Lebenstraum war da erst mal geplatzt.“ Dass sie dann bei der Post geblieben ist, hat sie aber nie bereut: „Man ist viel an der frischen Luft und hat auch mit Menschen zu tun.“ Außerdem ist sie ein gern gesehener Gast: „Jeder freut sich doch, wenn ein Päckchen kommt“.
Zimmermann ist eine sogenannte Verbundzustellerin bei der Deutschen Post und verteilt sowohl Briefe als auch Pakete. Dass es gerade besonders stressig ist, sieht sie gelassen: „Überstunden gehören bei uns zur Weihnachtszeit dazu und Weihnachten ohne Pakete wäre doch doof.“
Weihnachten bei der Post: Doppelt so viele Pakete als normalerweise
Weihnachtsstress bedeutet bei der Deutschen Post etwa doppelt so viel Pakete als normalerweise. In Zimmermanns Bezirk sind das 150 bis 180 bei rund 450 Haushalten pro Tag. „Das Weihnachtsgeschäft beginnt mit den Rabattaktionen der „Black Week“ und endet ungefähr Mitte Januar, wenn noch mal Gutscheine eingelöst und Waren umgetauscht oder retourniert werden", erzählt Marc Mombauer, Pressesprecher bei der DHL Group Baden-Württemberg. Dafür unterstützen rund 10.000 Aushilfskräfte das Stammpersonal.
Dass vor Weihnachten die Kauflaune steigt, beweist auch ein DHL-Rekord vom 2. Dezember: Im deutschen Paket- und Postnetz wurden erstmals über 12 Millionen Pakete innerhalb von 24 Stunden sortiert. Ein allgemeines Hoch sei außerdem seit Corona geblieben: „Von Babynahrung bis Klopapier kann man sich alles nach Hause liefern lassen“, was für Zimmermann aber völlig in Ordnung ist, wie sie betont: „Wenn es nur Briefpost geben würde, wäre ich arbeitslos.“ Während die Pakete zunehmen, werden die Briefe nämlich immer weniger.
Zimmermann kennt Konsumverhalten mittlerweile ganz gut
Zimmermann arbeitet sechs Tage die Woche. Montags beginnt ihre Schicht um 7.25 Uhr, die restlichen Tage startet sie um 6.50 Uhr. Die meisten Tage hat sie gegen 14.20 Uhr Feierabend, samstags gegen 13.55 Uhr, montags etwas früher. „Bis vor Kurzem gab es noch ein Überstundenverbot. Aktuell sind 10 Stunden Arbeit plus 45 Minuten Pause das gesetzliche Maximum.“
Bevor die Tour startet, beginnt die Arbeit im Postzentrum: Die Post muss vorsortiert und eingeladen werden. Die Briefe sind in einer Kiste auf dem Beifahrersitz platziert, die Pakete stapeln sich im Wageninneren. Der Scanner zeigt an, wer ein Paket bekommt. Vieles könne sie sich allerdings schon beim Sortieren einprägen, auch weil sie mittlerweile das Konsumverhalten ihrer Kunden ganz gut kennt. Die meisten Pakete in ihrem Bezirk kommen übrigens von Breuninger, wie sie erzählt.
Die Postbotin ist auch per Whatsapp mit ihren Kunden in Kontakt
„Guten Morgen, die Post. Ich habe ein Päckchen für sie“, begrüßt Birgit Zimmerman eine Kundin durch die Sprechanlage. „Könnten sie es uns entgegenbringen“, antwortet die Stimme. „Aber klar, ich stell es ihnen vor die Tür“. Zimmermann joggt die Treppe nach oben, kommt zurück und steuert schon den nächsten Briefkasten an. So flott, wie sie die Päckchen zur Tür bringt, ist sie auch schon wieder hinterm Steuer, um ihr nächstes Ziel anzufahren. Geschickt lenkt sie den gelben Wagen von Einfahrt zu Einfahrt, schlängelt sich an parkenden Autos vorbei. Die Postboten ist auf Zack und weiß sich zu Organisieren.
Mit vielen ist sie sogar über WhatsApp in Kontakt. So auch an diesem Tag. Ein Kunde sollte heute sein neues Handy geliefert bekommen, zu Hause war aber nur seine Frau. In diesem Fall darf Zimmermann das Päckchen aber nur dem Adressaten persönlich übergeben. „Ich habe die Frau gerade angerufen, damit ihr Mann mir hinterherfahren kann. Meine Kollegin sagt immer, dass ich meine Kunden viel zu sehr verwöhne. Es erleichtert mir aber die Arbeit und den Kunden auch.“ Auch eine andere Kundin hat wohl schon sehnsüchtig auf ihr Paket gewartet: Bevor Zimmermann klingeln kann, öffnet die Frau mit einem breiten Grinsen die Tür und nimmt das Päckchen mit einem Daumen nach oben entgegen.
Zimmermann wird sogar zum Mittagessen eingeladen
Belohnt wird sie dafür nicht nur in der Weihnachtszeit, kleine Aufmerksamkeiten gibt es das ganze Jahr über: Hier mal ein Eis, dort mal eine Pralinenschachtel mit einer netten Nachricht als Dankeschön. Bei einer Familie wird sie sogar einmal die Woche zum Mittagessen eingeladen.
Nur lobende Worte für die Postbotin: "Sie ist eine Legende"
"Postboten und Postbotinnen sehen uns in den intimsten Momenten und unterschiedlichsten Lebenslagen. Zum Beispiel, wenn man gerade erst aufgestanden ist oder noch den Bademantel anhat“, so Mombauer. Manche Kunden sehe Zimmermann allerdings das ganze Jahr nicht. „Das ist wie eine Fernbeziehung.“ Ablageverträge, vor allem in der Weihnachtszeit, erleichtere die Arbeit aber enorm. Dabei gibt es sogar Ablageorte, bei denen sich die Garagentür mit einer Pin-Eingabe nur einen Spalt öffnet und sich, nachdem Zimmermann das Päckchen reingeschoben hat, wieder schließt.
Trotz straffem Zeitplan nimmt sich Zimmermann immer wieder Zeit für ein Pläuschchen, bleibt kurz stehen und grüßt oder winkt quer über die andere Straßenseite. „Wart ihr im Urlaub?“, begrüßt sie einen Kunden, der sein Päckchen an der Tür entgegennimmt. Seine Bestellung wäre eigentlich schon am Samstag zustellbereit gewesen. „Das ist ein Weihnachtsgeschenk für meine Frau", erzählt er. Weil sie am Samstag zu Hause war, hat er den Wunschtag auf heute verschoben. Zimmermann kennt die Familie schon seit rund 20 Jahren: „Wir werden gemeinsam alt“, sagt sie und lacht. „Sie ist einfach eine Legende. Wir können uns auf sie verlassen und das ist heute nicht mehr selbstverständlich“, lobt der Mann. In genau dieser Straße findet traditionell eine kleine Straßen-Weihnachtsfeier statt, zu der auch Zimmermann jedes Jahr eingeladen ist, wie sie erzählt.
12.000 bis 20.000 Schritte pro Tag: Die Arbeit als Zustellerin hält sie fit
Die Arbeit hält Zimmermann fit. In ihrer Freizeit fährt sie Rennrad-Rennen. Beim letzten Mal waren es 7.500 Kilometer vom Nordkap bis Tarifa. „Das ist alles Kopfsache.“ Wenn man körperlich durchschnittlich fit ist, schaffe man sowohl die Arbeit bei der Post als auch die Radrennen, ist sie sich sicher. "Die Arbeit ist mein Training." Meist sammelt sie so um die 12.000 Schritte, es gibt aber auch Tage, an denen sie die 20.000 Marke knackt.
Bei über 40 Jahren als Postzustellerin bleibt natürlich auch die ein oder andere witzige Anekdote hängen: Ein Kollege von ihr mit dem Spitznamen „Hebi“ hatte sie auf ihrer Route vertreten als er eine Frau „Happy kommsch du her“ rufen hörte. Die Frau meinte natürlich ihren Hund, er fühlte sich aber angesprochen, was für einen großen Lacher sorgte. Sowieso seien die Hunde in ihrem Bezirk durchweg sehr lieb. „Eben wie der Herr, so sein Gescherr“, so Zimmermann.
Adventskalender mit veganen Snacks von Kunden geschenkt bekommen
Zwischenfazit um 12.30 Uhr: Ein Blick auf die Pakete zeigt, dass das meiste für heute geschafft ist. Zwischen den übrigen Sendungen lugt aber noch etwas Unverpacktes hervor: Ein Adventskalender mit veganen Snacks, den sie von Kunden geschenkt bekommen hat. „Dass die wissen, dass ich mich vegan ernähre und mir dann auch noch einen so hochpreisigen Kalender schenken - das ist wirklich eine tolle Wertschätzung“, freut sich Zimmermann.





