Spekulatius statt Spotlight
„Überwältigend schön, das pure Glück!“
Synchronsprecher Sascha Rotermund liebt es, seine Kinder an Weihnachten „die Magie“ erleben zu lassen
Wer Filme, Serien, Dokumentationen und Hörbücher verfolgt, begegnet oft seiner Stimme: Sascha Rotermund ist seit über 25 Jahren Synchronsprecher. Weit über 1000 Projekte zählt sein Eintrag in der Deutschen Synchronkartei, regelmäßig leiht er Stars wie Omar Sy oder Benedict Cumberbatch seine Stimme. Jüngst war er zu Gast bei der Comic Con in Stuttgart, erzählte uns etwas über sein Leben als „Stimme“ und über Weihnachten.
„Ich bin ein großer Freund des gesprochenen Wortes – mancher würde auch sagen: Ich bin eine Quatschliese“, gibt Sascha Rotermund zu und lacht. Beides, Wort und Lachen, kommen einem vertraut vor, sofern man in den vergangenen 25 Jahren Filme, Serien und Dokumentationen in deutscher Synchronisation geschaut oder Hörbüchern gelauscht hat. Seit dessen Durchbruch 2007 ist der sonore, weiche Tenor ein wiederkehrender Wohlfühlfaktor auf Tonspuren der deutschen Synchron-Branche. Und der im dunklen Studio kunstschaffende Schauspieler wird zunehmend selbst den Fans seiner Figuren ein Begriff. Bei der Stuttgarter Comic Con am 30. November und 1. Dezember war er ein gefragter Gast.
Angefangen hat alles mit einem Studium der Schauspielerei an der staatlichen Schule in Hannover. „Als ich den Beruf ergriffen habe, bin ich von Rollen in kleinen Stadttheatern und einer bestenfalls lokalen Bekanntheit ausgegangen. An so etwas wie eine Fanbase denkt man da nicht“, erklärt der Wahl-Berliner. „Das Bewusstsein, dass manche Menschen sich dafür interessieren, was ich tue, wuchs erst in den letzten Jahren mit steigenden Follower-Zahlen bei Instagram.“
Anlass der Einladung zur Comic Con Stuttgart waren zwei Gelegenheiten, bei denen Rotermund einerseits Anson Mount als „Captain Christopher Pike“ aus „Star Trek“ seine Stimme lieh, andererseits aber auch Pedro Pascal als „The Mandalorian“ in der gleichnamigen Serie aus dem „Star Wars“-Universum. Seinen Durchbruch als Synchronsprecher – was heutzutage seine Haupttätigkeit ist – führt Rotermund auf drei frühere Projekte zurück: Bereits 2007 bekam er in Hamburg die Synchronisation des „Dr. Robert Chase“ in der Serie „Dr. House“ angeboten. „Der damalige Regisseur hat an mich geglaubt und sich sehr für mich eingesetzt.“ Kurz darauf folgte 2009 eine Hallentournee der „Drei Fragezeichen“, wobei Rotermund an 18 Abenden vor jeweils rund 10 000 Menschen in verschiedensten Rollen brillierte. „Da haben offenbar auch Produzenten von Hörbüchern und Hörspielen im Publikum gesessen.“ Dann kam der Meilenstein: „Ewig dankbar werde ich dafür sein, dass man mir ‚Ziemlich beste Freunde’ mit Omar Sy zugetraut hat.“ Jener ist heute Star der Serie „Lupin“, hatte zudem Auftritte in „Jurassic World“ und „X-Men“. Karriere-Booster waren zudem Rotermunds Synchronisationen von Benedict Cumberbatch, den er als „Dr. Strange“ sprach, als Drache Smaug im „The Hobbit“, als Khan in „Star Trek“ und jüngst in „Eric“ auf Netflix. „Bei solchen Projekten ausgewählt zu werden, ist eine Ehre. Als Schauspieler muss man alle Aspekte einer Rolle stets neu erfühlen, neu geschehen lassen. Wenn so eine große Fangemeinde dahintersteht wie in diesen Fällen, möchte man nicht enttäuschen. Man lässt sich darauf ein mit großem Respekt und riesiger Spielfreude – nur so lässt sich das authentisch umsetzen.“
Mit seiner Familie lebt Rotermund in Berlin, dem Zentrum der deutschen Synchron-Branche. Derweil gibt es keinerlei Garantien, dass er – nur weil er einen Schauspieler schon mal gesprochen hat – dessen Synchronisation künftig automatisch angeboten bekommt. Gewohnheitsrechte oder Verträge gibt es nicht: „Das ist von Fall zu Fall eine Entscheidung des Filmverleihs oder der TV-Redaktion.“ Zwar sei es Usus, auf Kontinuität zu achten: „Je prominenter der Schauspieler ist, je mehr sich eine Stimme als ihm zugehörig beim Publikum manifestiert hat, desto wahrscheinlicher wird es, dass man für weitere Rollen angefragt wird.“ Benedict Cumberbatch werde beispielsweise je nach Projekt manchmal auch mit seinem Kollegen Tommy Morgenstern besetzt, „wenn es die Figur erfordert, dass die Stimme von Cumberbatch anders klingt als meine“.
Die Basis seines Tuns ist für Sascha Rotermund die Schauspielerei: „Synchronsprecher ist eine Tätigkeit in der Schauspielerei. Das Begreifen der Figur, deren Unterbau, der Szene, der Situation – dieses Handwerkszeug lernt man nur auf der Schauspielschule.“ Die Aufnahmen für Hörbücher oder Dokumentationen, wobei der Fokus auf der Erzählung einer Geschichte, weniger auf dem Erarbeiten einer Rolle liegt, finden oft im eigenen Homestudio statt, da man sich hierfür leicht per Internet mit Regie und Tontechnik verbinden kann. Sobald er aber Figuren einspricht, Rollen spielt, fährt Rotermund in die Berliner Studios, wo Technik, Regie und Kollegen mit ihm vor Ort sind: „Das ist höchst schauspielerisch, sehr agil, äußerst körperbetont – es braucht Raum und Interaktion.“
Sein Glück, als freiberuflicher Synchronsprecher besonders gefragt zu sein, weiß Sascha Rotermund zu schätzen. So kann er sich Auszeiten selbst setzen – und tut dies in der Weihnachtszeit. „Ich genieße zu Weihnachten einen Moment der Besinnlichkeit: Zwischendurch abzuschalten, sich den Raum zu nehmen für unsere Familie und dieses Fest mit aller Freude im großen Kreis gebührend zu feiern.“ Über die Feiertage werden keinerlei Engagements akzeptiert: „Die Weihnachtstage verbringen wir miteinander: An Heiligabend in der Kern-Familie, erweitert um Hündin und Katze. Ab dem ersten Weihnachtsfeiertag schwirren wir dann aus, besuchen Eltern, Schwiegereltern, Freunde und Verwandte in ganz Deutschland. Manchmal hängen wir sogar noch einen dritten Tag Weihnachten hintendran, um alle unter einen Hut zu bringen.“
Zu einem Heiligabend im Hause Rotermund gehört der Weihnachtsbaum: „Der darf nicht höher sein als ich“, befindet der 1,83 Meter große Schauspieler. Geschmückt werde die Tanne von der ganzen Familie: „Speziell für unseren Sohn ist das wichtig.“ Dekoriert wird meistens am Vormittag des 24. Dezember. „Wenn es aber die Engagements meiner Frau, die ebenfalls Schauspielerin ist, erfordern, haben wir auch schon mal zum Nikolaustag geschmückt. Hauptsache, wir tun es gemeinsam – und der Baum ist bis spätestens Ostern wieder raus.“
Keine Kompromisse geht Sascha Rotermund hingegen beim Essen an Heiligabend ein: „Es sollte etwas Besonderes sein, das nicht an jedem Tag auf den Tisch kommt!“ Einfach nur Kartoffelsalat mit Würstchen – das tauge für andere Tage, aber nicht für Heiligabend. Da sollte es köstlich, gesellig und ausdauernd sein: „Ich stehe im Ruf, dass ich gerne lange am Tisch sitze, mich gut unterhalte, Geselligkeit genieße.“ Dies auszukosten, sei an Weihnachten eben auch mal den Eltern kleiner Kinder möglich.
Die Zeit zum Zusammensitzen ergibt sich mitunter über eine gute Auswahl der Geschenke für die Kinder. Sascha Rotermund zitiert Karl Lagerfeld: „Weihnachten ist für Kinder und alles andere soll man nicht übertreiben.“ Geschenke für seine Kinder haben somit einen hohen Stellenwert, die Bescherung wird zelebriert: „Dieser Moment, wenn das Christkind da war, man schaut die Kinder an – da hört die Welt rundherum kurz auf, sich zu drehen“, schwärmt er. „Man sieht die strahlenden Augen, erlebt das pure, reine Glück. Es ist unglaublich, schier überwältigend schön!“ Sein eigenes Geschenk sei eben dieses Erlebnis: „Die Kinder sollen ein tolles Fest erleben, sollen staunen, etwas zum Auspacken haben – die Magie spüren.“ Damit kehrt er zwinkernd zurück zur Quality-Time der Erwachsenen: „Vielleicht ist es ja etwas, womit man sich den Rest des Abends gut beschäftigen kann.“
Über ein besonderes Geschenk aus seiner Kindheit – „Mit elf Jahren bekam ich meinen ersten Schallplatten-Spieler“ – spricht er das Thema Musik zu Weihnachten an: „Da meine Frau vom Musiktheater kommt und ich immer aktiv Musik gemacht habe, besitzen wir Klavier, Gitarre, Querflöte – und machen viel Musik zu Hause.“ Zu Heiligabend dürften es gerne mal besinnlichere Stücke à la „Es kommt ein Schiff geladen“ oder „Maria durch ein Dornwald ging“ sein. Zur Bescherung werde „Stille Nacht“ angestimmt: „Nachdem das Glöckchen gebimmelt hat, kommen die Kinder rein, man singt – und stellt sich der Herausforderung, kurz den Moment zu wahren, bevor sie über die Geschenke herfallen dürfen.“
Als passionierter Sprecher, Erzähler und Hörbuch-Vorleser genießt es Rotermund natürlich auch, seinen Kindern etwas vorzulesen. „Bei unserem Elfjährigen schwindet zunehmend das Interesse. Bei der Kleinen kommen wir langsam an erste Bilderbücher mit kurzen Texten heran.“ Es sei eine wertvolle Erfahrung für Kinder, so an Geschichten und Literatur herangeführt zu werden, die einen berühren und positiv unter die Haut gehen, findet der Vater. Er gibt allerdings zu: „Ich muss nur manchmal aufpassen, dass meine Kinder nicht genervt sind, wenn der Papa schon wieder mit ‘nem Buch dasteht und seine Show abzieht.“ Falls es den Sprösslingen irgendwann einmal doch der Rezitationen zu viel werden sollte, darf sich der „Freund des gesprochenen Wortes“ immer noch damit trösten: Die Fans seiner Stimme schenken der „Quatschliese“ Sascha Rotermund stets gerne Gehör.
Text & Foto: Mathias Schwappach