2:1-Arbeitssieg gegen Mainz: Deniz Undav belohnt den VfB für Arbeit und Geduld
Stuttgart. Zehn Wechsel, ein reanimierter Fan, ein spätes Siegtor – und ein Trainer, der dem Wort „Rotation“ neue Bedeutung verleiht: Trainer Sebastian Hoeneß stellt beim VfB Stuttgart fast alles um und gewinnt trotzdem. Gegen Mainz wird es beim 2:1-Arbeitssieg am Sonntag (26.10.) ein Abend zwischen Besorgnis und Befreiung. Am Ende jubelt der zweite Anzug – und Deniz Undav. Unser Spielbericht aus der MHP-Arena.
Trainer Hoeneß hat offenbar beschlossen, dem Begriff „Rotation“ eine neue Dimension zu geben. Nach dem 0:1 in Istanbul stellte der VfB-Coach seine Mannschaft einmal komplett auf links – zehn Änderungen, nur Alexander Nübel blieb im Tor. Alles andere war neu, frisch, vielleicht auch ein bisschen gewagt. Unter anderem durften Dan-Axel Zagadou und Pascal Stenzel wieder ran – für beide der erste Bundesliga-Einsatz dieser Saison. Für Zagadou sogar der erste seit über 13 Monaten, nachdem ihn einmal mehr eine Knieverletzung ausgebremst hatte.
Viele Wechsel beim VfB, aber taktisch bleibt alles beim Alten
Auch Chris Führich stand wieder in der Startelf. Dazu kehrten die zuletzt angeschlagenen Finn Jeltsch und Jamie Leweling zurück, und Deniz Undav begann nach seiner Verletzungspause erstmals wieder von Anfang an. Einmal durchschnaufen also für Stiller, Chabot und Co. in diesen fordernden englischen Wochen – zehn Wechsel, das gab es beim VfB zuletzt im Sommer 2019. Taktisch blieb alles beim Alten: Dreierkette mit Al-Dakhil, Zagadou und Jeltsch, die Schienenspieler Vagnoman und Stenzel, davor Chema Andres und Nikolas Nartey auf der Doppelsechs. Undav vorne drin, Leweling rechts, Führich links.
Der Beginn: gemächlich. Mainz wartete ab, der VfB dominierte ohne zu glänzen. Der Ball lief gut durch die neu formierten Stuttgarter Reihen, die Mainzer standen tief. Nach 13 Minuten die erste Chance: Leweling per Kopf, doch Zentner lenkte den Ball über die Latte. Danach Szenen wie beim Handball – der VfB umlagerte den Strafraum, Mainz verschanzte sich. Zentner musste wieder ran, diesmal gegen Undav (19.).
Dann, in der 20. Minute, wurde es still. Kein Support mehr aus den Kurven. Im Gästebereich waren Sanitäter im Einsatz, ein Fan musste reanimiert werden. Selbst auf dem Rasen wich der Rhythmus aus dem Spiel, während auf der Tribüne um ein Menschenleben gekämpft wurde. Die Cannstatter Kurve reagierte mit einer Durchsage ihres Capos – und Schweigen. Als die Person nach 38. Minuten aus dem Stadion gebracht wurde, gab es warmen Applaus von den Rängen.
Handspiel von Chema im eigenen Strafraum: Mainz stellt Spiel auf den Kopf
Kurz darauf drehte sich das Spiel: Nach einem Handspiel von Chema im Strafraum, erkannt dank VAR, zeigte Schiedsrichter Felix Zwayer auf den Punkt. Nadiem Amiri verwandelte sicher (41.) – 0:1. Ein Treffer gegen den Spielverlauf, aber symptomatisch für den bis dahin etwas zahnlosen VfB. Doch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte schlug einer zurück, der zuletzt nur Zuschauer war: Chris Führich. Mit Wucht und Wille jagte er den Ball aus mehr als 20 Metern ins Tor – 1:1. Eine Befreiungstat, für ihn und für Stuttgart.
Die zweite Halbzeit begann, wie die erste aufgehört hatte: mit Chancen für den VfB. Stenzel prüfte Zentner gleich nach Wiederanpfiff. Danach blieb es ein Spiel fast nur in eine Richtung – auf das Mainzer Tor. Nur der Punch fehlte. Nach einer Stunde brachte Hoeneß Stiller und Assignon für Nartey und Stenzel, später kamen El Khannouss und Tomas, doch der Ball wollte einfach nicht ins Tor. Ecken segelten ins Nichts, Schüsse wurden geblockt, Mainz-Keeper Zentner machte ein gutes Spiel.
Dann die Schrecksekunde: Zagadou, ausgerechnet er, musste nach gut 70 Minuten behandelt werden. Wenig später kam Chabot, der Franzose konnte immerhin selbst vom Platz gehen – es sah nicht dramatisch aus. Und als vieles schon nach einem dieser „Arbeitstage ohne Lohn“ aussah, kam in der 79. Minute der Moment von Deniz Undav. Ein langer Ball von Nübel, einmal tippen, einmal lupfen – 2:1 für den VfB. Ein Tor aus dem Nichts, und doch völlig verdient. Der Lohn für viel Arbeit und Geduld.
Der zweite Anzug sitzt noch nicht perfekt, aber er hält warm. Am Ende reichte es gegen harmlose Mainzer zu einem verdienten Arbeitssieg – dem fünften Bundesliga-Dreier in Serie. Der VfB bleibt damit nach acht Spieltagen auf Platz drei. Und rund 70 Stunden später sieht man sich schon wieder – im DFB-Pokal, gleiche Paarung, neues Spiel, Mittwochabend um 18 Uhr.
VfB Stuttgart - FSV Mainz 05 2:1 (1:1)
VfB Stuttgart: Nübel - Jeltsch, Al-Dakhil, Zagadou (75. Chabot) - Stenzel (62. Assignon), Andrés, Nartey (62. Stiller), Vagnoman, Führich (72. El Khannouss), Leweling (72. Tiago Tomás) - Undav
FSV Mainz 05: Zentner - da Costa, Bell (87. Weiper), Kohr (67. Hanche-Olsen) - Widmer (81. Veratschnig), Sano, Amiri, Mwene - Nebel, J.-s. Lee (87. Nordin) - Hollerbach (67. Sieb)
Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)
Zuschauer: 59.000
Tore: 0:1 Amiri (41./Handelfmeter), 1:1 Führich (45.+4), 2:1 Undav (80.)
Gelbe Karten: Stenzel (1), Jeltsch (1), Assignon (1), Tiago Tomás (1) / Mwene (1), Kohr (3), Amiri (4)




