Das legendäre Estadio Santiago Bernabéu: Wo das Herz von Real Madrid schlägt
Mitten in Madrid schlägt das Herz von Real: Zwischen Wohnblocks, Einkaufsläden, Kirchen und Schulen steht das sagenumwobene Estadio Santiago Bernabéu. Dabei wirkt das altehrwürdige Stadion seit seinem Umbau von außen auf den ersten Blick eher wie ein Museum für moderne Kunst. Und weniger wie eine Kultstätte des Fußballs. Ortsbesuch bei einer Legende.
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Höher, größer, eindrucksvoller: Der Nabel der Real-Welt
„Alles ist höher, größer, eindrucksvoller“, beschreibt Sami Khedira die nach dem Vereinspräsidenten Santiago Bernabéu (1895 - 1978) benannte Arena. Der heute 37 Jahre alte Ex-Profi aus Oeffingen, der beim VfB Stuttgart ausgebildet wurde und von 2010 bis 2015 das Trikot der Königlichen trug, sagte im Interview mit der Stuttgarter Zeitung auch: „Wenn du als Gegner ins Bernabéu einläufst, liegst du schon mit 0:1 hinten – weil dort dieser Mythos und die Wucht des Stadions mitschwingt.“ Ein Stadion, das Spiele gewinnen kann. Was das bedeutet, kennen sie in Bad Cannstatt nur zu gut.
Dabei wirkt die inzwischen aufwendig modernisierte Spielstätte von außen mitunter fast etwas unscheinbar. Eingebettet ins Stadtviertel Chamartín schillert die silberne Edelstahl-Lamellen-Fassade am Tag vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart in der Spät-Sommer-Sonne von Madrid, von außen mehr Guggenheim-Museum als Fußball-Tempel. Viel Futurismus statt liebenswerter Nostalgie, für Erstbesucher zumindest etwas gewöhnungsbedürftig.

Die wahre Kraft und Dimension lässt sich wohl erst von innen spüren. Und an einem Spieltag mit zehntausenden Anhängern. Aber selbst an einem schnöden Montagvormittag pilgern die Fans aus aller Welt zum Nabel der Real-Welt. Da werden Selfies geknipst, der Stadion-Führung gelauscht oder kräftig im Fan-Store geshoppt. Der Fußballverein aus Madrid ist längst zur Weltmarke geworden. Aber wie kam es eigentlich dazu?
Die Anfänge des Estadio Santiago Bernabéu
Santiago Bernabéu, Real-Präsident von 1943 bis 1978, träumte von Anfang davon, seinen Klub zum besten und größten Verein der Welt zu machen. Ein prächtiges Stadion sollte da den ersten Schritt markieren. Und in einer Zeit, da die Vereine noch hauptsächlich von den Ticketeinnahmen lebten, kam Bernabéu auf die naheliegende Idee, dass man mit dem größten Stadion auch die höchsten Einnahmen und in der Konsequenz den größten und besten Verein der Welt haben würde.
Nachdem 1944 genügend Spenden der Real-Anhänger eingeholt worden waren, begann der Bau in Chamartín de la Rosa, einer Gemeinde die damals noch nördlich der spanischen Hauptstadt lag und erst 1948 als Stadtbezirk Chamartín Madrid eingegliedert werden sollte. Eröffnet wurde das Stadion schließlich am 14. Dezember 1947 als „Nuevo Estadio Chamartín“ mit 75.000 Plätzen. Selbstredend mit einem Real-Sieg.
Es folgte der vom Präsidenten forcierte sportliche Aufstieg zum Weltklub. Zu seinen Ehren wurde das Stadion 1955 umbenannt. Alleine in den Fünfzigerjahren gewannen die Königlichen fünf Europapokal-Titel in Serie. Mittlerweile ist Real mit 15 Champions-League-Titeln der Rekordchampion des Wettbewerbs. Dabei fußten viele Titel auf magischen Nächten in der königlichen Heimspielstätte. Und die wurde im Lauf der Jahre immer wieder modernisiert.
Nach dem jüngsten Umbau durch das Hamburger Architektur-Büro Gerkan, Marg und Partner (gmp) aus Hamburg fasst das Bernabéu 81.044 Zuschauer. Die Arbeiten transformierten das geschichtsträchtige Fußballstadion hin zu einer modernen Multifunktionsarena. Der Baubestand wurde dabei weitestgehend erhalten und mit einer neuen rundumlaufenden Fassade aus Edelstahl-Lamellen umfasst. Die Kapazität des Stadions wurde so um rund 3000 Plätze erweitert.
Über den Oberrängen bietet eine neue Ebene mit insgesamt 240 VIP- und Hospitality-Lounges nun bis zu 1600 weitere Sitzplätze. Die Logen auf der Westseite können flexibel zu Konferenzräumen mit Blick auf das Spielfeld transformiert werden. "Wo am einen Tag noch Fußballspiele stattfinden, könnten es am nächsten schon Konzerte oder andere Großveranstaltungen sein", schreiben die ausführenden Architekten. Möglich machen das fahrbare Panels, auf denen der Fußballrasen in Einzelteile zerlegt und versenkt werden kann. Übrig bleibt eine feste Bodenplatte. Zusätzlich lässt ein bewegliches Stadiondach eine flexible Anpassung an jede Witterung zu.
Ex-VfB- und Real-Profi Sami Khedira: „Dieser Verein ist einzigartig. Das muss man selbst erleben“
Damit unten auf dem Rasen das weiße Ballett glänzen kann. „Dieser Verein ist einzigartig. Das muss man selbst erleben“, sagte nun Sami Khedira vor dem Duell seiner Ex-Klubs im Gespräch mit der StZ. Jorge Valdano, der ehemalige Real-Spieler, -Trainer und -Sportdirektor prägte für die besondere Bernabéu-Atmosphäre den Begriff des „miedo escénico“, des Lampenfiebers. Diese Angst ergreife die Spieler der gegnerischen Mannschaften, wenn sie auf das Spielfeld einliefen und auf die steilen Ränge hinaufblickten. Ob die auch den VfB erfassen wird, wenn am Dienstagabend zur Prime-Time das Flutlicht in einem der legendärsten Stadien der Welt angeht?
Im März 2010 bestritten die Stuttgarter ihr bis dahin letztes Champions-League-Spiel, im Achtelfinale beim FC Barcelona gab es damals eine 0:4-Klatsche. Lionel Messi traf für die Katalanen doppelt. Beim VfB stand Jens Lehmann im Tor, Cacau stürmte, Mathieu Delpierre trug die Kapitänsbinde. Seitdem ist viel passiert, die Schwaben stiegen zweimal aus der Bundesliga ab, um Haaresbreite sogar noch ein drittes Mal.
Der ungeahnte Höhenflug in der Vorsaison, in der Hoeneß den VfB bis auf Platz zwei führte, wird mit dem Spiel in Madrid nun quasi noch mal gekrönt. „Von Kür würde ich nicht sprechen“, stellte Trainer Sebastian Hoeneß aber klar. „Das würde bedeuten, dass es egal ist, wie es ausgeht. So ist es nicht.“ Die Stuttgarter hoffen auf die Sensation, auf einen guten Start in die neue Ligaphase der Königsklasse, in der ja noch sieben weitere Partien warten. Der „Mythos“ Real und das sagenumwobene Bernabéu sollen da nur der Anfang sein.