VfB Stuttgart

Das VfB-Wappen im Auge verewigt: Patrick Beres und sein besonderes Fan-Sein

Patrick Beres
Der blinde VfB-Fan Patrick Beres und sein besonderes VfB-Auge (rechts im Bild mit VfB-Profi Dan-Axel Zagadou). © Sofiia Shahaievska/privat

Stuttgart. Der VfB Stuttgart hat viele Fans in seinen Reihen, die den Verein bei jedem Heim- und Auswärtsspiel bedingungslos unterstützen. Patrick Beres aus Esslingen ist einer davon. Der 33-Jährige ist seit dem Teenager-Alter blind und fährt zu jedem Spiel seines VfB Stuttgart. Kurz vor dem Pokalfinale hat sich der mehrfache Deutsche Meister im Blindenfußball ein künstliches Auge mit VfB-Logo anfertigen lassen - und trägt dieses bei jedem Spiel. Die Geschichte über das beeindruckende Leben von Patrick Beres, der im Stadion ganz genau hört, was gerade auf dem Spielfeld passiert.

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VfB-Fan Patrick Beres erblindete im Teenager-Alter

Mit 16 Jahren ging es los, meint Patrick Beres. Schon in der Kindheit hatte der in Weinstadt aufgewachsene VfB-Fan nur knapp 40 Prozent an Sehkraft. „Trotzdem konnte ich die ersten Jahre mit meinen Augen gut leben.“ Doch dann verschlechterte sich seine Sehkraft von Tag zu Tag. „Es war nicht so, dass ich abends ins Bett bin und am nächsten Morgen blind war. Man muss es sicher eher so vorstellen, dass es jeden Tag ein bisschen schlechter wurde“, so Beres. Und eines Tages war der heute 33-Jährige dann ganz erblindet. „Die ersten paar Stunden habe ich gar nicht gemerkt, dass ich jetzt nicht mehr sehen konnte. Ich hatte mich schon so sehr daran gewöhnt, ohne meine Augen klarzukommen.“

Als junger Mann zog Patrick Beres dann von zu Hause aus, lebte drei Jahre in Nürnberg, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung, wohnte ein paar Jahre in Kirchheim (Teck) und zog schließlich nach Esslingen. Aktuell arbeitet der 33-Jährige in der Verwaltung beim Verein Pfunzkerle e.V.. Die Fachstelle für Jungen- und Männerarbeit in Tübingen berät bei sexualisierten Gewalterlebnissen in der Kindheit, Jugend oder als Erwachsener. In Tübingen unterstützt der blinde VfB-Fan den Geschäftsführer des Vereins und kümmert sich um die IT. Doch neben seiner Arbeit hat der ehemalige Bundesliga-Blindenfußballer und achtfache Deutscher Meister mit dem MTV Stuttgart eine große Leidenschaft: den VfB Stuttgart.

Künstliches Auge mit VfB-Wappen: Patrick Beres ist Allesfahrer

„Seit der Kindheit bin ich VfB-Fan“, sagt Patrick Beres im Gespräch mit unserer Redaktion. „Bei mir kann man wirklich sagen, dass ich in VfB-Bettwäsche geschlafen habe.“ Der 33-Jährige ist Mitglied im größten VfB-Fanclub RWS Berkheim und seit Jahren Allesfahrer. Das heißt: Der Esslinger begleitet den VfB Stuttgart bei jedem Spiel, egal ob im Europapokal, im DFB-Pokal oder in der Bundesliga. „Früher stand ich in der Cannstatter Kurve, jetzt habe ich einen Sitzplatz direkt in der ersten Reihe im Unterrang.“ Eingeschränkt fühlt sich der blinde VfB-Fan in seinem Stadionerlebnis nicht: „Auch Sehende haben den gleichen Aufwand wie ich und müssen ihre Zugtickets oder die Stadionkarten bezahlen. Und wenn jemand fragt, wie ich das mache, dann sage ich: Ihr lauft doch auch mit euren Füßen zum Stadion - und nicht mit euren Augen.“

Wie sehr Patrick Beres für den VfB brennt, kann jeder (sehende) Stadion-Besucher bei den Spielen des VfB Stuttgart sehen: Der Esslinger hat sich vor dem Pokalfinale ein künstliches Auge mit dem VfB-Wappen anfertigen lassen. Knapp tausend Euro hat er dafür ausgegeben.

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Patrick Beres mit seinem VfB-Auge. © Privat

Bei jedem Stadionbesuch „tauscht“ Patrick Beres eines seiner künstlichen Augen gegen das extra angefertigte VfB-Auge - und trägt so seinen Herzensverein im wahrsten Sinne des Wortes immer bei sich. Hintergrund: Bereits 2015 hatte Beres seine „echten“ Augen gegen künstliche Augen austauschen lassen. Zuerst trug er Glasaugen, dann zahlte ihm die Krankenkasse endlich auch Kunststoff-Augen. Dadurch ließ sich das VfB-Projekt nach langer Wartezeit endlich umsetzen. Inzwischen besitzt der 33-Jährige mindestens 40 Augen, aktiv trägt er aber nur drei Augen - zwei „normale“ Augen und das „VfB-Auge“.

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Das VfB-Auge von Patrick Beres. © Privat

Hören, was in der MHP-Arena passiert: Wie Patrick Beres jede Spielsituation hört

Doch wie erlebt Patrick Beres überhaupt die VfB-Spiele? Für Sehende ist das schwer zu verstehen, denn: Der 33-Jährige sieht die Spiele nicht, er hört sie - und das unglaublich präzise: „Ich höre ganz genau, was aktuell auf dem Spielfeld passiert.“ Der Klang des Balles sei ein anderer, je nachdem, „wie stark ein Spieler passt, schießt oder köpft“. Auch anhand des Pfiffs des Schiedsrichters kann der blinde Fan die Spielsituation erkennen.

Durch sein aufs Fußballspiel perfektionierte Gehör ergeben sich in der Cannstatter Kurve oft kuriose Situationen: Während die „sehenden“ Fans das Spiel durch Fahnen, Banner oder Choreos oft nicht sehen können, bekommt Patrick Beres über sein Gehör alles mit. „Oft erkläre ich dann Fans um mich rum, was gerade passiert ist. Die glauben mir das dann erstmal nicht, sehen die Szene dann aber später über die Leinwand im Stadion und sind total erstaunt.“

Sitzplatz in der Cannstatter Kurve? Patrick Beres musste für seine Dauerkarte kämpfen

Doch Patrick Beres hat ein Problem: Er muss nah am Spielfeld stehen (oder sitzen), sonst kann er die Aktionen auf dem Rasen aufgrund der Entfernung nicht mehr hören. Als der ehemalige Blindenfußballer seinen Stehplatz aufgeben wollte, musste er mit dem VfB um einen Sitzplatz in der vordersten Reihe des Unterrangs kämpfen. „Wenn ich weiter oben sitze, dann kann ich das Spiel nicht mehr verfolgen.“ Beim VfB stieß er mit seinem Anliegen lange auf taube Ohren, letztlich half ihm der Fanbeauftragte Ralph Klenk. Für dessen Einsatz ist Patrick Beres sehr dankbar, denn: Am Ende klappte es dann doch mit einem Sitzplatz in der ersten Reihe des Blocks 34.

Dass der Esslinger überhaupt so um seinen Sitzplatz kämpfen musste, um das Spiel barrierefrei erleben zu können, zeige für Beres, dass es beim VfB Stuttgart doch noch nicht so gut um die Inklusion steht, wie die Verantwortlichen im roten Clubhaus gerne und oft behaupten. Für blinde Fans steht in der Untertürkheimer Kurve zwar ein Bereich mit Audio-Deskription zur Verfügung, Patrick Beres nennt diese mit einem ironischen Unterton aber nur „die Behinderten-Ecke“. Für den Allesfahrer ist klar: Inklusion im Fußballstadion sollte eigentlich bedeuten, dass Menschen mit Behinderung „nicht in einen Bereich abgeschoben werden, sondern überall im Stadion sitzen können - und dort trotzdem barrierefrei ihr Stadionerlebnis genießen können“.

Warum der blinde VfB-Fan schon zwei Stunden vor Spielbeginn ins Stadion kommt

Seit Jahren setzt sich Patrick Beres daher für die Rechte von blinden Fußballfans im VfB-Stadion ein - und sieht beim Thema Inklusion noch viel Luft nach oben: „Warum soll ich in den Blinden-Bereich in der Untertürkheimer Kurve, wenn ich lieber in der Cannstatter Kurve bei meinen Freunden sein will?“ Viele Fans, die im Blinden-Bereich sitzen, hätten nicht die Kraft, sich mit dem VfB auseinanderzusetzen. Doch auch Teile dieser Fans würden lieber bei ihren Freunden in anderen Stadionbereichen sitzen, meint Beres. Dort können sie das Spiel aber nicht barrierefrei verfolgen - und schlucken daher das schlechte Gefühl herunter, vom VfB in die „Behinderten-Ecke“ abgeschoben zu werden. Der blinde Fan sagt daher: „Es sollte doch möglich sein, die Audio-Deskription auch im ganzen Stadion anzubieten.“ Andere Vereine in der Bundesliga würden das bereits so handhaben.

Trotzdem ist Patrick Beres mit seiner persönlichen Situation im VfB-Stadion „sehr zufrieden“. Aber eben nur, weil er sich aktiv für seine Rechte als blinder Fußballfan eingesetzt hat. Als treuer Allesfahrer hofft der 33-Jährige, in Zukunft noch viele schöne Stadionbesuche erleben zu dürfen. Der Esslinger wird auch weiterhin zwei Stunden vor Anpfiff ins Stadion kommen, denn: „Ich liebe es, wenn sich das Stadion langsam füllt.“ Und Patrick Beres wird auch künftig ganz genau hinhören, was die VfB-Spieler auf dem Spielfeld zu leisten imstande sind.

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