Kraftakt vor der Länderspielpause: Wie der VfB den FCA niedergerungen hat
Stuttgart. Knapper Sieg zum Durchatmen: Der VfB Stuttgart ringt den FC Augsburg in einem wilden, zerrissenen Spiel mit 3:2 nieder und verabschiedet sich mit einem Arbeitssieg in die Länderspielpause. Zweimal lagen die Schwaben zurück, zweimal kamen sie zurück – und am Ende war es wieder Goalgetter Deniz Undav, der den Unterschied machte. Glanz war wenig, Moral dafür reichlich vorhanden. Unser Spielbericht aus der MHP-Arena.
Der VfB hat in diesen Wochen keine Zeit für große Gesten. Sieben Spiele in 23 Tagen, Europa, Bundesliga, DFB-Pokal, Reisen, Regeneration, das atmet schon beim bloßen Aufzählen schwer. Und also versucht man an diesem Nachmittag gegen Augsburg etwas, das in der Theorie einfach klingt: den Rhythmus behalten, aber die Statik ein wenig verändern. Vier Wechsel nimmt der VfB im Vergleich zum 2:0 über Rotterdam vor. Bouanani statt Tiago Tomas, Zagadou für Chabot, dazu Leweling und Karazor für Chema Andrés und Vagnoman. Frische Beine, frische Köpfe, letzter Kraftakt vor der Länderspielpause.
Ausgerechnet Ex-VfB-Profi Fabian Rieder schießt Augsburg in Führung
Und dann beginnt das Spiel so, wie man Spiele nach solchen Wochen nicht beginnen möchte. Zäh, träge, ein bisschen benebelt vom Programm. Acht Minuten sind gespielt, da segelt ein langer Ball von Augsburgs Innenverteidiger Schlotterbeck über Jeltsch hinweg, Nübel pariert zweimal stark, aber auf den dritten Abschluss ist kein System vorbereitet. Fabian Rieder, im vergangenen Jahr noch im VfB-Trikot, schiebt den Abpraller zum 0:1 ein. Der Fußball hat manchmal einen Sinn für kleine Erzählbögen. Der VfB wirkt müde. Was man ihm nicht vorwerfen kann.
Und dann diese Szene in Minute 15. Eine Ecke, viel Gerangel, Zagadou und Schlotterbeck verheddern sich, der Schiedsrichter schaut sich das Ganze draußen noch einmal an. Schlotterbecks linke Hand greift, hält, hängt da, wo sie nicht hingehört. Elfmeter. Mittelstädt verwandelt nach drei Minuten Wartezeit so präzise, wie man das in solchen Momenten eben machen muss. 1:1. Stuttgart ist wieder im Spiel, zumindest auf dem Papier.
Ein Moment der Müdigkeit verdichtet sich zu einem Gegentor
Doch die Beine und Köpfe sind noch nicht ganz zurück. Und deshalb wirkt auch das 1:2 in Minute 26 wie eine Folge der vergangenen Wochen. Nübel will flach aufbauen, Karazor verliert den Ball viel zu nah vor dem eigenen Tor, Massengo nimmt das Geschenk an. Keine Proteste. Kein großer Skandal. Nur ein Moment der Müdigkeit, verdichtet zu einem Gegentor. Es entwickelt sich ein merkwürdiges Spiel. Offen, chaotisch, sprunghaft. Für die Tribünen unterhaltsam, für Trainer vermutlich ein mittlerer Nervenschaden. Und doch gelingt dem VfB, was Teams mit wachsendem Selbstverständnis gelingt. Sie finden zurück. In der 39. Minute hält Stiller den Ball im Spiel, Khannouss flankt, Undav köpft, Dahmen kratzt den Ball heraus, aber eben nicht rechtzeitig. Im Zweifel hat die Torlinientechnik eine sehr klare Meinung. 2:2.
So geht es in die Pause. Und aus der Pause wird kein neuer Anfang, sondern die Fortsetzung eines Spiels, das zu oft stockt, zerrissen wirkt, sich von hitzigen Duellen und endlosen Unterbrechungen verschlucken lässt. Stuttgart versucht Kontrolle herzustellen, aber es bleibt ein Bemühen. Bouanani setzt einen Freistoß knapp über die Latte, Mittelstädt wird einmal gerade noch geblockt, Augsburg kontert gelegentlich fies und zielstrebig. Und in der 77. Minute hat Essende die Partie eigentlich auf dem Fuß. Allein vor Nübel. Und entscheidet sich für die Cannstatter Kurve.
Und dann, fast folgerichtig nach all diesem Chaos, fällt das Tor, das man ein Siegtor nennen darf. Führich bringt Tempo in eine Szene, die eigentlich schon vorbei zu sein schien, Stiller legt mit der Ruhe eines Mannes ab, der das Spiel gerne in seiner Geschwindigkeit erzählt, und Undav schlenzt den Ball fein, fast beiläufig, fast lächelnd ins Eck. 3:2. Stuttgart hat dieses Spiel zweimal fast verloren. Und es zweimal zurückgeholt. Es ist kein glänzender Sieg. Kein Festspiel. Kein Lehrvideo. Es ist einer dieser Siege, die bleiben, weil sie etwas über eine Mannschaft sagen. Der VfB wirkt müde. Aber er wirkt nicht schwach. Und so gewinnt er wie schon gegen Rotterdam ein Spiel, das man gewinnen muss, obwohl es schwer war. Oder gerade deshalb.
VfB Stuttgart - FC Augsburg 3:2 (2:2)
VfB Stuttgart: Nübel - Jeltsch, Zagadou, Mittelstädt - Assignon (90.+1 Vagnoman), Karazor (74. Nartey), Stiller, Leweling - Bouanani (68. Tiago Tomás), El Khannouss (74. Führich) - Undav (90.+1 Andrés)
FC Augsburg: Dahmen - Banks (62. Gouweleeuw), Matsima, K. Schlotterbeck - Fellhauer, Massengo, Rexhbecaj (84. Marius Wolf), Giannoulis - Rieder (81. Kömür), Kade (81. Saad) - Claude-Maurice (62. Essende)
Schiedsrichter: Harm Osmers (Hannover)
Zuschauer: 58.500
Tore: 0:1 Rieder (8.), 1:1 Mittelstädt (18./Foulelfmeter), 1:2 Massengo (26.), 2:2 Undav (39.), 3:2 Undav (80.)
Gelbe Karten: Assignon (2), Nartey (1) / K. Schlotterbeck (3), Matsima (4), Giannoulis (4)




