Pascal Stenzel im Interview: "Beim VfB zu spielen, ist etwas Besonderes"
Pascal Stenzel ist seit über vier Jahren beim VfB Stuttgart. Der Verteidiger hat in diesen turbulenten Jahren einen Aufstieg, zwei Fast-Abstiege und eine Relegation erlebt. Aktuell befinden sich die Schwaben aber im Aufwind und auch der 27-Jähige bekommt wieder mehr Einsatzzeiten. Wie schätzt Pascal Stenzel die Chancen auf Europa ein? Bleibt Serhou Guirassy beim VfB? Und verlängert der Ex-Freiburger seinen im Sommer auslaufenden Vertrag? Ein Interview über sein Verhältnis zu Trainer Hoeneß, seine Rolle im Team und seine Zukunftspläne.
Der VfB hat nach knapp der Hälfte der Bundesliga-Saison auf dem dritten Platz überwintert. Habt Ihr das nach den schweren letzten Jahren kommen sehen?
In dieser Form hat das sicherlich keiner wirklich kommen sehen. Dass in unserer Mannschaft Qualität schlummert, war eigentlich allen klar. Es gehört aber auch zur Wahrheit, dass wir diese PS zu selten auf die Straße bekommen haben. Das hat uns unzufrieden gemacht, weil wir wussten, dass wir mehr können.
Wie habt Ihr es dann im letzten halben Jahr geschafft, dass der Erfolg wieder zurück ist?
Der Fußball, den wir spielen, ist auf jeden von uns gut zugeschnitten. Der Trainer sieht genau die Qualitäten, die ein Spieler hat. Jeder hat in den vergangenen Monaten dazu beigetragen, dass unser System funktioniert. Irgendwann entwickelt man ein gutes Gefühl und geht mit mehr Selbstvertrauen in die Spiele. Und egal ob wir zurückliegen oder es lange 0:0 steht - wir haben immer die Überzeugung, ein Tor zu schießen. Da hat sich ein Selbstverständnis entwickelt, das uns guttut.
Nach 16 Spielen stehen bereits 34 Punkte zu Buche. Das ist ein Punkt mehr als in der gesamten vergangenen Saison. Reibt ihr euch im Team nicht manchmal die Augen angesichts dieser Punkteausbeute?
Wir reden in der Kabine nicht ständig darüber, dass wir aktuell schon so viele Punkte haben wie am Ende der vergangenen Saison. Aber es ist natürlich ein Thema, dass es gut läuft und Spaß macht. Wir wissen aber, dass es auch schnell in die andere Richtung gehen kann. Egal, ob wir 5:1 in Leipzig verlieren oder 5:0 gegen Freiburg gewinnen: Wir analysieren alles sachlich und bleiben bei uns. Das macht uns so erfolgreich.
Ein Garant für den aktuellen Erfolg des VfB Stuttgart ist Sebastian Hoeneß. Was macht den Trainer aus Ihrer Sicht aus?
Wir können akribisch miteinander arbeiten, aber im nächsten Moment auch einen Spaß machen. Er führt immer wieder Gespräche - aber auch nicht zu viele. Er hat seinen eigenen Plan - nimmt uns aber auch mit ins Boot. Der Trainer lebt das vor und wir als Mannschaft tragen das mit.
Als Außenstehender hat man das Gefühl, dass die Mannschaft unter Sebastian Hoeneß nochmal zusammengewachsen ist. Ist das der Schlüssel zum Erfolg?
Natürlich gibt es auch bei uns ein paar Grüppchen. Die einen finden sprachlich zueinander, die anderen haben die gleichen Interessen. Ich zum Beispiel spiele in einer Runde Karten. Wir müssen nicht zwangsläufig alle die besten Freunde sein, aber auf dem Platz und im Training zieht jeder in dieselbe Richtung. Man kann sich auch mal anfahren und Probleme thematisieren, das macht uns alle besser.
Mit wem spielen Sie Karten?
Mit Chris Führich, Fabian Bredlow, Waldemar Anton und seit neuestem Deniz Undav. Wir spielen zusammen Wizard (ein Kartenspiel, bei dem man Trümpfe setzen muss; Anm. d. Red.). Zum Beispiel vor den Heimspielen, bei denen wir länger auf dem Clubgelände sind. Aber auch vor Auswärtsspielen im Bus oder im Hotel.
Also keine PlayStation oder XBox?
Nein, wir spielen nur Karten. Vor dem letzten Heimspiel gegen Augsburg zum Beispiel habe ich die Wizard-Karten in meiner Tasche zuhause liegen lassen. Das war eigentlich immer unsere Tradition, da habe ich mir schon Sorgen gemacht, dass das dann im Spiel schiefgeht. Aber Chris hat ja sein Tor gemacht und wir haben gewonnen.
Wizard scheint euch ja bislang Glück gebracht zu haben. Wird die Rückrunde genauso erfolgreich wie die Hinrunde?
Natürlich sieht es aktuell gut aus in der Tabelle, wir haben ein Polster. Aber es gilt, erfolgreich in die Rückrunde zu starten und da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben. Das klingt zwar wie eine Floskel, aber wir wollen die Spiele nacheinander angehen. Der Trainer lebt das vor und das finde ich einen guten Weg. Wir können nur unsere eigene Leistung beeinflussen.
In der Bundesliga hat noch kein Team, das nach 16 Spielen 34 Punkte auf dem Konto hatte, die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb verpasst. Ist die Champions League ein Thema unter euch Spielern?
Wir gehen jetzt sicher nicht in die Spiele nach dem Motto: Wir sind gesichert, jetzt ist es uns egal, was passiert. Wir reden aber auch nicht darüber, dass wir Europa erreichen wollen. Die Mannschaft ist grundsätzlich gefestigt, aber es fehlen in den kommenden Wochen auch einige Spieler, die bislang oft den Unterschied gemacht haben. Das muss erstmal kompensiert werden.
Nervt es euch, dass gleich vier Spieler beim Afrika-Cup (Guirassy/Silas) und Asien-Cup (Ito/Jeong) fehlen?
Wir sitzen nicht zusammen und ärgern uns, dass die Spieler jetzt fehlen - daran können wir ja nichts ändern. Es ist auch eine Chance für andere Spieler, jetzt mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich sehe das auch als Chance.
Wie können die fehlenden Spieler ersetzt werden? Und in Wizard-Sprache gefragt: Was sind eure Trümpfe für den Liga-Restart?
Wir haben uns in der Hinrunde ein Selbstverständnis erarbeitet und spielen einen Fußball, der uns liegt. Wir sind hier im Stadion eine Einheit mit den Fans. Wir haben einen Weg eingeschlagen, der allen hier Spaß macht. Da wollen wir weiter daran arbeiten. Es gab wenige Spiele, in denen wir keine Kontrolle hatten. Wir sind selbstbewusst und wissen, dass wir weiter gut Fußball spielen können.
Serhou Guirassy fehlt die nächsten Wochen. Es könnte sein, dass der Stürmer den Club schon in diesem Winter ganz verlässt. Redet Ihr mit Serhou über seine Pläne?
Eher nicht. Vielleicht kommt da mal scherzhaft der ein oder andere Spruch in Richtung von Serhou. Aber am Ende ist das einzig und allein seine Entscheidung.
Habt Ihr als Mannschaft schon Pläne geschmiedet, wie ihr Serhou überzeugen wollt, hierzubleiben?
Nicht, in dem wir ihn darauf ansprechen. Wir können eher damit punkten, dass wir eine gute Mannschaft haben, entspannt miteinander umgehen und erfolgreich sind. Auch die VfB-Fans sind klasse. Wenn für Serhou alles passt, warum sollte er dann nicht hierbleiben? Beim VfB zu spielen, ist etwas Besonderes.
Deniz Undav kann jetzt die Lücke, die Serhou Guirassy hinterlässt, ausfüllen. Ist das seine große Chance?
Das hört sich so an, als stünde Deniz eher im Schatten von Serhou. Es ist für mich beeindruckend, dass Deniz trotz Serhous Serie so präsent war. Ich schätze ihn als lustigen Typen, der gerne viele Späße macht, viel redet und in der Kabine für uns wichtig ist. Seine Qualitäten hat er so oder so, egal ob Serhou da ist oder nicht. Deniz will der Mannschaft immer helfen.
Schauen wir mal auf Ihre Zukunft. Sie sind seit über vier Jahren beim VfB Stuttgart, Ihr Vertrag läuft aber im Sommer aus. Gab es bereits Gespräche über eine Verlängerung?
Natürlich haben wir miteinander gesprochen. Ich fühle mich hier sehr wohl, ich spiele gerne unter dem Trainer. Nach zwei schwierigen Jahren spiele ich auf dem Platz wieder eine wichtige Rolle, das war für mich nicht immer selbstverständlich. Es passt für beide Seiten.
Das heißt konkret: Sie wollen beim VfB bleiben?
Ich sehe keinen Grund, nicht hierzubleiben. Meine Familie fühlt sich hier wohl, wir sind nach zwei Jahren voll in der Stadt angekommen. Das sind auch Faktoren, die wichtig sind. Ich fühle mich sportlich und privat sehr wohl hier.
Haben Sie einen Zeitplan, bis wann die Gespräche abgeschlossen sein sollen?
Es gibt keinen Zeitplan. Wir sind im offenen Austausch miteinander. Ich bin schon seit ein paar Jahren hier und wir waren immer ehrlich zueinander.
Wie sehen Sie ihre Rolle beim VfB? In den letzten Jahren mussten Sie oft auf der Ersatzbank Platz nehmen.
Ich habe einen sehr guten Draht zum Trainer und wir reden offen miteinander. Ich bin reflektiert und kenne meine Qualitäten. Ich weiß, dass es Spiele gibt, in denen meine Qualitäten eher gebraucht werden als in anderen Spielen. Es gab auch mal Trainer, die nur auf die Schnelligkeit geschaut haben. Jetzt habe ich aber einen Trainer, der mich auf dem Platz haben will, weil ich gewisse Qualitäten habe. Das macht einfach Spaß.
Nehmen wir an, Sie bleiben beim VfB. Gibt es irgendwelche Ziele, Pläne und Vorsätze, die Sie in den nächsten Jahren umsetzen wollen?
Ich setze mir aktuell keine Ziele. Ich habe die letzten Jahre eines gelernt: Wenn man sich etwas zurechtlegt, kommt es immer anders. Und dann ärgert man sich. Ich nehme die Dinge so, wie sie kommen. Oft nimmt man aus den negativen Dingen mehr mit als aus den positiven. Ich will nicht zu viel planen und nicht zu viel voraussagen, damit bin ich bislang gut gefahren.





