Sven Mislintat verteidigt den eingeschlagenen Weg
Hamburg/Stuttgart. Die fast schon traditionelle Herbst-Krise hat den VfB Stuttgart nach der bösen Klatsche in Hamburg endgültig erreicht. Der HSV legte beim 2:6 im Zweitliga-Gipfel gnadenlos alle Problemzonen der Schwaben offen. Sportdirektor Sven Mislintat will sich von der aufkommenden Unruhe nicht anstecken lassen und verteidigt mit klaren Worten den eingeschlagenen Weg.
Im Norden weht gerne mal eine steife Brise. Und nachdem der Hamburger SV den VfB Stuttgart im Zweitliga-Gipfel überrollt hatte, blies den Stuttgarter Profis nach dem Abpfiff beim Gang in die Fankurve zudem noch ein wütendes Pfeifkonzert mitten ins Gesicht. Über 5000 Fans hatten sich auf die lange Reise in die Hansestadt gemacht - und die weiß-rote Anhängerschaft war nach dem Debakel ihrer Mannschaft restlos bedient. Gleich sechs Mal ballerte die Hamburger Torhymne „Always Hamburg“ aus den Boxen. Manchem VfB-Fan dröhnte der Techno-Sound von Scooter noch Stunden später bei der spätabendlichen Nachbetrachtung der Niederlage auf der Reeperbahn in den Ohren.
Nach drei Pleiten in Serie ist nach knapp vier Monaten Ruhe die Krisenstimmung wieder zurück in der Landeshauptstadt. Sportdirektor Sven Mislintat wollte davon nach dem 2:6 im Volksparkstadion nichts wissen: „Das ist natürlich nicht das, was man sich vorstellt. Jedes Spiel ist eine Einzelbetrachtung, da stellen wir jetzt nicht das große Ganze in Frage.“ Doch die Klatsche in Hamburg hat die aktuellen Problemzonen der Schwaben gnadenlos offengelegt.
Problemzone eins: Die wackelige Defensive
„Sechs Gegentore darfst du gegen keinen Gegner kriegen“, sagt Mislintat. Abwehrchef und Kapitän Marc Oliver Kempf sprach in der Mixed Zone nach dem Spiel von einer Blockade in den Köpfen: „Im Moment ist gerade bei unseren jungen Spielern eine Verunsicherung zu spüren. Wir müssen unsere Blockade schnellstmöglich lösen und die Leichtigkeit wieder reinkriegen.“ Fakt ist: In den letzten drei Spielen fingen sich die Schwaben neun Gegentreffer. Insgesamt sind es bislang 16 Gegentore in elf Ligaspielen. Kein besorgniserregend schlechter Wert, aber schlicht und ergreifend zu viele für einen Titelanwärter. Eine systematische Problematik will Sven Mislintat nicht erkennen und verweist auf die individuellen Fehler vor den Gegentoren.
Problemzone zwei: Fehlende Abläufe und Ideen im Mittelfeld
In der Stuttgarter Schaltzentrale wird Woche für Woche munter durchgewechselt. Eine Stammformation ist noch nicht in Sicht. Es scheint, als habe einzig Philipp Förster seinen Platz sicher. Drumherum herrscht ein munteres Kommen und Gehen. Gegen den HSV durfte Atakan Karazor wieder auf der Sechs ran, Orel Mangala und Philipp Klement komplettierten die Mittelfeldraute. Automatismen, aus denen sich eine gewisse Grundstabilität und offensive Abläufe ableiten, waren nicht zu sehen. Stattdessen gab es ideenlose und leicht zu verteidigende Ballstafetten sowie eine katastrophale Konterabsicherung. „Wir müssen schnellstmöglich an einer besseren Absicherung nach hinten arbeiten“, warnte Philipp Klement. Der an der Wade verletzte Spielmacher Daniel Didavi wird schmerzlich vermisst.
Problemzone drei: Der Sturm braucht zu viele Chancen
Das 6:2 vom Samstagnachmittag spiegelte nicht unbedingt die tatsächlichen Kräfteverhältnisse wieder. „Der VfB hat uns voll gefordert und auch zu hoch verloren“, sagte beispielsweise HSV-Coach Dieter Hecking. „Wir hatten ganz oft die Chance wieder ranzukommen, haben diese aber nicht genutzt“, beklagte Sven Mislintat. Die mangelhafte Chancenverwertung zieht sich bislang wie ein roter Faden durch die VfB-Saison. Einzig beim 2:0-Heimsieg gegen die SpVgg Greuther Fürth gewannen die Stuttgarter mit zwei Toren Unterschied. Dabei erspielten sich die Schwaben in fast allen Partien zahlreiche Torchancen. Allein in den letzten drei Spielen gegen Wiesbaden, Kiel und beim HSV haben die Stuttgarter Kanoniere laut den offiziellen Statistiken insgesamt 62 Torschüsse abgefeuert. Drei Tore sind die magere Ausbeute. Eine miserable Trefferquote.
Ausblick: Mislintat bewahrt die Ruhe
„Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß“, hat der große Fußballphilosoph Andreas Brehme einmal gesagt. Ganz ähnlich fühlt aktuell auch der Stuttgarter Cheftrainer Tim Walter: „Glück haben wir in jedem Fall momentan nicht. In der Offensive und der Defensive läuft gefühlt alles gegen uns.“ Fast schon traditionell herrscht im Herbst mal wieder Alarmstimmung rund um den Cannstatter Wasen. Davon will sich Sportdirektor Sven Mislintat allerdings nicht anstecken lassen: „Wir haben einen ganz klaren Weg und der ist im Grunde gut.“
Rückschläge und Fehler seien bei einem jungen Team einkalkuliert. Entscheidend ist für Mislintat der Lerneffekt. Damit sich aus dem vorhandenen Potenzial auch Qualität entwickelt, bedarf es Geduld. „Junge Menschen brauchen auch mal die Zeit, um Fehler zu machen“, findet Mislintat und verteidigt die eingeschlagene Richtung vehement: „Wir haben uns für diesen Weg entschieden und müssen akzeptieren, dass wir auch mal einen auf die Fresse kriegen.“
Eine erste Antwort auf die aktuelle Krisenstimmung kann die Mannschaft schon am Dienstagabend im DFB-Pokalspiel geben, wenn es direkt noch einmal gegen den HSV geht (18.30 Uhr/ZVW-Liveticker).
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