Vereinslegende Robert Schlienz: Der Gründungsvater des modernen VfB Stuttgart
Am Samstag (03.02.) hätte Robert Schlienz seinen 100. Geburtstag gefeiert. Der im Juni 1995 verstorbenen Ehrenspielführer des VfB Stuttgart gilt als eine der größten Persönlichkeiten in der Vereinsgeschichte und als bester Fußballer, den die Schwaben je in ihren Reihen hatten. Er schoss den Klub in die Bundesliga und legte, nachdem er bei einem Autounfall einen Arm verloren hatte ein beispielloses Comeback hin. Bis heute ist er der einzige deutsche Nationalspieler mit Handicap – und gewissermaßen der Gründungsvater des modernen VfB. Erinnerungen an eine einarmige Legende.
„Der beste Mann auf dem Platz war der Einarmige“
Ein Lob aus berufenem Mund geht vermutlich jedem Fußballer runter wie Öl. Wenn aber der beste Spieler seiner Zeit zum Ritterschlag ausholt, hat diese Würdigung natürlich ein ganz besonderes Gewicht. Insofern sind die Worte, die der Weltklassestürmer Alfredo di Stefano nach einem Testspiel des VfB gegen die spanische Nationalmannschaft im Februar 1957 über Robert Schlienz sagte, eine Eloge auf einen absoluten Ausnahmekönner: „Der beste Mann auf dem Platz war der Einarmige. Was ich von dem gesehen habe, war für mich bis jetzt unvorstellbar.“
Die beeindruckende Geschichte des Robert Schlienz begann in Zuffenhausen. Geboren am 3. Februar 1924, soll er schon als Sechsjähriger auf der Schlotwiese die Fußballschuhe geschnürt haben. Das große Talent aus dem Stuttgarter Norden blieb dem großen VfB natürlich nicht lange verborgen. Bereits während des Zweiten Weltkriegs wurde er für erste Spiele im Trikot mit dem roten Brustring eingesetzt. In der Premierensaison der Oberliga Süd 1945/1946 erzielte der Mittelstürmer in 30 Spielen 42 Treffer für den VfB und hatte damit entscheidenden Anteil am Gewinn der Meisterschaft in der neu gegründeten Spielklasse.
Dann kam der Schicksalsschlag: Am 14. August 1948 auf dem Weg zu einem Pokalspiel nach Aalen ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem Robert Schlienz einen großen Teil seines linken Armes verlor. Wie genau es zu dem Unfall kam, ist bis heute unklar. Seine aktive Karriere schien damit jedenfalls beendet, die Prognosen waren angesichts der Schwere der Verletzung düster. Doch der damals 24-Jährige ließ sich davon nicht unterkriegen und leistete nahezu Unvorstellbares: Innerhalb von vier Monaten gelang ihm am 5. Dezember 1948 im Spiel gegen den FC Bayern München die beispiellose Rückkehr auf den Rasen - das vermutlich eindrucksvollste Comeback in der Geschichte des deutschen Fußballs.
Um ihren Anführer Schlienz formierte sich daraufhin eine wahnsinnig erfolgreiche VfB-Mannschaft. Als Herzstück des Teams war Robert Schlienz maßgeblich für den Gewinn der deutschen Meisterschaften der Jahre 1950 und 1952, die Endspielteilnahme 1953 sowie für die DFB-Pokalsiege in den Jahren 1954 und 1958 verantwortlich und machte damit den VfB zu einem der erfolgreichsten Fußballvereine dieses Jahrzehnts in Deutschland. 1959 beendete Schlienz unter nie geklärten Umständen seine Karriere.
Die Stuttgarter Sportjournalisten-Legende Hans Blickensdörfer brachte die Bedeutung von Schlienz einst auf den Punkt, als er schrieb, dass ohne ihn „die goldenen 50er Jahre nicht gekommen“ wären und ohne diese „der VfB keinen Platz in der Bundesliga gekriegt“ hätte. Schlienz ist damit gewissermaßen der Gründungsvater des modernen VfB. Schließlich spielen die Schwaben seitdem ununterbrochen im Profifußball.
„Nie hat der VfB einen Kapitän mit dieser Ausstrahlungskraft gehabt. Wir werden nie mehr einen wie Robert Schlienz erleben. Aber wir können alle von ihm lernen“, so Blickensdörfer, der Schlienz weiter auf eine Stufe mit den größten deutschen Stürmern aller Zeiten stellte: „Er war im Strafraum des Gegners eine noch größere Gefahr als Uwe Seeler und Gerd Müller.“
Vorbild und Impulsgeber für viele Menschen mit Körperbehinderung
Doch auch neben dem Platz wurde Schlienz zum Pionier. „Ohne es selbst zu thematisieren, wurde Robert Schlienz zugleich ein Vorbild und Impulsgeber für viele Menschen mit Körperbehinderung und für sporttreibende Kriegsversehrte – zu einer Zeit, in der Inklusion und Teilhabe durch Sport überhaupt noch keine gesellschaftliche Relevanz besaßen“, schreibt der Vereinshistoriker Florian Gauß in einem aktuellen Beitrag.
Als Krönung seiner Laufbahn empfand Schlienz daher seine Berufung von Sepp Herberger in die Nationalmannschaft, bei der er 1955 und 1956 zu drei Einsätzen kam. Bis heute ist er der einzige deutsche Nationalspieler mit Handicap. Und nicht nur deshalb völlig zu Recht einer der größten Spieler, den der VfB je in seinen Reihen hatte.



