Wildes 3:3 gegen den BVB: So kam es zum VfB-Remis im Spitzenspiel in Dortmund
Dortmund. Ein Topspiel, das in völliger Stille beginnt – und in einer der verrücktesten Schlussphasen der bisherigen Saison endet: Der VfB Stuttgart dreht ein 0:2 zum 2:2, kassiert in der letzten Minute das 2:3 – und rettet sich in der Nachspielzeit durch Deniz Undav doch noch zu einem wilden 3:3 in Dortmund. Warum dieses turbulente Remis mehr über den VfB aussagt als viele Ergebnisse zuvor. Unser Spielbericht aus dem Signal-Iduna-Park.
Sebastian Hoeneß drehte vor dem Topspiel – Dritter gegen Vierter – an exakt drei Stellschrauben. Nicht mehr, nicht weniger. Für Dan-Axel Zagadou, Atakan Karazor und Badredine Bouanani rückten Jeff Chabot, Chema Andrés und Tiago Tomás in die Startelf. Ein Umbau, der nicht nach Großreinemachen aussah, sondern nach jener chirurgischen Präzision, mit der Hoeneß seine Mannschaft seit Monaten justiert: minimal invasiv, maximal wirksam. Und wie so oft in dieser Amtszeit wirkt alles, was Hoeneß tut, beinahe unverschämt ruhig. Seine Bilanz gegen Dortmund war makellos: vier Siege, ein Remis. Es gibt schlechtere Voraussetzungen für ein Spiel in einem Stadion, das an diesem Nachmittag erst einmal schweigt.
Das Schweigen der Kurven
Die 25.000 auf der Südtribüne schweigen, die 8.000 Stuttgarter im Gästeblock schweigen mit: zwölf Minuten Protest gegen personalisierte Tickets, verschärfte Stadionverbote und die Sorge, dass der Fußball zu einem sicherheitspolitischen Versuchsfeld wird. Und während das Spiel in gespenstischer Stille startete, spielte der VfB groß auf. Über 70 Prozent Ballbesitz, mehrere Strafraumaktionen, ein Zentrum um Stiller und Chema Andrés, das wirkte, als sei es schon immer Bundesliga-Spitze gewesen. Gegen den Ball formierte sich Stuttgart wieder in der Dreierkette, Leweling links, Assignon rechts – eine Ordnung, die Dortmund zunächst überhaupt nicht entziffern konnte. Erst als der Boykott endete, erwachte der Tempel. Die Eruption der Kurven schmeißt dieses Spiel endgültig an. Doch der VfB bestimmte weiter den Takt, bis Tiago Tomás in Minute 19 knapp vorbeirutschte. Danach wurde es ausgeglichener – und dann typisch Dortmund unter Niko Kovac: wenig Risiko, viel Disziplin, minimale Andeutungen von Offensive.
In der 32. Minute rumpelten Undav und Schlotterbeck nach einer Reyerson-Flanke aneinander. Benjamin Brand entschied auf Elfmeter, der VAR blieb zu Recht draußen. Emre Can verwandelte sicher zum 1:0. Acht Minuten später staubte Maximilian Beier nach Nübels Parade gegen Guirassy zum 2:0 ab. Dortmund nutzte wenige Chancen maximal effizient, Stuttgart zeigte viel, erreichte jedoch zunächst wenig. Es ging in die Pause mit dem Gefühl, dass der VfB wieder einmal an jener gläsernen Decke kratzte, die in großen Spielen noch immer existiert.
Der VfB hat das Momentum, Dortmund wirkt nervös
Die zweite Hälfte begann wie ein Paukenschlag: Mittelstädt flankt, Anton legt ab, Undav schlenzt den Ball mit dem Außenrist ins Tor – 1:2, 47. Minute. Kurze Zeit später trifft Guirassy – doch Abseits. Das Spiel öffnet sich, beide Mannschaften erhöhen Tempo und Intensität. Stiller zirkelt einen Freistoß in die Mauer, aber die anschließende Ecke bringt den Ausgleich: Stiller schlägt erneut, Mittelstädt verlängert, Undav lauert im Fünfer – 2:2. Der VfB hat jetzt das Momentum, Dortmund wirkt zunehmend nervös. Stuttgart spielt körperlich, griffig, mit jener Entschlossenheit, die Hoeneß fordert. Beide Teams liefern sich ein Spiel auf Messers Schneide, Chancen auf beiden Seiten, Nübel hält stark gegen Adeyemi (83.).
In der letzten regulären Minute erzielte Dortmunds Adeyemi noch das 3:2. Jubel auf der Süd, Schock bei den Schwaben – alles schien verloren. Doch dann, in der Nachspielzeit, kam der Moment, der diesen Nachmittag endgültig unvergesslich machte: Deniz Undav, schon zweimal an diesem Tag getroffen, setzt den Ball ein drittes Mal ins Netz – 3:3. Ein Remis, das alle Facetten dieses Spiels widerspiegelt: Rückschläge, Moral, Spannung, Dramatik.
Am Ende steht ein wildes 3:3, das Dortmunds Effizienz mit Stuttgarts Mut, Struktur und Klasse kombiniert. Hoeneß’ Team zeigt einmal mehr, dass es angekommen ist in der oberen Ligaetage, dass es große Spiele gestalten kann und dass es – trotz Rückständen und knapper Momente – die Fähigkeit besitzt, immer wieder aufzustehen.
Borussia Dortmund - VfB Stuttgart 3:3 (2:0)
Borussia Dortmund: Kobel - Anton, Can, N. Schlotterbeck - Ryerson, Jo. Bellingham, F. Nmecha, Beier (90.+3 Silva) - Brandt (73. Svensson), Chukwuemeka (77. Adeyemi) - Guirassy
VfB Stuttgart: Nübel - Jeltsch, Chabot, Mittelstädt (80. Hendriks) - Assignon, Stiller (90.+3 Karazor), Andrés (80. Nartey), Leweling (90.+3 Vagnoman) - Tiago Tomás (73. Führich), El Khannouss, Undav
Schiedsrichter: Benjamin Brand (Gerolzhofen)
Zuschauer: 81.365 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Can (34./Foulelfmeter), 2:0 Beier (41.), 2:1 Undav (47.), 2:2 Undav (71.), 3:2 Adeyemi (89.), 3:3 Undav (90.+1)
Gelbe Karten: Beier (2) / Jeltsch (2)




