Baden-Württemberg

AfD im Sinkflug: Droht ein Absturz? Harsche interne Kritik vor den Wahlen 2024

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Ein AfD-Wahlplakat. © ZVW/Gabriel Habermann

Correctiv-Enthüllungen, Spionage-Vorwürfe und jede Menge Streit: Der (Umfragen-)Höhenflug der AfD ist bereits seit einer Weile beendet. Die Frage, die man sich in der rechtsextremen Partei aktuell stellen muss, lautet eher: Wann endet der Sinkflug? In einer aktuellen Forsa-Umfrage erreichte die AfD den schlechtesten Wert seit April 2023. Auf Telegram wird harsche interne Kritik laut, die sich vor allem gegen die Parteiführung richtet. Die Befürchtung: Europawahl und Landtagswahlen werden ein Reinfall. Und das ist nur einer der teilweise skurrilen Auswüchse, die der Machtkampf hervorbringt, der in der Partei aktuell auf diversen Ebenen tobt. Eine Analyse.

Forsa-Umfrage: Ein Indikator für den Sinkflug 

Die AfD verliert seit Wochen in Umfragen an Zustimmung. Zuletzt wurde am Dienstag (07.05.) eine Forsa-Umfrage öffentlich, bei der die rechtsextreme Partei nur noch bei 15 Prozent liegt. Das berichtete NTV. Gefragt wurde, welche die Teilnehmer wählen würden, wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Am 19. Dezember lag die AfD hier noch bei 23 Prozent.

Natürlich sind Umfragen mit Vorsicht zu genießen, allein die statistische Fehlertoleranz liegt schon bei plus/minus 2,5 Prozentpunkten. Es handelt sich außerdem nur um ein Meinungsbild, das nie mehr als die Parteipräferenz zum Zeitpunkt der Befragung abbildet. Da Wahlentscheidungen laut Experten immer kurzfristiger getroffen werden, ist die Aussagekraft solcher Umfragen weniger stark als früher.

Trotzdem kann man festhalten: Der Trend zeigt in eine klare Richtung. Nach unten. Und das seit Anfang des Jahres. Woran liegt das? 

Rütteln an der AfD-Erzählung: "Die Mehrheit schweigt nicht länger"

Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Aber Anhaltspunkte dafür. Am 10. Januar veröffentlichte das Recherche-Netzwerk "Correctiv" den vielbeachteten Text "Geheimplan gegen Deutschland". Darin wird über ein geheimes Treffen zwischen Neonazis, AfD- und "Werteunion"-Leuten sowie Unternehmern in Potsdam berichtet, die gemeinsam die massenhafte Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant haben sollen. 

Die Recherche hat eine Welle der Empörung ausgelöst, die sich unter anderem in Massen-Demonstrationen gegen die AfD im gesamten Bundesgebiet Bahn brach. Die Demos rüttelten an der Kern-Erzählung der AfD als Stimme einer angeblichen schweigenden Mehrheit. "Die Mehrheit schweigt nicht länger", sagte Isabel Fezer, Bürgermeisterin von Stuttgart, als sich im Januar bei einer Kundgebung 20.000 Menschen auf dem Schlossplatz versammelten. Sympathie für die AfD hatte dort mutmaßlich niemand. 

"Unser Land zuerst": Wie patriotisch ist die AfD wirklich? 

Es gibt aber noch andere Gründe, die den AfD-Sinkflug erklären können. Die Europawahl-Spitzenkandidaten Maximilian Krah (Listenplatz 1) und Petr Bystron (Listenplatz 2) gerieten zuletzt wegen möglicher Verbindungen zu autoritären Regimen in de Schlagzeilen. Krahs Mitarbeiter soll für China spioniert haben, am Dienstag wurde dessen Büro durchsucht. Krah selbst werden auffällig enge Kontakte zu China und dem Pro-Putin-Propagandanetzwerk "Voice of Europe" vorgeworfen. Petr Bystron wird vom tschechischen Geheimdienst belastet. Dieser verfügt angeblich über Aufnahmen, die eine Geldübergabe in Prag belegen sollen. Auch dieser Fall steht mutmaßlich im Zusammenhang mit "Voice of Europe". 

Diese Skandale kratzen am Bild der AfD als angeblich patriotische Partei. "Unser Land zuerst", lautet ein Slogan der AfD. Spöttisch könnte man fragen, welches Land damit gemeint ist. Der Spiegel brachte die Debatte kürzlich zugespitzt auf einer Titelseite auf den Punkt:  "Die Landesverräter: Geheimpapiere – wie die AfD für Russland und China arbeitet". Die bisherigen Versuche der AfD um Schadensbegrenzung scheinen nicht so recht zu fruchten. Der AfD-Bundesvorstand wirkt in seinen Maßnahmen gegen Krah inkonsequent, Krah ungewöhnlich hilflos, wenn er im Trump-Stil von der angeblichen Kampagne gegen ihn raunt. 

"AfD-interne Analyse": Harsche Kritik in parteinahen Telegram-Kanälen

In der rechtsextremen Partei brodelt es. Das zeigt auch ein Telegram-Beitrag, über den zuerst "The Pioneer" berichtete. Das Medium schreibt dabei von einer "AfD-internen Analyse". Tatsächlich findet sich der Beitrag in inoffiziellen AfD-Kanälen, in denen sich regelmäßig Parteimitglieder und mutmaßlich auch Mandatsträger austauschen. Unserer Redaktion liegt der Telegram-Beitrag vor. Wer ihn verfasst hat, ist unklar. Formulierungen lassen darauf schließen, dass es sich um mehre Menschen handelt, die der Partei in irgendeiner Form nahe stehen. 

Im Kern lautet die Botschaft des Beitrags: Die AfD wird bei der Europawahl wohl zwischen 13 und 15 Prozent landen. Das wäre zwar ein Plus, bliebe aber hinter den zuletzt durch Umfragen geschürten Erwartungen zurück. Es sei "früh erkennbar" gewesen, dass der "Höhenflug nicht anhalten wird", heißt es. "Die 'blaue Welle' schien einigen zwischenzeitlich die Sinne benebelt zu haben." Wenn nicht gehandelt werde, könnte es für die rechtsextreme Partei – beispielsweise bei der Landtagswahl in Sachsen im September – noch schlimmer kommen.

Kein "Durchmarsch der AfD" erwartet: Welche drei Punkte dafür verantwortlich sein sollen

"Die Erwartungen an einen Durchmarsch der AfD, die zwischenzeitlich von einigen regelrecht als 'letzte Hoffnung unseres Volkes' verklärt wurde, werden sich daher 2024 nicht erfüllen", prognostizieren die Autoren. Sie nennen drei Punkte, die sie für den Stimmenverlust verantwortlich machen:

  • Erstens: Das Bündnis Sarah Wagenknecht führe zu einem Verlust von "Protestwählern".
  • Zweitens: "Starke Umfrageergebnisse verleiten die ohnehin schon träge Funktionärsetage der AfD, noch fauler zu werden, sich auf vermeintlichen Erfolgen auszuruhen und politische Profilschärfungen zu vermeiden, um 'anschlussfähig' zu werden." Hier wird offenbar gegen den Bundesvorstand geschossen.
  • Drittens: "Der Burgfrieden in der AfD wird durch die umstrittene Europawahl-Liste, die von Anfang an politischer Sprengstoff war, durch einen innerparteilichen Kleinkrieg erschüttert." Hier werden explizit Maximilian Krah und Petr Bystron erwähnt.

"Innerparteilicher Kleinkrieg": In der AfD fliegen die Fetzen

Der Beitrag verbreitete sich offenbar in mehreren AfD-nahen Telegram-Kanälen. Diese Art der anonymen Kritik ist nicht ungewöhnlich: In der rechtsextremen Partei gibt es zahlreiche in- bis halboffizielle Chat-Gruppen und Kanäle, über die kommuniziert wird. Sie verraten oft mehr über den Zustand in der Partei, als die offiziellen Verlautbarungen. Der AfD-Bundesvorstand hat sich auf Nachfrage unserer Redaktion zu der "Analyse" bislang nicht geäußert. Was sich aber feststellen lässt: Der "innerparteiliche Kleinkrieg" ist gerade an zahlreichen Fronten zu beobachten. Nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landes- und teilweise sogar Kreisebene. Zwei Beispiele:

Beispiel 1: Interne Chats der AfD Rems-Murr zeigen, wie erbittert der innerparteiliche Kampf in Baden-Württemberg geführt wird – und mit welchen Mitteln er beim Landesparteitag in Rottweil ausgetragen wurde. Auf offener Bühne wurde gestritten, Chaos brach aus, der Parteitag hinterher angefochten. Hier stehen sich zwei Lager offenbar unversöhnlich gegenüber: Das der Parteichefin Alice Weidel und das des Stuttgarter Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel, der wiederum dem Lager um Björn Höcke zugerechnet wird. 

Beispiel 2: "Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt macht die AfD Wahlkampf gegen die AfD", schrieb der MDR am Mittwoch (08.05.) in einem Artikel zur Kommunalwahl 2024. Wegen interner Streitereien tritt der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke nicht für seine eigene Partei an, sondern für die "Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt". Die "Chronik eines skurrilen Machtkampfes" lässt sich hier nachlesen

AfD hat massive Probleme: Wahl-Prognosen sind trotzdem schwierig

Die Partei hat an allen Ecken und Enden Probleme. Zu den bereits genannten kommen beispielsweise die durchaus desaströse Kommunalwahl-Bilanz in Baden-Württemberg. Die rechtsextremen "Freien Sachsen", die der AfD ebenso Stimmen wegnehmen werden, wie das Bündnis Sahra Wagenkencht. Oder die möglichen Verluste durch Listen aus dem Umfeld der Querdenker-Szene. Und egal, ob es um den innerparteilichen Kleinkrieg, oder die Umfrage-Ergebnisse geht: Eine Trendwende ist aktuell nicht in Sicht.

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