Baden-Württemberg

Fans rechtsextremer Attentäter in BW: Wenn 14-Jährige Tötungsfantasien äußern

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Symbolfoto. © Benjamin Büttner

Seit Jahren beobachtet das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg, dass Teile der rechtsextremen Online-Community rechtsterroristische Attentäter verherrlichen. Dass es nicht immer bei einer Bewunderung bleibt, zeigen zwei Fälle, die das LfV kürzlich publik gemacht hat: Zwei Jugendliche im Alter von 14 und 16 Jahren, die der sogenannten "Attentäter-Fanszene" zugerechnet werden, sollen mit Gewalt- und Tötungsfantasien aufgefallen sein. Gegen beide wird ermittelt.

16-Jähriger mit Attentats- und Tötungsfantasien: Bezug zum Täter von Christchurch

Der erste Vorfall ist laut LfV auf Ende 2023 datiert. Ein damals 16-Jähriger habe in "einschlägigen Telegram-Chatgruppen" rassistische, antisemitische und extrem gewaltorientierte Äußerungen getroffen. Auch "abstrakte Attentats- und Tötungsfantasien" seien gefallen. In diesem Kontext habe sich der Jugendliche auf den Rechtsterroristen bezogen, der bei einem Anschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch 2019 51 Menschen getötet, und 50 weitere teilweise schwer verletzt hatte. Der Massenmörder galt seitdem weiteren Rechtsterroristen als Vorbild – und wird von Teilen der Szene als eine Art Heiliger verklärt.

Bei dem 16-Jährigen fand im Anschluss an diese Äußerungen eine Durchsuchung statt. Wie das LfV auf Nachfrage mitteilt, wohnt er im Landkreis Heilbronn. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Schwarzwald-Baar-Kreis: 14-Jähriger fantasiert davon, Juden und eine Lehrerin zu töten

Der zweite Jugendliche, den das LfV der "Attentäter-Fanszene" zuordnet, ist nochmal jünger: Ein damals 14-Jähriger habe Anfang des Jahres 2024 ebenfalls in Telegram-Gruppen der Szene antisemitische und gewaltorientierte Aussagen getroffen. "In diesem Zusammenhang äußerte der Jugendliche abstrakte Attentats- und Tötungsfantasien gegen Juden und eine Lehrerin."

Der Jugendliche stammt laut LfV aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Die Staatsanwaltschaft Konstanz habe Ermittlungen wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten eingeleitet. Auch in diesem Fall haben Durchsuchungsmaßnahmen stattgefunden.

Gamification of Terror: Massenmord in Videospiel-Optik

Das Attentat von Christchurch gilt den Experten des LfV als Grundstein für die "Attentäter-Fanszene". Mit der Tat begann, was Rechtsextremismus-Experten heute die "Gamification of Terror" nennen: Der Rechtsterrorist übertrug die furchtbaren Morde per Helmkamera live. Die Perspektive, aus der die Zuschauer das grausame Geschehen verfolgten, erinnerte an Ego-Shooter-Videospiele.

Rechtsextremismus und Online-Kultur vermischen sich auch in den sogenannten "Manifesten" der Attentäter. Beim Anschlag von Halle, wo ein Rechtsterrorist 2019 zwei Menschen ermordete, nachdem er an einer Synagogentür gescheitert war, fand sich darin beispielsweise eine Art Zielvorgabe samt Punktesystem.

Umsturz mit Gewalt erzwingen: Was die "Attentäter-Fanszene" vorhat

Was will die "Attentäter-Fanszene"? Das LfV schreibt: "Erklärtes Ziel ist die schnellstmögliche Herbeiführung des Zusammenbruchs des demokratischen Systems. Die Rechtsextremisten planen, innere Konflikte durch Gewalttaten so auszuweiten, dass es zu einem revolutionären Umsturz kommt." Als ideologische Grundlage diene neben dem Buch "Siege" des US-Neonazis James Mason auch die Verschwörungserzählung vom angebliche "Großen Austausch", die auch von Teilen der AfD propagiert wird. Auch Bezüge zu anderen Online-Subkulturen wie der "Amok-Fanszene", die Amokläufer verherrlicht, und "Incels" (incel = involuntary celibat, sprich: unfreiwillig sexuell enthaltsam) seien wichtig.

Die "Attentäter-Fanszene" kommuniziere vor allem über Online-Foren, Imageboards und zunehmend auch Messenger-Dienste wie Telegram. "Der menschenverachtende Umgangston innerhalb dieser Gruppen ist durchgehend rassistisch, antisemitisch und gewaltbefürwortend", schreibt das LfV.

Online-Phänomen mit Folgen: Behörden wollen "Attentate rechtzeitig verhindern"

Das Online-Phänomen, das zeigen nicht zuletzt die aktuellen Fälle, ist nicht auf den virtuellen Raum beschränkt. Die Verfassungsschützer und andere Sicherheitsbehörden versprechen sich vom Beobachten dieser Szene deshalb vor allem eines: "Potenzielle rechtsextremistische Gewalttäter oder Rechtsterroristen frühzeitig erkennen und möglicherweise geplante Attentate rechtzeitig verhindern."

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