Opfern beistehen, Täter benennen: Warum wir bei "Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors" dabei sind
Warum der Zeitungsverlag Waiblingen teilnimmt an der Aktion „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“: Bedarf es dafür noch einer Begründung? Die Fakten liegen doch in erschütternder Dichte, sichtbar für jede und jeden, die und der hinzuschauen bereit ist, seit langem auf dem Tisch.
Die Kontinuität rechten Terrors in Deutschland ist über die Jahre oft unterbelichtet geblieben, sie wurde phasenweise regelrecht verdrängt. Das ändert sich langsam, gründlichen Recherchen sei Dank. Die Datenbank des German Institute on Radicalization and De-Radicalization Studies dokumentiert allein seit 1971 rund 160 rechtsterroristische Sprengstoffanschläge und mehr als 350 rechtsextrem motivierte Morde und Mordversuche in Deutschland.
Muss man das Niederschmetternde allein aus jüngster Vergangenheit ernsthaft noch einmal aufzählen? Halle? Hanau? Lübcke? Muss man all die Nachrichten über Rechtsextremismus auch in Sicherheitsbehörden wirklich noch einmal herunterbeten?
Der aktuelle Bundesverfassungsschutzbericht geht von mehr als 33.000 Rechtsextremisten in Deutschland aus; über ein Drittel gilt als gewaltorientiert. Und im Bundestag und in den Landtagen hat sich eine Partei breitgemacht, die Rechtsextremisten wie Björn Höcke in ihren Reihen nicht nur duldet, sondern in höchste Führungspositionen wählt.
Eine lange einschlägige Geschichte hat auch der Rems-Murr-Kreis. Sie reicht von den Umtrieben der Gruppe Noie Werte seit den späten 80er Jahren über das Konzert des europaweit berühmt-berüchtigen Blood&Honour-Gründers Ian Stuart 1993 in Waiblingen bis zum Brandanschlag von Winterbach 2011 und dem Auftrumpfen der Pseudo-Gewerkschaft Zentrum Automobil, bei der Leute mit rechtsextremer Biografie Schlüsselrollen spielen.
Der Zeitungsverlag Waiblingen darf stolz darauf verweisen, dass seine Redaktion seit langem hinschaut. Bereits vor 16 Jahren haben wir eine große Serie über Rechtsextremismus im Landkreis gemacht, später haben wir NSU-Verbindungen in den Kreis aufgedeckt, und in jüngerer Zeit steuert unser Redakteur Alexander Roth wertvolle neue Recherche-Impulse bei. Er ist auch unser Experte beim aktuellen Projekt.
Ein persönliches Wort: Als ich vor Jahren gemeinsam mit Semiya Simsek an dem Buch „Schmerzliche Heimat“ arbeitete, habe ich erfahren, welche Verheerungen rechter Terror anrichtet; Semiyas Vater Enver Simsek wurde vom Nationalsozialistischen Untergrund ermordet. Ich habe gelernt: Wir müssen uns auf die Seite der Opfer stellen, wir müssen die Täter benennen, immer wieder, ausdauernd und verlässlich! Das ist unsere publizistische Verpflichtung.
Ich freue mich, dass der ZVW dieser Verpflichtung gerecht wird und teilnimmt an „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“.
Peter Schwarz, Mitglied der Chefredaktion
Das Projekt
Das Projekt „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors” ist eine Kooperation elf renommierter Regionalmedien in Zusammenarbeit mit dem Weissen Ring e.V., unter Leitung des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV.
Weitere Texte zum Thema finden Sie auf www.menschen-im-fadenkreuz.de oder unter zvw.de/menschen-im-fadenkreuz.