Rems-Murr-Kreis

Tödliches Blitz-Unglück bei Welzheim: Hintergründe zu einer Wetter-Tragödie

Unwetter Remstal
Gewitterblitze. Das Foto entstand vor längerer Zeit und zeigt Weinstadt, vom Kleinheppacher Kopf aus gesehen. © Gabriel Habermann

Schreckliche Folgen hatte das Gewitter, das am Mittwoch (14.8.) über den Welzheimer Raum zog: Ein 15-Jähriger ist bei einem Blitzeinschlag tödlich verletzt worden. Wie kam es dazu? Steigt in Baden-Württemberg die Blitzgefahr? Wie kann sich jemand schützen, der auf freiem Feld von einem Unwetter überrascht wird? Hintergründe zu einem tragischen Unglück.

Nüchtern und mit Rücksicht auf die betroffenen Familien angemessen knapp gefasst ist die Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Aalen: „Zwei Jugendliche hielten sich am Mittwochabend kurz vor 21 Uhr während eines Gewitters auf einer Anhöhe nordöstlich von Welzheim unter einem Baum auf. Bei einem Blitzeinschlag wurde ein 15-Jähriger tödlich verletzt. Der zweite Jugendliche wurde schwer verletzt und musste notärztlich versorgt werden. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert.“

Das Unheil ereignete sich offenbar auf der weiten Fläche um den Modellflugplatz nordöstlich des Ortsteils Eberhardsweiler. Das Gelände besteht in einem Radius von ungefähr einem Kilometer aus Feldern, die nirgendwo Unterschlupf bieten. An den Wegen und Sträßchen, die das Gebiet durchziehen, stehen vereinzelt Bäume.

Bürgermeister Bernlöhr meldet sich aus dem Urlaub: „... fassungslos und traurig“

Weiterreichende Spekulationen zum Ablauf des Unglücks verbieten sich angesichts des Leids der Angehörigen. Nur so viel: Kurz vor 21 Uhr sahen offenbar Passanten die beiden Jugendlichen noch unversehrt. Die Jungen wurden nicht lange vermisst, sondern offenbar schnell gefunden.

Der Welzheimer Bürgermeister Thomas Bernlöhr hält sich derzeit im Urlaub auf, von dem Unglück hat er dort erfahren. Er schreibt uns: „Wir sind fassungslos und traurig darüber, dass das Unwetter gestern Abend zwei Opfer gefordert hat. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des tödlich verunglückten Jungen, dem schwer verletzten Jugendlichen wünschen wir schnelle und vollständige Genesung. Mein Dank geht an die Rettungskräfte sowie die Welzheimer Feuerwehr für die technische Hilfeleistung.“

Für die Polizei ist es eine aufwühlende Aufgabe, so eine Nachricht den Angehörigen zu überbringen. Seit längerem schon werden örtliche Streifen nicht alleingelassen in emotional und psychologisch derart herausfordernden Situationen, erklärt Rudolf Biehlmaier, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Zum Einsatz kommen ergänzend Kriseninterventionsteams mit geschultem Personal. Das können Priester oder Seelsorger sein, aber auch Ärzte oder Polizisten mit spezieller Zusatz-Expertise. Sie leisten ersten Beistand, bleiben bei Bedarf auch stundenlang und beraten zu weiterführenden Angeboten.

Blitz-Statistik: Kommen solche Gewitter neuerdings häufiger vor?

Wenn ein so schreckliches – in diesem Falle bundesweites Medienecho auslösendes – Ereignis die Aufmerksamkeit bannt, kommen typischerweise grundsätzliche Fragen auf. Zum Beispiel: Müssen wir aufgrund des Klimawandels öfter mit heftigen Blitzentladungen rechnen?

Kurze Antwort: eher nein. Die lange Antwort ergibt sich aus Daten des Blitz-Informationsdienstes BLIDS, den die Firma Siemens betreibt. Ganz verschiedene Kunden – Betreiber von Stromnetzen, Firmen, Feuerwehren, Veranstalter von Groß-Events – nutzen diese Auswertungen, um mögliche Gefahren prognostizieren zu können.

In Baden-Württemberg gibt es mit Abstand die meisten Blitze in den vier Monaten von Anfang Mai bis Ende August. Im Zehn-Jahres-Zeitraum von 2014 bis 2023 haben die Experten pro Jahr in den Monaten Mai, Juni, Juli und August zusammengezählt im Durchschnitt etwa 30.500 Blitze verzeichnet.

Von 2004 bis 2013 mehr Blitze in Baden-Württemberg als von 2014 bis 2023

Eine steigende Tendenz lässt sich den Zahlen nicht ablesen: Zwar ist der Zehn-Jahres-Rekord recht jungen Datums (mehr als 60.000 Blitze im Sommer 2021). 2019 aber (knapp 19.000) und 2022 (knapp 20.000) wurden die wenigsten verbucht.

Für 2024 zeichnet sich ab, dass wir es mit einer unterdurchschnittlichen Saison zu tun haben: gut 17.000 Blitze vom 1. Mai bis zum 15. August in Baden-Württemberg.

Noch deutlicher gegen den Verdacht, dass sich in unserem Bundesland Gewitter mit hohem Blitzaufkommen häufen könnten, spricht der Blick auf den Zeitraum 2004 bis 2013: Pro Jahr wurden – ebenfalls jeweils von Mai bis August – im Schnitt mehr als 50.000 Blitze gezählt.

Blitzunfälle sind insgesamt sehr selten: In Deutschland werden pro Jahr etwa 30 bis 50 Menschen getroffen, die große Mehrheit von ihnen überlebt.

Explosionsartige Erhitzung, Entladungskanal: Naturgewalt Blitz

Was ein Blitz ist, erklärt der Deutsche Wetterdienst in seinem „Wetter- und Klimalexikon“ folgendermaßen: „Ein Blitz ist ein Funkenüberschlag großen Ausmaßes zwischen Wolken mit entgegengesetzter Ladung oder zwischen Wolken und der Erdoberfläche. Der gesamte Blitzvorgang beginnt mit Vorentladungen, die den Entladungskanal aufbauen. Innerhalb einiger Zehntelsekunden beginnt die Hauptentladung, die ihrerseits von weiteren Teilentladungen im Abstand von Hundertstel- bis Tausendstelsekunden gefolgt wird. Durch die explosionsartige Erhitzung der Luft im Blitzkanal (innerhalb von Mikrosekunden auf etwa 30.000 Grad) entsteht der nachfolgende Donner. Neuesten Erkenntnissen zufolge bestehen Blitze, die sich zwischen den Wolken und der Erdoberfläche entladen, zumeist aus zwei einander entgegenkommenden Hauptblitzkanälen, wobei der von der Erdoberfläche ausgehende Kanal zuerst entsteht. Er geht oft von einzelnen Erhebungen aus.“

Was tun bei Blitz-Gewitter auf freiem Feld? Die wichtigsten Ratschläge

Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich, fern meines schützenden Autos oder eines Hauses, auf freiem Feld in ein Blitzgewitter gerate? Hier eine Zusammenfassung, was sich in der einschlägigen Fachliteratur immer wieder findet:

  • Meiden Sie vereinzelt stehende Bäume. Der Blitz sucht sich Erhebungen in der Landschaft. Der alte Merkreim „Buchen soll man suchen, vor Eichen soll man weichen“ ist blanker Unsinn. Auch Waldränder sind heikel. Im Inneren eines Waldes mit etwa gleich hohen Bäumen ist es hingegen vergleichsweise sicher.
  • Legen Sie metallische Gegenstände weg, zum Beispiel Walkingstöcke.
  • Wenn Sie in einer Gruppe unterwegs sind: Halten Sie Abstand voneinander.
  • Die alte Regel, wonach man sich flach hinlegen solle, gilt unter Fachleuten als eindeutig überholt. Bieten Sie stattdessen dem Blitz so wenig Fläche wie möglich: Gehen Sie in die Hocke, stellen Sie Ihre Füße recht nah nebeneinander und umarmen Sie Ihre angewinkelten Beine. Falls Sie in der Nähe eine Senke sehen: Kauern Sie sich dort hinein.

VG WORT Zahlpixel