Meinung

Begeisterung: Ansteckend! Das Cannstatter Volksfest ist besser als sein Ruf

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Blauer Himmel über dem Wasen am Freitag zur Eröffnung. © Ramona Adolf

Lassen Sie sich anstecken! Nein, es geht in diesem Wasen-Artikel nicht um Corona oder den Norovirus. Es geht um einen Zustand, den das Cannstatter Volksfest in vielen Menschen aus Stuttgart und der Region auslösen kann: Pure Begeisterung. Warum es sich lohnt, sich darauf einzulassen - ein Kommentar.

Der Wasen kann ein gefährlicher Ort sein - besonders für Frauen

Selbsverständlich ist am Volksfest vieles schlecht. Man kann nicht schönreden, dass dort unter dem Vorwand der Gemütlichkeit bis zur Besinnungslosigkeit gesoffen wird. Alkohol ist und bleibt eine Droge. Man darf nicht verschweigen, dass ein Fest dieser Größe alljährlich zum Schauplatz stumpfer Gewalt wird. Man muss darüber reden, dass der Wasen für Frauen gefährlich sein kann und deshalb Projekte wie die Wasenboje oder die Safenow-App nötig sind. Und dennoch ist das Volksfest besser als sein Ruf.

S-Bahn, Drindl, teure Preise: Wir regen uns gerne auf

Wir Menschen regen uns gerne auf. Darüber, dass die S-Bahn zum Volksfest haarsträubend teuer ist oder nicht kommt. Dass die Preise für Bier und Göckele nicht gerechtfertigt sind. Dass es schrecklich albern ist, wenn "auf einmal" alle Festbesucher bayerische Trachten aufs schwäbische Fest anziehen. Oder - Gott bewahre! - diese günstiger aber dann eben nicht traditionell-stilecht beim Textil-Discounter erwerben, damit sie sich das teure Festbier und die teure Anreise überhaupt leisten können.

Pure Begeisterung auf dem Festplatz

Ich gebe zu: Das mit den Trachten werde auch ich wohl nie verstehen. Aber das muss ich ja auch nicht. Ich darf einfach meine Jeans anziehen und über das Festgelände flanieren, wo sich am ersten Wasen-Tag die angestaute Vorfreude, die in den letzten Wochen über Stuttgart schwebte, in pure Begeisterung entlädt. Wo Teenager aufgeregt vor den Karussells warten. Wo Rentnerinnen sich freudestrahlend den ersten Kräuterbutter-Maiskolben der Saison schmecken lassen. Wo sich Freunde treffen, Familien Zuckerwatte und Popcorn teilen, Touristen in bekloppten Hüten versuchen "Schupfnudeln" auszusprechen. Wo viele Menschen einfach mal den Alltag Alltag sein lassen und scheinbar alle Sorgen bei der Taschenkontrolle vor dem Festgelände abgeben.

Nach Taylor Swift - oder Thomas Strobl

Vier Millionen Besucher werden in diesem Jahr auf dem Fest erwartet. Wer so tut, als wären das vier Millionen blöde Idioten, die sich einfach nur das Geld aus der Tasche ziehen lassen, sollte dringend an seiner Einstellung arbeiten. Denn um es mit den Worten von Taylor Swift zu sagen: "Die schlimmste Art von Mensch ist jemand, der jemandem das Gefühl gibt, schlecht, dumm oder blöd zu sein, weil er sich für etwas begeistert". Oder um es mit den Worten von Innenminister Thomas Strobl zu sagen: "Auf eine fröhliche und friedliche Wasen-Zeit".

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