Frühlingsfest Stuttgart: Feiern bis der Arzt kommt? Mit dem DRK auf dem Wasen
Das Stuttgarter Frühlingsfest findet noch bis zum 14.05. statt. Ein paar wenige Tage bleiben noch, um zu feiern, bis der Arzt kommt. Wir haben uns gefragt, wie läuft so ein Tag auf dem Wasen für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ab? Gibt es viele Einsätze zu bewältigen? Sind es die Personen, die zu tief ins Glas geschaut haben, um die sich das DRK am meisten kümmern muss? Das und mehr wollte unsere Redakteurin Sofie Smakici herausfinden und hat sich kurzerhand ins Geschehen gewagt.
Die DRK-Wasenwache gleicht einem kleinen Krankenhaus
Es regnet noch leicht, als ich mich gegen 19 Uhr auf den Weg zum Stuttgarter Frühlingsfest mache. Zum Glück habe ich einen Regenschirm eingepackt, denke ich. In der DRK-Wasenwache auf dem Cannstatter Wasen wartet bereits Alexander Jahn auf mich. Er wird mir, so hoffe ich, etwas über den DRK-Wasenalltag erzählen, oder vielleicht auch Wasen-Wahnsinn? Wir werden sehen.
Draußen auf dem terassenähnlichen Platz sitzen und stehen um die acht bis zehn DRK-Mitglieder. Sie quatschen miteinander, entspannen noch, warten auf den nächsten Einsatz. Hier, komplett abgeschottet von dem bunten und teilweise lauten Wasentreiben, hat man nicht unbedingt das Gefühl, dass man jeden Moment zu einem Notfall gerufen werden könnte. Da es bei meinem Eintreffen noch ruhig ist, stelle ich erst einmal meine Fragen. Schließlich möchte ich für den Fall der Fälle, dass nichts passieren sollte, nicht mit leeren Händen nach Hause gehen.

Ich will wissen, wie ein „normaler“ Tag auf dem Wasen abläuft. Wo sich die Hotspots befinden und, ob es an den Wochenenden wirklich stressiger ist. „Wir beginnen unter der Woche um 13 Uhr mit einer Ansprache an die Einsatzkräfte“, fängt Alexander Jahn an zu erzählen. Er ist Einsatzsatzleiter beim DRK Bad Cannstatt. Wir nehmen auf einer Bierbank Platz. Glücklicherweise hat es aufgehört zu regnen, dafür drückt die schwüle, fast schon feuchte Luft aufs Gemüt.
„Jede Besatzung checkt zu Beginn die Behandlungsräume und auch die Fahrzeuge“, spricht er weiter. Wenn das erledigt sei, gehe man zum Tagesgeschäft über: Sachen einkaufen, Lieferungen verräumen und Materialien nachfüllen. Banale Dinge, wenn man so will, die aber bei einem Einsatz für eine gute Versorgungsqualität sorgen. Wenn all diese kleineren Aufgaben erledigt sind, wartet man.
Rund 45 Einsatzkräfte stehen auf dem Frühlingsfest auf Abruf bereit
Hotspots, wie es sie bei der Polizei gibt, soll es laut Jahn nicht geben. An den Wochenenden komme es aufgrund der größeren Menschenmenge durchaus zu mehr Einsätzen. „Diese sind nicht unbedingt gravierender“, so Jahn weiter. Da es immer noch ruhig bleibt, zeigt er uns die DRK-Wasenwache. Im Erdgeschoss befinden sich die Behandlungsräume sowie die Patientenzimmer. Es erinnert stark an ein kleines Krankenhaus. An ein gut ausgestattetes, keinesfalls sporadisch eingerichtetes Krankenhaus.
Jahn führt uns eine Etage weiter nach oben. Viel zu sehen gibt es hier nicht: Ein Gemeinschaftsraum, in dem ein paar das Kartenspiel Skip-Bo spielen. Ein Rückzugsort für die stressigen Zeiten während des Fests, ausgestattet mit einem Sofa und einer Sitzecke mit Tisch. Während wir uns noch umschauen, passiert es auch schon: Über den Funk wird ein Einsatz gemeldet. Ich schaue auf die Uhr, 20.38 Uhr. Von dem lauten Knistern und Stimmengewirr, das aus dem Funkgerät kommt, verstehe ich so gut wie nichts. Das macht aber nichts, da Jahn uns aufklärt, was Sache ist: „Die Polizei hat uns angefordert“, erklärt er die Situation.
Einsatz an der "Hall of Fame"-Graffiti-Meile am Canstatter Wasen
Vor meinem inneren Auge spielt sich sofort eine Schlägerei ab, was auf dem Wasen ja nicht unüblich ist. Doch darum geht es bei dem jetzigen Notruf nicht. „Wir haben abgesehen von den Betrunkenen auch mal schwere Verletzungen, wie beispielsweise einen Herzinfarkt“, meint Jahn. Betrunkene Notfälle seien auf dem Frühlingsfest eher rückläufig. Wer hätte das gedacht?
Wir steigen in ein Einsatzfahrzeug und düsen los. Mit Blaulicht und Sirene fahren wir über das Gelände. So, bin ich noch nie über den Wasen gekommen. Jahn manövriert uns durch schmale Abseitswege, vorbei an den staunenden und tuschelnden Menschen. Das Team, welches für den jetzigen Einsatz verantwortlich ist, direkt hinter uns. Ein leichter Adrenalinkick wandert durch meinen Körper. Was erwartet uns? Ist es ernst? Die Polizei wartet bereits an der „Hall of Fame“ auf uns, der bekannten Graffiti-Meile in der Cannstatter Unterführung. Ein Jugendlicher sitzt vornübergebeugt auf einem Stein. Seine zwei Freunde und die Polizei um ihn herum. Nach einem kurzen Gespräch mit den Bereitschaftskräften ist klar, hier handelt es sich nicht um einen Notfall. Der junge Mann hat Kreislaufprobleme. Ihm ist schlecht, wie ich erfahre.

Kurzerhand wird er in den Rettungswagen gebracht und in die Wasenwache gefahren. Dort wird er weiter versorgt. So schnell wie der erste Einsatz über uns hereingebrochen ist, endet er auch wieder. Ich frage Jahn, ob es heute eher ein ruhiger Tag ist. „Ja, aber meistens geht es so ab 22 Uhr richtig los.“ Uns bleibt somit Zeit, sich die zweite, etwas kleinere DRK-Wasenwache anzuschauen. Sie befindet sich mitten im Geschehen, versteckt hinter einem Gitterzaun mit grüner Verkleidung. Hier fällt alles etwas kleiner aus, die Besatzung und auch die Kapazitäten der Behandlungsräume.
Party im Festzelt zum Wasenwirt endet für Besucherin im Krankenhaus
Während wir reden, kommen zwei Sicherheitskräfte zu uns. „Eine Frau ist im Zelt umgeknickt, jetzt ist ihr Fuß angeschwollen“, sagt einer der beiden in schwarz gekleideten Securitys. 21 Uhr und der nächste Einsatz wartet. Das nächste Team macht sich bereit und schiebt eine Fahrtrage auf das Gelände. Wir laufen unauffällig mit, vorbei an der Geisterbahn, die sich gegenüber vom großen Maiskolbenstand befindet, rein in einen abgesperrten Bereich, der uns von Sicherheitskräften geöffnet wird. Die Fahrtrage wird zum Noteingang des Wasenwirts geschoben.
Da wartet auch schon die verletzte Patientin mit einer Freundin. Aus dem Inneren des Festzelts ertönt lautes Gegröle und Mitgesinge. Einer der Zeltgäste schaut zur Tür raus und singt uns ganz deutlich angetrunken ein Ständchen, bis einer der Sanitäter die Tür wieder zumacht. „Es sieht so aus, wie wenn das Bein der Frau gebrochen ist“, sagt Jahn, als wir uns wieder zurück zur Wasenwache machen. Oh, Mist, denke ich mir. Das Wochenende der Frau ist jetzt definitiv gelaufen. Nachdem sie in einem der Behandlungsräume untersucht wird, steht schon bald fest: Sie muss in ein Krankenhaus. Den Wasenbesuch hat sie sich bestimmt anders vorgestellt.

Gegen 22 Uhr beschließen auch wir, nach Hause zu gehen. Ein weiterer Einsatz kommt nicht, es ist im Großen und Ganzen ein ruhiger Tag auf dem Frühlingsfest. In den Festzelten wird noch ordentlich gefeiert. Aus dem Wasenwirt schallen die lauten Gesänge der Besucher über das Gelände. Es hört sich stark nach "Sweet Caroline" von Neil Diamond an. In der Luft hängt eine Mischung aus Bier- und Zuckerwatteduft. Ein paar torkelnde Besucher, Hand in Hand, schwanken mir entgegen. Für sie hat der Abend wohl glücklich geendet. Während ich bereits gegen 0 Uhr im Bett liege, arbeiten die ehrenamtlichen Rettungskräfte des DRK immer noch. Für sie ist erst gegen 1 oder 2 Uhr Schluss, wenn das Wasen-Gelände wie leer gefegt ist und nur noch die Fahrgeschäfte und Festzelte an einen Tag voller Blaulicht und Ruhepausen erinnern.