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Gefahrenabwehr: Polizei durchsucht bei AfD-Fraktionsvize Udo Stein in Bühlertann

Vorstandssitzung der baden-württembergischen AfD-Fraktion
Udo Stein (40) ist einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Landtag. © picture alliance/dpa | Marijan Murat

Bei dem AfD-Landtagsabgeordneten Udo Stein (Wahlkreis Schwäbisch Hall) hat nach unseren Informationen am 7. Juni eine Hausdurchsuchung stattgefunden – zur Gefahrenabwehr. Die Südwest-Presse, die offenbar parallel zu unserer Redaktion zu dem Fall recherchiert hat, berichtete zuerst darüber. Stein befindet sich momentan in einer Klinik. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüft offenbar auch, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den 40-jährigen Politiker eingeleitet wird. Was wir bisher wissen.

Polizei: Gegenstände bei Hausdurchsuchung beschlagnahmt

Am Sonntag (11.06.) erreichten uns erste Hinweise, dass an Udo Steins Privatadresse ein Polizei-Einsatz stattgefunden haben soll. Im Laufe der Woche erhärteten sich die Hinweise, weshalb wir bei der Polizei nachfragten. „In Zusammenhang mit dem von Ihnen angedeuteten Sachverhalt wurde seitens des Polizeipräsidiums Aalen am besagten Mittwoch auf gefahrenabwehrrechtlicher Grundlage eine Hausdurchsuchung durchgeführt und Gegenstände beschlagnahmt“, sagte ein Sprecher dazu am Dienstag (13.06.).

Die Person, gegen die sich die Durchsuchung richtete, sei nicht zugegen gewesen, so der Sprecher weiter. Aber eine andere, die während des Einsatzes gesundheitliche Probleme bekam. In der Antwort der Polizei hieß es außerdem, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart prüfe, „ob gegen ein Mitglied des Landtags ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird.“ Damit ist derzeit offen, ob ein Verdacht eines strafrechtlich relevanten Verhaltens besteht. Vielmehr wird geprüft, ob ein sogenannter Anfangsverdacht gegeben ist. Dann wäre die Staatsanwaltschaft gesetzlich zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der Name Udo Stein fiel in der Antwort der Polizei nicht. Was beschlagnahmt wurde, bleibt unklar. Auch die Staatsanwaltschaft äußerte sich dazu auf Nachfrage nicht. Aber: Die Aussagen der Polizei decken sich teilweise bis in kleinste Details mit den mittlerweile zahlreichen Hinweisen, die wir zuvor und danach aus mehreren Quellen bekommen hatten. Ob die behördlichen Vorgänge einen Bezug zu Steins politischer Arbeit haben, ist nicht bekannt.

Udo Stein: Seit 2016 für die AfD im Landtag von Baden-Württemberg

Udo Stein ist einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag. Der 40-Jährige sitzt seit 2016 für die AfD im Parlament. Der baden-württembergische Landesverband der Partei wird seit 2022 vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. Es gebe „hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen, hieß es damals zur Begründung.

 Stein ist außerdem Sprecher des AfD-Kreisverbands Hohenlohe/Schwäbisch Hall und Unterzeichner der „Erfurter Resolution“. Die „Erfurter Resolution“ gilt als Gründungsdokument des rechtsextremen „Flügels“ um Björn Höcke, der sich 2020 formal aufgelöst hat. Mit dem Backnanger Stadtrat Steffen Degler beschäftigt Stein außerdem ein Vorstandsmitglied der Partei-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) Baden-Württemberg in seinem Landtagsbüro. Das ergaben Recherchen unserer Redaktion, zu denen sich weder Degler noch Stein inhaltlich äußern wollten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stufte die JA Ende April als gesichert rechtsextremistisch ein.

Steffen Degler: Stein „noch eine Weile“ in der Klinik

Am Dienstagabend (13.06.) sprachen wir kurz mit Udo Stein und schickten anschließend eine Anfrage an den AfD-Politiker. Am Mittwochvormittag (14.06.) rief daraufhin Steffen Degler an. „Zu den Inhalten der Anfrage kann ich nichts sagen“, so Degler am Telefon. Stein befinde sich momentan in einer Klinik und werde sich dort „auch noch eine Weile aufhalten“.

Als Landtagsabgeordneter genießt Udo Stein Immunität. Das schützt ihn vor strafrechtlicher und sonstiger staatlicher Verfolgung. Wie kann es dann sein, dass trotzdem bei ihm durchsucht wurde?

Polizei-Sprecher: Es habe eine „begründete Gefahr“ bestanden

Eine Durchsuchung aus „gefahrenabwehrrechtlichen Gründen“ ist eine polizeirechtliche Maßnahme, keine strafrechtliche. Das bestätigt uns Holger Bienert, Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen, auf Nachfrage. Es habe eine „begründete Gefahr“ bestanden, zu deren Abwehr man „entsprechende Gegenstände“ beschlagnahmt habe. Ein Richter des Amtsgerichts Schwäbisch Hall habe das angeordnet so Bienert.

Von welcher Gefahr hier ausgegangen wurde, sagt der Polizeisprecher nicht. Rechtlich gesehen gibt es für derartige Maßnahmen mehrere Szenarien, die neben Eigen- oder Fremdgefährdung, also der Gefahr für Leib und Leben, auch Gefahren für bedeutende Sachwerte umfassen.

Immunität des AfD-Politikers aufgehoben? Der Landtag gibt keine Auskunft

Ohne Genehmigung des Landtags kann die Staatsanwaltschaft lediglich – wie offenbar aktuell – Vorermittlungen durchführen. Sollte die Prüfung der Staatsanwaltschaft ergeben, dass ein richtiges Ermittlungsverfahren eingeleitet werden soll, müsste dafür die Immunität Udo Steins aufgehoben werden. Darüber entscheidet der Ständige Ausschuss im Landtag. Laut Südwest-Presse, die sich dabei auf den FDP-Abgeordneten Stephen Brauer bezieht, ist Steins Immunität noch intakt.

Wir haben beim Vorsitzenden dieses Ausschusses, Guido Wolf (CDU), nachgefragt, ob kürzlich die Immunität eines Landtagsabgeordneten aufgehoben wurde. Oder ob dem Ausschuss ein entsprechender Antrag vorliegt. Die Antwort auf unsere Anfrage an Wolf kam von Landtags-Pressesprecher Will Reiners. „Ich muss Ihnen (…) mitteilen, dass sich der Landtag nicht zu Immunitätsangelegenheiten äußert.“

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