Stuttgart & Region

Klimastreik in Stuttgart: Ampel-Frust bei der Demo von Fridays for Future

Klimastreik
Am Freitag (03.03.) demonstrierten etwa 2000 Menschen beim Klimastreik in Stuttgart. Omnipräsent dabei: Lützerath. © Alexandra Palmizi

Die Klima-Aktivisten von „Fridays for Future“ (FFF) haben für den 3. März zum globalen Klimastreik aufgerufen. In Stuttgart sind etwa 2000 Menschen ihrem Ruf gefolgt. Wir haben uns die Demo vor Ort angesehen. Dabei sind zwei Dinge deutlich geworden: Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen. Und der Ton gegenüber der Politik ist schärfer geworden.

Ampel-Frust: „Klimakanzler? Ich sehe keinen“

Um die 1000 Menschen zogen am Freitag (03.03.) gegen 14.15 Uhr vom Schlossplatz einmal quer durch die Innenstadt. Der Demo-Zug wuchs zwar im Lauf der Zeit auf das doppelte an, doch Zahlen wie vor der Corona-Pandemie blieben in weiter Ferne. Zum Vergleich: 2019 demonstrieren etwa 20.000 Menschen beim Klimastreik in Stuttgart – also zehnmal so viele.

Menschen fast aller Altersklassen nahmen am Aufzug durch Stuttgart teil. Auf Plakaten machten manche von ihnen ihrem Frust gegenüber der Politik Luft. Eines zeigte ein Foto von Olaf Scholz, dazu der Schriftzug: „Klimakanzler? Ich sehe keinen“. Auf einem anderen wurden FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sowie sein FDP-Kollege, Verkehrsminister Volker Wissing, als „Klimaverbrecher“ betitelt.

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"Stop burning my future": Demonstrierende forderten in Stuttgart die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels. © Alexandra Palmizi

„Sturz von diesem Scheiss-System“? Wie FFF die Parole erklärt

Auch die Sprechchöre, die durch Stuttgart schallten, kündeten von Enttäuschung. Die Demonstrierenden dichteten die alte „Wer hat uns verraten“-Parole zu folgendem Text um: „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten. Wer war dabei? Die grüne Partei. Wer verrät uns eh? Die FDP.“ Die Ampel-Koalition bekam auch sonst regelmäßig ihr Fett weg.

Dass aus dem Demo-Zug in Bezug auf die Kohle-Industrie der „Sturz von diesem Scheiss-System“ gefordert wurde, schien den Veranstaltern dann offenbar erklärungsbedürftig. Die junge, in eine FFF-Fahne gehüllte Frau, die das kurz zuvor per Lautsprecherdurchsage skandiert hatte, fügte hinzu: „Wir meinen damit den Kapitalismus“. Und: „Es kann kein unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten geben.“

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Vom Lastenrad wurden per Mikrofon die Protestchöre angestimmt. © Tim Schips

Protestzug durch Stuttgart: Polizei und Demo-Sanitäter im Einsatz

Die Polizei begleitete den Protest in der Innenstadt mit starken Kräften. Anti-Konflikt-Teams waren ebenso im Einsatz wie Beamte der Reiterstaffel, ein Videowagen und ein Lautsprecher-Fahrzeug. Auch Demo-Sanitäter begleiteten den Klimastreik, mussten nach unseren Informationen aber nicht eingreifen. Als der Zug am Hauptbahnhof vorbeizog, musste zwar eine Rettungsgasse gebildet werden, um einen Rettungswagen durchzulassen. Der Einsatz hatte aber nichts mit der Demo zu tun.

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Ein symbolisches Bild: Klimademo auf der einen, Auto-Verkehr auf der anderen Seite. © Alexandra Palmizi

Kurz nach 16 Uhr traf der Protestzug im Oberen Schlossgarten ein, wo die Abschlusskundgebung vor dem Schauspielhaus stattfand. Vor und zwischen den Reden spielte die Punkband „Sündflut“. Die optische Rahmung der Kundgebung, durch die Stuttgart-21-Baustelle und den Landtag im Hintergrund, schien dabei – vermutlich ungewollt – passend. Auch hier hagelte es Kritik an der Ampel-Regierung. An einem Stand konnten die Demonstrierenden mit Klebepunkten ihre Gefühle gegenüber der Verkehrspolitik unter Volker Wissing zum Ausdruck bringen. Die Wut überwog.

Von den Grünen enttäuscht: „Bauchschmerzen“-Politik

Enttäuscht zeigte man sich aber vor allem auch von den Grünen. Wenn diese Entscheidungen „mit Bauchschmerzen“ treffen würden, blieben sie trotzdem falsch, sagte der erste Redner, Oskar von FFF Stuttgart. „Für die Grünen sind es Bauchschmerzen, für die Menschen im globalen Süden geht es um die Existenz“. Bei nachhaltigen Energie komme man nicht voran, mancherorts würden Windräder sogar wieder abgebaut.

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Mit Kritik am "Sischteem" wurde nicht gespart. © Alexandra Palmizi

Der russische Angriff auf die Ukraine habe uns „auf einmal bewusst gemacht, wie abhängig von einem Autokraten wir sind.“ Scholz verkündete die „Zeitenwende“, in der FDP sprach man von „Freiheitsenergien“. Aber dann habe man sich von anderen „homophoben Autokraten“ abhängig gemacht, so Oskar – damit dürfte Katar gemeint gewesen sein. Und die FDP äußere „Schwachsinnsparolen von Fracking und Atomkraft“.

Kundgebung: Solidarität mit dem Iran und den SSB-Streiks

Der zweite Redner machte auf die Situation im Iran aufmerksam, wo vor allem Frauen gefoltert und ermordet werden. Die Regierung lässt auf die Augen von Demonstrierenden schießen, aktuell wird über eine Vergiftungswelle an Mädchenschulen berichtet. Der Redner forderte: Deutschland solle die Revolutionsgarde auf die Terrorliste setzen und alle wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum iranischen Staat kappen. „Mit einem solchen Regime kann man nicht verhandeln.

Während des Protestzugs, aber auch auf der Bühne wurde sich außerdem mit den Streikenden im Öffentlichen Personennahverkehr solidarisiert. Diese seien „das Fundament unserer Gesellschaft“, müssten aber „jeden Cent im Geldbeutel umdrehen.“ Man unterstütze die Forderung nach fairen Löhnen und Arbeitsbedingungen. „Die Beschäftigten der SSB streiken für uns alle.“

Demo blieb friedlich: Polizei ist „zufrieden, sozusagen“

Besondere Vorkommnisse gab es im gesamten Verlauf des Klimastreiks keine, wie uns ein Sprecher der Polizei vor Ort mitteilte. Dass Straßen kurzzeitig für den Demozug gesperrt werden müssen, war schon vorher absehbar und eingeplant gewesen. Kurz vor Ende der Kundgebung sagte er, dass es insgesamt ruhig geblieben sei. „Wir sind zufrieden, sozusagen“.

Ansonsten überwog an diesem Tag aber die Unzufriedenheit. Mit der Klimapolitik. Der Regierung. Und den Zuständen auf unserem Planeten.

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