Nächste Demo gegen rechts in Stuttgart: Rund 5000 Menschen auf dem Marktplatz
Nach der großen Kundgebung am Samstagnachmittag (20.01.) auf dem Schlossplatz in Stuttgart sind auch am Sonntag (21.01.) hunderte Menschen in der Landeshauptstadt auf die Straße gegangen, um unter dem Motto „Stuttgart hält zusammen – Demokratie, Vielfalt, Freiheit verteidigen“ gegen die rechtsextreme AfD zu demonstrieren.
Isabel Fezer: "Die Mehrheit schweigt nicht länger"
Rund um den Marktplatz hatten sich ab 15 Uhr nach unseren Schätzungen etwa 5.000 Menschen versammelt. Eine präzise Angabe war aber kaum möglich: auch in den Seitenstraßen hatten sich etliche Demo-Teilnehmer versammelt. „Ich habe Angst gehabt, heute kommt niemand, weil gestern schon so viele da waren. Und es ist unglaublich – der ganze Marktplatz ist voller Menschen“, so Bürgermeisterin Isabel Fezer in der ersten Rede der Kundgebung. "Die Mehrheit schweigt nicht länger. Die schweigende Mehrheit gibt es nicht mehr."
Angemeldet hatte die Demo die Jüdische Studierendenunion Württemberg (JSUW). Unterstützt wird der Protest von einem breiten Bündnis aus demokratischen Parteien, Vereinen und anderen Organisationen. Die Landtagsfraktionen der demokratischen Parteien beteiligten sich an der Demo. So sprach beispielsweise Petra Olschowski (Grüne), Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. In ihrer Rede fand sich durchaus selbstkritische Worte, machte aber auch deutlich: Ausgrenzung und Rassismus seien keine politische Alternative. Unter den Rednerinnen und Rednern fand sich mit Christian Gehring (CDU, Wahlkreis Schorndorf) auch ein Landtagsabgeordneter aus dem Rems-Murr-Kreis.
Blume zu AfD-Verbot: "Worauf warten wir denn noch?
Die Hauptrede hielt an diesem Sonntag der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus, Dr. Michael Blume. "Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich sehe, was hier los ist", sagte er hinsichtlich der Menschenmenge, die sich auf dem Marktplatz versammelt hatte. "Wie bunt unsere Stadt ist. Wie stark unsere Stadt ist."
 
 Michael Blume sprach sich in seiner Rede für die Prüfung eines AfD-Verbots aus. "Wenn Hendrik Wüst [Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Anm. d. Red.] die AfD in seinem Bundesland als Nazi-Partei bezeichnet, worauf warten wir denn noch?", so Blume. "In unserem Grundgesetz steht, dass Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden sollen." Dass man tatenlos zusehen soll, wie die Demokratie begraben wird, stehe dort nicht.
AfD entzaubern? Michael Blume findet deutliche Worte
Blume sagte Letzteres auch hinsichtlich der Landtagswahlen, die 2024 in mehreren ostdeutschen Bundesländern stattfinden werden. In Thüringen liegt die rechtsextreme AfD beispielsweise in Umfragen zurzeit vor allen demokratischen Parteien. Darauf zu hoffen, dass man die AfD entzaubern könne, wenn sie erst einmal an einer Regierung beteiligt wäre, sei Unsinn, so Blume. "Ich kenne keinen einzigen Fall in der Gegenwart, wo das jemals funktioniert hat."
Anlass "Correctiv"-Recherche: Warum auch in Stuttgart demonstriert wird
Anlass der Demonstration ist laut Demo-Aufruf eine Recherche von "Correctiv". Das Recherche-Netzwerk hatte über ein Geheimtreffen zwischen AfD-Politikern, Neonazis, Unternehmern und Mitgliedern der CDU-nahen "Werteunion" berichtet, bei der die millionenfache Vertreibung von Menschen nach rassistischen Kriterien diskutiert worden sein soll.
Seit Veröffentlichung der "Correctiv"-Recherche gab es bereits Proteste in vielen deutschen Städten, an denen sich teilweise mehrere zehntausend Menschen beteiligten. In Hamburg wurde am Freitag (19.01.) eine Demo abgebrochen, weil zu viele Menschen gekommen waren – die in Medienberichten kommunizierten Zahlen schwanken zwischen 50.000 und 100.000 Menschen. Auf den Schlossplatz waren am Samstagnachmittag um die 20.000 Menschen gekommen.
Zahlreiche Demos in ganz Deutschland
Bundesweit waren am Samstag zahlreiche Menschen gegen rechts auf die Straßen gegangen. Allein im Südwesten waren es nach Angaben von Polizei und Veranstaltern gut 80.000 Menschen. Proteste gab es unter anderem in Karlsruhe, Heidelberg und Ulm. Überall kamen deutlich mehr Menschen als zuvor erwartet.
Unterstützung kam dabei vielerorts im Land von großen gesellschaftlichen Bündnissen: An ihnen beteiligten sich neben SPD, Grünen und Linken sowie Kirchen und Gewerkschaften unter anderem Kultureinrichtungen und Fußballvereine. Zuspruch kam auch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Dutzenden Stadtoberhäuptern.

 
 


