Rechtsrock-Razzia in Bopfingen: Biker-Club-Präsident sagt, er "wurde getäuscht"
Am Samstag (20.07.) hat die Polizei in Bopfingen im Ostalbkreis ein Rechtsrock-Konzert verhindert und fünf Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wie unsere Redaktion berichtet hatte, sollten laut Polizei auf einem Industriegelände die bekannte Szene-Band „Kategorie C“ und die Rechtsrock-Gruppe „Heureka“ auftreten. Wie wir nun erfuhren, sollte das Konzert im Clubhaus eines Biker-Clubs stattfinden. Dessen Präsident sagt, er sei "getäuscht" worden. Wie das?
Präsident der Biker aus Bopfingen: "Ich habe seit Samstag vier Kilo abgenommen"
Am Mittwoch (24.07.) erreichten unsere Redaktion Hinweise, dass auf dem Industriegelände in Bopfingen auch der Treffpunkt der lokalen Rockergruppe „MC Underground Chapter Nomad“ liegt. Dort sollten offenbar die beiden Bands, die vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) als rechtsextrem eingestuft wurden, am Samstag auftreten. Der Motorradclub sei selbst kein Beobachtungsobjekt und bisher nicht in Verbindung mit rechtsextremen Umtrieben in Erscheinung getreten, so ein Sprecher des LfV auf Nachfrage.
„Ich habe gedacht, ich bin bei der versteckten Kamera“, sagt der Präsident des Clubs gegenüber unserer Redaktion. Am Samstagabend hätten Beamte das Clubhaus in Bopfingen gestürmt, in voller Montur – und er habe sich überhaupt nicht erklären können, warum. Mittlerweile wird deutschlandweit über die Vorfälle berichtet. „Ich glaube, ich habe seit Samstag vier Kilo abgenommen.“ Nun hat er uns seine Version der Geschichte erzählt.
Hannes Ostendorf? "Kategorie C"? Nie gehört? "Ich höre nur Country-Musik"
Was dem Präsidenten zufolge vorgefallen ist: Ein Bekannter habe ihm erzählt, dass ein anderer Bekannter eine Location für eine Geburtstagsparty suche. Beide seien keine Mitglieder im Biker-Club. Der Präsident habe eingewilligt. 60, 70 Leute waren angekündigt. Laut Polizei waren am Ende 50 Personen aus mehreren Bundesländern vor Ort. „Ich habe vorher noch gefragt: Braucht ihr Musik? Eine Anlage?“, sagt er. Doch der Bekannte habe abgewunken. Es kämen nur einer, der singt, und einer, der Gitarre spielt, etwas Strom sei ausreichend.
Der eine, der singt, so stellte sich später heraus, war Hannes Ostendorf, Frontmann der bekannten rechtsextremen Band „Kategorie C“. Der eine, der Gitarre spielen sollte, war sein Band-Kollege Nico Roth, der laut Polizei selbst mit seinem eigenen Rechtsrock-Projekt „Heureka“ habe auftreten wollen. Beide Personen und Bands, so versichert es der Biker-Präsident, hätten ihm vor dem Polizei-Einsatz überhaupt nichts gesagt. „Ich höre Country-Musik.“
Polizei-Einsatz im Clubhaus: "Ich möchte so etwas nie wieder erleben"
Die Leute, die am Samstagabend gekommen waren, hätten „ganz normal ausgesehen“, sagt er. „Die hatten teilweise Tätowierungen, aber die habe ich auch. Da war keiner mit Bomberjacke und Glatze.“ Gekannt habe er nur eine einzige Person, die aus dem Ostalbkreis stammte. Erst als Sänger Ostendorf auf einem Tisch etwas Merchandise auslegte, sei ihm das inhaltlich „etwas zu rechts“ gewesen. „Aber etwas Verbotenes war nicht dabei, der durfte das alles wieder mitnehmen.“ Bevor Ostendorf überhaupt loslegen konnte, sei das Clubhaus gestürmt worden. „Ich möchte so etwas nie wieder erleben“, sagt der Biker-Präsident.
"Totenkopf"-Prozess in Österreich: Vorwürfe gegen "MC Underground"
Der „MC Underground“ ist eine ursprünglich österreichische Rockergruppe, die in der Vergangenheit in einem Fall mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht wurde. 2014 fand in deren Clubhaus in Kematen (Tirol) eine Razzia statt, weil das Totenkopf-Logo des Clubs nach Ansicht der zuständigen Behörden „bis zum charakteristischen Riss in der Schädeldecke“ dem Logo der Totenkopf-Division der Nazi-Organisation SS glich. So berichtete es damals die Tiroler Tageszeitung. Der Vorwurf lautete deshalb: Wiederbetätigung einer NS-Organisation.
Auch wenn dieser Vorwurf letztlich vor Gericht fallen gelassen wurde, fanden sich bei der Durchsuchung Gegenstände mit Bezug zum Nationalsozialismus: Eine Hitler-Büste, Schnapsflaschen mit Hitler-Emblem, Hitlers Buch „Mein Kampf“ und weiteres. Während der Vereinspräsident vor Gericht beteuerte, mit „Nazi-Kram“ nichts am Hut zu haben, und der Verteidiger von humoristischen Verunglimpfungen des NS-Regimes im Clubhaus berichtete, widersprach der ehemalige Präsident: Rechtsextremisten seien in „den Verein eingesickert“. Am Ende wurden zwei Club-Mitglieder wegen Zeigen des Hitler-Grußes und NS-Devotionalien verurteilt.
Geburtstagsparty als Masche? Weiterer Vorfall in Bayern
Das „Chapter Nomad“ (Chapter = quasi „Ortsgruppe“) ist so was wie der Bopfinger Ableger des österreichischen Rocker-Clubs. Dem Präsidenten ist dieser Prozess aus Österreich bekannt. „Ich möchte das auch gar nicht beschönigen, aber es ist schlimm, wenn man immer über einen Kamm geschert wird.“ Von den Leuten, die damals schon Mitglieder des Clubs waren, sei heute kaum jemand dabei. Er selbst und auch sein Club würden Rechtsextremismus entschieden ablehnen, man sei unpolitisch. „Ich schwöre, bei allem, was mir heilig ist, ich bin kein Rechtsradikaler und ich will mit dem auch nichts zu tun haben.“ Dass in seinem Clubhaus jemand Geburtstag feiern wollte, daran hat er mittlerweile erhebliche Zweifel. „Ich glaube, ich wurde getäuscht.“ Das sei ein Vorwand, eine Masche, habe die Polizei ihm gesagt.
Im Mai trat die rechtsextreme Band „Kategorie C“ in Neukirchen beim Heiligen Blut (Landkreis Cham, Bayern) auf. Die Veranstaltung fand im Clubheim des „Trust MC“ statt, einem bayernweit bekannten Biker-Club. Es handelte sich laut dem bayrischen Innenministerium um die private Feier eines Nicht-Mitglieds, das die Räumlichkeiten angemietet hatte. Ein amtsbekannter Neonazi, wie die Mittelbayrische berichtete. „Nach Erkenntnissen des Polizeipräsidium Oberpfalz sei zwischen dem Veranstalter und dem Präsidenten des ‚Trust MC‘ im Vorfeld ausdrücklich vereinbart gewesen, dass keine rechte Szenemusik gespielt werde“, so das Innenministerium. Daraus wurde bekanntermaßen nichts.
Club-Präsident entschuldigt sich: "In Zukunft werde ich so was anders angehen"
Der Präsident der Bopfinger Biker bemüht sich seit Samstag offenbar um Schadensbegrenzung. „Ich bekomme andauernd Anrufe von Leuten, die fragen, was ich mit diesem 'Gesocks' zu tun habe. Nichts, sage ich dann.“ Das deckt sich mit dem, was man aus Polizei und Verfassungsschutz hört: Verbindungen zwischen dem Club und der rechtsextremen Szene seien nicht bekannt.
Der Motorradclub sei in der Nachbarschaft sehr beliebt, so der Präsident. „Wir haben uns noch nie was zuschulden kommen lassen. Wir unterstützen die Feuerwehr, und die kommen manchmal auch vorbei, um zu helfen.“ Nach den Vorkommnissen vom Samstag habe er sich beim Vermieter des Clubhauses entschuldigt, ebenso beim Bürgermeister. Die Angst, das wird deutlich: Der Club könnte nun in die rechte Ecke gestellt werden.
„Wenn ein dem Verfassungsschutz bekannter Neonazi in einen Laden reingeht, und dort etwas kauft, und dann stürmen Polizisten den Laden und nehmen ihn fest – dann ist doch nicht der Ladenbesitzer verantwortlich“, so der Biker-Präsident. Die fünf Ermittlungsverfahren der Polizei würden sich ausschließlich gegen angereiste Personen richten, die nach seinen Informationen ein Messer im Auto oder einen Ring mit verfassungsfeindlichem Symbol am Finger trugen. Trotzdem habe er aus der angeblichen Geburtstagsfeier und ihren Folgen seine Lehren gezogen. „In Zukunft werde ich so was anders angehen.“