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Stuttgart: Ehemaliger MdL Heinrich Fiechtner verwendet verbotene SA-Parole

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Heinrich Fiechtner bei einer Querdenker-Demo in Schorndorf.

© Gaby Schneider (Archiv)

Der Arzt und ehemalige Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner will nach eigenen Aussagen am Montag (11.09.) auf der Feuerbacher Kirbe in Stuttgart die verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland!“ verwendet haben – im Beisein des EVP-Vorsitzenden Manfred Weber. Das geht aus einem Telegram-Beitrag Fiechtners hervor, der auf Nachfrage angibt, den nationalsozialistischen Hintergrund der Worte nicht gekannt zu haben. Weber weist „eine Vereinnahmung durch Radikale in aller Schärfe zurück“. Beide Parteien beschreiben die Situation unterschiedlich.

Wieso spricht Manfred Weber mit Heinrich Fiechtner?

In dem Beitrag, der noch am Montag auf Telegram veröffentlicht wurde, wird der SA-Wahlspruch noch einmal wiederholt. Außerdem enthält der Beitrag ein Foto, das Weber und Fiechtner im Gespräch zeigt. Fiechtner schildert in seinem Beitrag, wie Weber auf seine Worte angeblich reagiert haben soll: „Er meinte, so solle es sein.“ Und weiter: „Genau, meinte ich, das sagt mein Freund Björn Höcke.“

Manfred Weber (CSU) ist der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), dem Zusammenschluss der konservativen Parteien im EU-Parlament. Da die EVP-Fraktion die größte aller Fraktionen ist, gilt er als einflussreicher Politiker. Das weiß auch Heinrich Fiechtner, der Weber „fast dort“ verordnet, wo EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute sei. In Stuttgart besuchte er am Montag die CDU Feuerbach, um bei deren Honoratioren-Stammtisch eine Rede zu halten. Wie aber kam es zum Gespräch mit Fiechtner?

Waren ablehnende Worte zur AfD der Grund des Gesprächs?

Das Büro Manfred Webers schildert die Situation auf Nachfrage deutlich weniger harmonisch als der Stuttgarter Arzt. „Herr Weber hat sich in seiner Rede deutlichst von der AfD distanziert “, sagte ein Sprecher des EVP-Vorsitzenden. „Schon während der Rede hat ein ihm nicht näher bekannter Mann gestikuliert und Teile der Rede mitgefilmt.“ Dieser Mann habe Manfred Weber nach dessen Rede „auf seine deutlich ablehnenden Aussagen zur AfD“ angesprochen. Es habe daraufhin „einen kurzen Austausch“ gegeben, so der Sprecher. „Herr Weber weist eine Vereinnahmung durch Radikale in aller Schärfe zurück.“

Die verbotene SA-Losung: Höcke, Passau – und jetzt Fiechtner

Dass Fiechtner auf Höcke verweist, dürfte kein Zufall sein: Im Juni wurde gegen den Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke Anklage erhoben, weil er die SA-Losung vor zwei Jahren bei einer Versammlung in Sachsen-Anhalt verwendet haben soll. In Passau hat die Polizei erst am Wochenende Plakate der AfD sichergestellt, die denselben Wortlaut enthielten. Der bayrische AfD-Landesverband gab übereinstimmenden Berichten zufolge an, diese Plakate nicht genehmigt zu haben. Dem Bayrischen Rundfunk gegenüber hieß es, sie stammen wohl von einem Bezirkstagskandidaten. Die Kriminalpolizei ermittelt.

Das Wiederholen des SA-Wahlspruchs bei Versammlungen oder in der Öffentlichkeit steht in Deutschland unter Strafe. Laut Paragraf 86a Strafgesetzbuch (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen) können dafür Geldstrafen, aber auch Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren drohen.

Heinrich Fiechtner: Querdenker, AfD und der „Morgenthau-Plan“

Heinrich Fiechtner ist Arzt in Stuttgart und saß von 2016 bis 2021 im Landtag von Baden-Württemberg. Ende 2017 war er aus der AfD ausgetreten, nach dem die AfD-Fraktion im Landtag die Zusammenarbeit mit dem Abgeordneten Wolfgang Gedeon fortgesetzt hatte – trotz dessen antisemitischer Aussagen. Fiechtner steht der der extrem rechten Partei aber weiterhin nahe.

In den letzten drei Jahren trat Heinrich Fiechtner vor allem bei Querdenker-Demos in Erscheinung, wo er mit radikalen Aussagen auffiel. Zuletzt beispielsweise auf einer Anti-Habeck-Demo in Backnang, wo er auf die antisemitische Verschwörungserzählung vom angeblichen „Morgenthau-Plan“ anspielte, die schon in der NS-Propaganda Verwendung fand. Auf Telegram teilt er regelmäßig Verschwörungserzählungen und Inhalte rechtsextremer Kanäle, darunter das „Compact“-Magazin und Beiträge von Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung.

Urteil gegen Fiechtner in Stuttgart: Noch nicht rechtskräftig

Im März wurde Heinrich Fiechtner wegen mehrerer Delikte am Amtsgericht Stuttgart zu einer Geldstrafe in Höhe von insgesamt 72.500 Euro verurteilt. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig, so der Arzt auf Nachfrage. Zu den Straftaten, die man Fiechtner zur Last legte, zählte auch die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

„Der Satz gefällt mir“: Wusste Fiechtner von dem NS-Bezug?

Warum er nun die verbotene Losung einer NS-Organisation wiederholt? „Der Satz gefällt mir“, sagt Fiechtner auf Nachfrage. „Ob er einen Zusammenhang mit dem NS hat, ist mir nicht bekannt. In jener Zeit wurden viele Dinge und Sätze gebraucht, die sozusagen Alltag sind.“ Mit dem Nationalsozialismus habe er als „Unterstützer der Juden“ und „Sohn eines Vater, der in der Dunklen Zeit selbst verfolgt und an die Front geschickt wurde“, nichts zu tun.

Wenig Minuten, bevor Heinrich Fiechtner unsere Fragen per Mail beantwortet hatte, wiederholter er den SA-Wahlspruch auf Telegram erneut: „Ich lerne gerade […], der Satz ‚Alles für Deutschland‘ sei in Deutschland verboten und unter Strafe gestellt, weil eine Organisation im NS ihn verwendet habe. Ist das noch zufassen?“ Ein Blick in Fiechtners Telegram-Kanal zeigt: Er selbst hatte bereits im April und im Juni Beiträge über die Ermittlungen gegen Björn Höcke geteilt, aus denen klar hervorgeht, dass es sich um eine Parole aus der Zeit des Nationalsozialismus handelt.

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