Brisante VfB-MV: Was passiert, sollte Präsident Claus Vogt abgewählt werden?
Auf den VfB Stuttgart wartet mal wieder eine hochbrisante Mitgliederversammlung. So finden sich auf der Tagesordnung für die Veranstaltung in der Porsche-Arena unter anderem Abwahlanträge gegen den Präsidenten Claus Vogt und seinen Vize Rainer Adrion. Was aber passiert eigentlich, sollten die beiden am Sonntag (28.07.) ihre Stühle räumen müssen? Derweil steht eine mögliche Interimslösung wohl schon bereit: Ehrenpräsident Erwin Staudt.
Zunächst einmal ganz simpel: Wird Vogt auf der MV abgewählt, muss er sein Amt sofort niederlegen. Dafür nötig ist eine Mehrheit von 75 Prozent der Stimmen. Für Adrion gilt das gleiche. Er hat zudem im Vorfeld eine Vertrauensfrage angekündigt. Seine klare Ansage: Bekomme ich weniger als 50 Prozent Zustimmung, trete ich zurück. Ein solches Vorgehen ist in der Satzung eigentlich nicht vorgesehen.
Das sagt ein Experte für Vereinsrecht zu VfB-Situation
So viel zur Ausgangslage. „Wenn Vogt abgewählt würde, könnte eine außerordentliche Mitgliederversammlung zur Nachwahl, so wie ich die aktuelle Satzung verstehe, erst mehr als drei Monate später stattfinden“, sagte der Vereinsrechtsexperte Alexander Scheuch unlängst gegenüber dem SWR. Der Jura-Professor und Experte für Verbands- und Sportrecht an der Universität Bonn erklärte weiter: „Mitglieder können dem Vereinsbeirat – bzw. dem neu zu gründenden Wahlausschuss, wenn ein solcher durch die vorgeschlagene Satzungsänderung ins Leben gerufen wird – bis spätestens drei Monate vor der Mitgliederversammlung Vorschläge für geeignete Kandidaten machen. Die Bewerbungen und die Kandidaten müssen unterschiedliche Kriterien erfüllen, die es zu überprüfen und einzuhalten gilt. Bis es eine Präsidentenwahl gäbe, würde es also dauern.“ Realistisch wäre vermutlich ein Termin Ende des Jahres.
Vereinsbeiratschef Rainer Weninger sagte dazu im Vorfeld der MV auf Nachfrage der Stuttgarter Zeitung: „Wir haben vereinbart, dass jedes Vereinsbeiratsmitglied sich seine Gedanken zu den möglichen Szenarien macht, falls ein oder gar beide Präsidiumsmitglieder abgewählt werden sollten. Aber wir würden uns erst ab dem 29. Juli darüber austauschen, dann mit der Zielsetzung innerhalb von einer Woche eine Lösung zu präsentieren.“
Gewappnet ist der Verein für ein solches Szenario. Als Präsident Wolfgang Dietrich 2019 infolge des WLAN-Gates und diverser Skandale gehen musste, bestellte der Vereinsbeirat übergangsweise einen Nachfolger. Damals den Vizepräsidenten Bernd Gaiser. Dieser Interimspräsident bleibt so lange im Amt, bis auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung eine Nachwahl stattgefunden hat. Der dann dort nachgewählte Präsident wäre zunächst für die verbleibende Amtszeit von Claus Vogt gewählt. Die geht bis zur ordentlichen MV in 2025.
Falls Vogt abgewählt wird: Wird VfB-Ehrenpräsident Erwin Staudt die Interimslösung?
Auf genau diese Weise hat Vogt übrigens sein Amt in Nachfolge des zurückgetretenen Wolfgang Dietrich angetreten. Erst als Interimspräsident, der lediglich die Restamtszeit seines Vorgängers erfüllt, anschließend bei der „offiziellen“ Wahl 2021 dann für eine volle Amtsperiode von vier Jahren. Derweil kursieren bereits erste Name für mögliche Interimspräsidenten im mit Blick auf die Vereinspolitik stets aufgeregten VfB-Umfeld, unter anderem Ehrenpräsident Erwin Staudt und Vereinsbeiratsmitglied Marc-Nicolai Schlecht.
So bleibt das VfB-Präsidium handlungsfähig
Zwei Präsidiumsmitglieder sind laut Satzung nötig, um die Geschäftsfähigkeit des Vereins aufrecht zu erhalten. Es gibt also für den Sonntag mehrere Szenarien:
- Werden sowohl Vogt und Adrion nicht abgewählt, ändert sich nichts. Vielmehr wird das Präsidium durch die Wahl entweder von Bertram Sugg oder von Andreas Grupp wieder auf seine Sollstärke aufgestockt. Die beiden kandidieren für den Posten des zurückgetretenen Christian Riethmüller.
- Wird nur Vogt abgewählt und Adrion bleibt im Amt oder umgekehrt, bleibt das Präsidium durch die Wahl von Sugg oder Grupp handlungsfähig.
- Werden Vogt und Adrion abgewählt, muss der Vereinsbeirat eine Präsidiumsstelle nachbesetzen, da sonst lediglich Grupp oder Sugg im Gremium säßen. Das würde im Regelfall zeitnah nach der MV erfolgen und wäre lediglich eine Interimslösung bis zur nächsten Zusammenkunft. Die muss laut Satzung „unverzüglich“ stattfinden. Auch das gab es in der jüngeren VfB-Historie schon: 2019 wechselte Hans H. Pfeifer nach dem Rücktritt von Wolfgang Dietrich vom Vereinsbeirat ins Präsidium, um dort mit Bernd Gaiser die Geschäfte zu führen.
Was bei der VfB-MV sonst noch auf dem Programm steht
Die Abwahlanträge gegen Vogt und Adrion überstrahlen das weitere Programm der MV. Dabei gibt es auch dort spannende Punkte, unter anderem die Finanzzahlen zu e.V. und AG (Top 5 und 6), die Nachwahl zum Präsidium (Top 14) sowie Anträge auf Satzungsänderungen (Top 10 und 11). So sollen zum Beispiel die Zirkelbezüge innerhalb der Gremien aufgelöst und ein Wahlausschuss eingeführt werden. Sollte das geschehen, steht auch die Wahl für dieses Gremium auf der Tagesordnung. 44 Personen haben sich dafür beworben, darunter erstmals auch Vertreter der großen Stuttgarter Ultragruppierungen Commando Cannstatt 97 und Schwabensturm 02.
„Wir unterstützen den generellen Antrag einen Wahlausschuss zu schaffen und sprechen uns bei der Einführung des Wahlausschusses für „Variante 2“ aus, in dem der Wahlausschuss sowohl die Kandidaten für den Vereinsbeirat als auch für das Präsidium auswählt“, heißt es im Vorfeld der Veranstaltung von der aktiven Fanszene. Man wolle bei einer Schaffung des Wahlausschusses „sehr gerne mitwirken und Verantwortung übernehmen“. Die vorgeschlagene Satzungsänderung der vom Vorstand initiierten „AG Strukturfrage“ lehnen die Ultras hingegen ab. Die Zustimmung zu diesem Antrag stärkt aus ihrer Sicht das vielzitierte „Ausgliederungsversprechen“ nicht, „sondern verwässert es“.
Es gibt also einiges zu entscheiden für die Mitglieder. Zwischen 2000 und 3000 werden in der Porsche-Arena erwartet, los geht es um 11 Uhr. Und die Verantwortlichen sind bemüht, das Programm zu straffen. Kürzere Redebeiträge sind von den Verantwortlichen angepeilt, die Ehrungen werden lediglich kurz auf die Leinwand geworfen. Eine eigenständiges Ehrungsevent ist für den kommenden Sommer geplant. Läuft alles nach dem Plan der Organisatoren, soll gegen 18 Uhr Schluss sein. Mit Blick auf die Erfahrungen der vergangenen MVs: ein ehrgeiziges Ziel.
Weitere Infos zur Mitgliederversammlung des VfB Stuttgart
- Ergänzende Tagesordnung: https://www.vfb.de/de/vfb/aktuell/neues/verein/2024/ergaenzende-tagesordnungspunkte-zur-mitgliederversammlung/
- Bewerbungen für den Wahlausschuss: https://www.vfb.de/de/1893/club/vfb-e-v-/mitgliederversammlung-2024/bewerber-wahlausschuss/a-f/