VfB Stuttgart

Chema Andrés verdrängt VfB-Kapitän Karazor: Das sagt Trainer Sebastian Hoeneß

VfB-Spiel gegen St. Pauli
Chema Andrés hat den Platz von Atakan Karazor fürs Erste erobert. © Sofiia Shahaievska

Stuttgart. Mutiger Schritt, starke Antwort: Trainer Sebastian Hoeneß setzt beim 2:0 gegen St. Pauli Kapitän Atakan Karazor auf die Bank – und der 20-jährige Chema Andrés rechtfertigt das Vertrauen mit einem reifen Auftritt im Mittelfeld. Der VfB Stuttgart zeigt nach dem Stotterstart die erhoffte Reaktion, presst aggressiv und feiert den zweiten Heimsieg. Ermedin Demirović führt als Aushilfs-Kapitän, Bilal El Khannouss trifft zum 2:0. Ein Abend, der Ruhe bringt.

Eine Stunde vor Anpfiff, die Aufstellung kommt, und auf den Tribünen wie in den Handys blinkt die Nachricht – Atakan Karazor sitzt auf der Bank. Der Kapitän, der Dauerläufer, der seit Monaten das Stuttgarter Mittelfeld verankert. Es ist der vierte Spieltag, und doch wirkt es wie ein Einschnitt.

VfB-Coach Sebastian Hoeneß: „Wir wollten Impulse geben“

Trainer Sebastian Hoeneß hat das geahnt. „Wir wollten Impulse geben“, sagte er später. Ruhig, fast beiläufig, als sei das alles eine Kleinigkeit. Doch jeder im Stadion wusste: Das war ein Paukenschlag. Der DFB-Pokalsieger hatte nach dem Stotterstart Ruhe gebraucht – und der Trainer tat das, was Mut erfordert. „Chema ist in einer guten Verfassung“, erklärte Hoeneß, „und wir kommen in eine Phase, in der wir sehr viel spielen. Da wird es wichtig sein, dass wir den Kader auch einsetzen.“

Chema Andrés, 20 Jahre jung, war der Grund für diesen Schritt – und er rechtfertigte ihn vom ersten Ballkontakt an. Schon sein Auftritt wirkte wie ein Versprechen: Trikot akkurat in der Hose, Kopf oben, Bälle fordern, Räume schließen, Zweikämpfe annehmen. Als Taktgeber und Kopfballspieler war er an diesem Abend das, was man im Fußball so gern einen Stabilisator nennt. Wer ihn spielen sah, konnte sich an einen alten Spruch von Ex-VfB-Keeper Sven Ulreich erinnern: „Jung und erfahren gibt es im Fußball nicht – das gibt es nur auf dem Straßenstrich.“ Ulreich kannte Chema damals nicht. Der war sechs Jahre alt. Jetzt spielt er, als sei er schon dreißig.

Die Partie selbst erzählte die Geschichte der Reaktion, die Hoeneß und Sportvorstand Fabian Wohlgemuth unter der Woche so dringend eingefordert hatten. Der Trainer hatte nach der Freiburg-Pleite von „fehlender Energie und Intensität“ gesprochen – diesmal sprühte der VfB vor beidem. Schon in der vierten Minute zappelte der Ball nach einem Demirović-Abschluss im Netz, nur knappes Abseits verhinderte die frühe Führung. Stuttgart presste hoch, gewann die Zweikämpfe, trieb St. Pauli weit in die eigene Hälfte.

„Der VfB hat in der ersten Halbzeit ein höheres Energielevel gehabt“

Natürlich half, dass der Gegner harmlos blieb. St. Pauli, im Vorjahr als Aufsteiger gefeiert, zeigte Mut im Aufbau, kam aber kaum zu Abschlüssen. „Der VfB hat in der ersten Halbzeit ein höheres Energielevel gehabt und uns ein bisschen erdrückt“, gab Gästecoach Alexander Blessin zu.

Die Tore fielen dennoch wie kleine Befreiungsschläge. In der 43. Minute ließ Ermedin Demirović, der neue Kapitän auf Zeit, den Ball lässig am Keeper vorbei ins Eck schnibbeln – ein Tor, das so viel Gelassenheit ausstrahlte wie der Spieler selbst. Fünf Minuten nach der Pause legte Bilal El Khannouss nach, trocken ins Eck, 2:0. Danach durfte sich auch Alexander Nübel auszeichnen, als St. Pauli kurz aufmuckte. Doch der VfB behielt Kontrolle und Ruhe, wie eine Mannschaft, die etwas beweisen wollte und sich endlich wieder auf sich selbst verlassen konnte.

Trainer Hoeneß lob die Reaktion von Atakan Karazor

Sebastian Hoeneß lobte nicht nur die Sieger, sondern auch den, der an diesem Abend verzichten musste. „Ata hat sich heute astrein verhalten. Er hat von der Bank gepusht. Eine Top-Reaktion von vorne bis hinten.“ Kein beleidigter Kapitän, keine versteckte Spitze. Aber ein deutliches Zeichen: Kein Platz im VfB-Kader ist gesetzt, nicht mal der des Anführers.

Chema Andrés hat diesen Platz fürs Erste erobert. Er war präsent, passsicher, kopfballstark, immer anspielbar – und er verlieh dem Spiel die Ruhe, die Hoeneß so lange gefehlt hatte. Vielleicht wird es für Karazor schwer, diesen Stammplatz zurückzuerobern. Vielleicht ist genau das der Wettbewerb, den ein ambitionierter VfB jetzt braucht. Als der Schlusspfiff ertönte, leuchteten auf dem Rasen noch immer die Linien des Football-Endspiels von vor zwei Wochen. Aber an diesem Abend gehörte das Feld wieder dem VfB – einem VfB, der sich den Ball, die Kontrolle und ein Stück seiner alten Selbstverständlichkeit zurückgeholt hatte. Und einem 20-Jährigen, der spielte, als hätte er das alles schon immer genauso getan.

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