VfB Stuttgart

Die Stuttgarter Storyteller: Warum die Vorfreude rund um den VfB ungebrochen ist

Hunderte Fans beim ersten VfB-Training in 2025
Hunderte Fans sind am Donnerstag (02.01.) zum ersten öffentlichen Training des VfB Stuttgart nach Bad Cannstatt geströmt. © Danny Galm

Stuttgart. Die Vorfreude der Fans auf „ihren“ VfB Stuttgart ist ungebrochen. Selbst strömender Regen und einstellige Temperaturen konnten weit über eintausend Anhänger am Donnerstag (02.01.) nicht davon abhalten, das erste Training im neuen Jahr zu besuchen. Darunter viele Familien und Jugendliche. „Das war überwältigend! Mit dem Andrang war bei Dauerregen und gefühlten Minusgraden nicht zu rechnen. Kompliment an unsere Fans. Das löst auch in mir Begeisterung, Motivation und eine Aufbruchstimmung aus“, staunte auch Sportvorstand Fabian Wohlgemuth. Aber warum elektrisiert der VfB derzeit eigentlich dermaßen die Massen?

Klar, die Rückkehr in die Champions-League, die Vizemeisterschaft in der vergangenen Saison und der begeisternde Fußball unter Trainer Sebastian Hoeneß spielen eine gewichtige Rolle. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der die Schwaben aktuell von der viel zu grauen Masse an Fußball-Klubs abhebt.

Stenzel bringt es auf den Punkt: „Haben immer neue Geschichten geschrieben“

Der VfB liefert wieder Geschichten. Mal mit Happy End, mal mit schlechtem Ausgang. Mal mit Würze, mal Hausmannskost. Aber der VfB liefert wieder. Und das nach Jahren der Tristesse. Endlich.

Pascal Stenzel, immerhin seit 2020 im Klub, hat diese erzählerische Wucht des Traditionsvereins in der aktuellen Folge der saisonbegleitenden VfB-Dokumentation ganz wunderbar auf den Punkt gebracht. „Es ist nie alltäglich geworden, bei uns ins Stadion einzulaufen“, sagte der 28 Jahre alte Verteidiger da, während er auf einer Parkbank in den Hohenheimer Gärten saß. „Egal ob eine Wahnsinns-Choreo kommt oder ein besonderes, verrücktes, dramatisches Spiel ist: Es sind immer neue Geschichten, die wir geschrieben haben, in unserem Stadion.“

Unbestritten: Die Stuttgarter Storyteller haben geliefert in den letzten Monaten. Schon jetzt hat die VfB-Saison 24/25 einen historischen Anstrich. Wäre die Spielzeit schon vorbei, wären die Schwaben zwar „nur“ Zehnter in der Tabelle – was angesichts des vorhandenen Potenzials im Kader durchaus als Enttäuschung gewertet werden müsste. Aber: Die gemeinsam gesammelten Erlebnisse und Momente allein rund um die bisherigen Auswärtsfahrten in der Königsklasse bilden ein Sammelsurium an Storys, die sich viele Anhänger noch in Jahren erzählen werden. Diese Reise begleitet der VfB inzwischen auch zeitgemäß mit hochwertigen Bildern und Videos. So können die Fans immer wieder abtauchen und die für sie so kostbaren Stunden noch einmal nachempfinden.

Verteilung der TV-Gelder: Warum ein alter Streit wieder ausbrechen dürfte

Zwar produziert heutzutage jeder Profiklub seine eigenen auf Hochglanz polierten Inhalte. Entscheidend bleiben aber immer noch die Leistungen und vor allem die Emotionen der Spieler im Zusammenspiel mit ihrem Publikum. Und nicht die Skills der Fotografen und Content-Creator. Siegtore in der Nachspielzeit gibt es schließlich immer mal wieder. Momente für die Geschichtsbücher werden aber nur die wirklich besonderen Treffer.

Damit sticht der VfB heraus aus einer Liga, in der sich mittlerweile zu viele graue Mäuse und künstlich produzierte Gebilde tummeln. Klar, sportlich verdient hat ein jeder der 18 Erstligisten seine Zugehörigkeit in der über 60 Jahre alten Bundesliga. Aber eine emotionale Wirkmacht entfaltet nur noch eine Handvoll Klubs. Entlang genau dieser Konfliktlinie dürfte demnächst auch der alte Streit um die Verteilung der TV-Gelder wieder ausbrechen. Am 16. Januar soll offenbar auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga über die Verteilung der TV-Gelder debattiert werden.

Wie der Kicker berichtet, haben der Sprecher des Liga-Präsidiums, Hans-Joachim Watzke (Borussia Dortmund), und dessen Stellvertreter Oliver Leki (SC Freiburg) die 36 Klubs aus der 1. und 2. Bundesliga am Tag vor dem DFL-Neujahrsempfang in Frankfurt/Main eingeladen. Nach der jüngsten Rechtevergabe kassiert die DFL 4,484 Milliarden Euro für die deutschsprachigen TV-Rechte in den nächsten vier Spielzeiten - und damit 84 Millionen mehr als bei den aktuell gültigen Abschlüssen. Zuletzt hatten vor allem Traditionsklubs wie die Zweitligisten Hamburger SV und Schalke 04 gefordert, dass die Säule „Interesse“ bei der Verteilung mehr berücksichtigt wird. Auch der VfB gehörte vor einigen Jahren einer solchen Interessensvertretung an. Wie sich die Stuttgarter Verantwortlichen in der nun bevorstehenden Debatte positionieren werden, ist noch unklar.

Einstige Bundesliga-Flaggschiffe fordern mehr Geld

Derzeit werden über die Säule „Interesse“ drei Prozent der Einnahmen ausgeschüttet. Aus Sicht vieler Traditionalisten viel zu wenig. „In keiner anderen europäischen Topliga werden Themen wie Stadionauslastung, Abo-Abschlüsse, Markenreichweite oder die Beteiligung an abendlichen Topspielen so wenig Rechnung getragen wie in Deutschland“, sagte zum Beispiel HSV-Finanzvorstand Eric Huwer jüngst der Süddeutschen Zeitung . Und sprach damit sicherlich auch stellvertretend für die einstigen Bundesliga-Flaggschiffe aus Gelsenkirchen, Hannover, Nürnberg oder Kaiserslautern. Allesamt seit Jahren im Unterhaus anzufinden.

Ein ähnliches Schicksal wie diesen einstigen Groß-Klubs hätte dabei auch dem VfB drohen können. Schließlich sind die Schwaben gleich zwei Mal in den letzten zehn Jahren abgestiegen. Beide Male ging es jedoch direkt wieder nach oben. Und mittlerweile spielt der Traditionsverein von 1893 wieder auf der großen europäischen Fußball-Bühne. Eine herrliche „Phönix-aus-der-Asche-Geschichte, gegen deren Kraft RB Leipzig und die TSG Hoffenheim nicht ankommen können. Dafür ist die Stuttgarter Story zu wirkmächtig. Warum? Weil sie mit ihrer massiven Fanbase einen riesigen Resonanzraum hat, der den „Plastikklubs“ und auch den kleinen Teams aus Kiel und Heidenheim fehlt. Sie performen mehr oder weniger im luftleeren Raum, maximal für ihre Bubble. Ganz im Gegensatz zum VfB – wo selbst zum öffentlichen Training bei absolutem Schietwetter die Massen strömen.

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