Die VfB-Entwicklung des Enzo Millot: Vom schlampigen Genie zur „Fighting Eight“
Beim spektakulären 5:2-Sieg des VfB Stuttgart gegen RB Leipzig überragte Deniz Undav mit einem Dreierpack. Doch im Schatten des Stürmers zeigte auch Enzo Millot ein starkes Spiel – auf ungewohnter Position. Über die rasante Entwicklung eines Mittelfeldspielers moderner Prägung: Vom mitunter schlampigen Genie zur „Figthing Eight“.
Grummeln im VfB-Stadion, aber Enzo Millot verwandelt sicher
Es gab ein kaum wahrnehmbares Grummeln in der Stuttgarter Arena, als Schiedsrichter Sven Jablonski am Samstag (27.01.) um kurz vor 16 Uhr nach Ansicht der Videobilder auf Strafstoß für die Hausherren entschied. Die große Chance zur Führung! Aber wer sollte schießen? Schließlich hat sich am Wasen in dieser Saison bislang nur ein Spieler als sicherer Elfmeter-Schütze erwiesen: Top-Torjäger Serhou Guirassy. Der stand jedoch nicht zur Verfügung. Afrika-Cup. Mist. Die Alternativ-Schützen hatten zuletzt allesamt versagt.
Als schließlich Enzo Millot zur Tat schritt, lag also eine gewisse Spannung in der Luft. Das interessierte den Schützen aber in keinster Weise. Sicher verwandelte er, schickte RB-Keeper Jannis Blaswich in die falsche Ecke und setzte sein Team damit aufs Gleis in Richtung erster Sieg in 2024. Abgezockt wie ein alter Hase. Und das mit 21 Jahren. Beeindruckend.
Dabei kam Millot gegen die Roten Bullen auf ungewohnter Position zum Einsatz. Da Abräumer Atakan Karazor aufgrund einer Gelbsperre pausieren musste, wurde der filigrane Linksfuß von der Offensive auf die Doppelsechs an die Seite von Taktgeber Angelo Stiller gezogen. Der Schachzug ging voll auf. Millot zeigte sich nicht nur als resoluter Zweikämpfer, sondern gab auch immer wieder Impulse für die Stuttgarter Offensive.
„Super, jetzt können wir dich auch in der Innenverteidigung einsetzen“
Wobei er im umkämpften Duell mit den Sachsen vor allem in seiner Rolle als Arbeiter gegen den Ball gefordert war. Weshalb Sportdirektor Fabian Wohlgemuth nach dem Abpfiff auch direkt zu seinem positionsfremd eingesetzten Profi eilte und ihm direkt den nächsten Ausflug in einen anderen Mannschaftsteil in Aussicht stellte: „Super, jetzt können wir dich auch in der Innenverteidigung einsetzen.“
Vor allem die Zweikampfführung des gelernten Offensivmanns hatte dem Kaderplaner imponiert: „So wie er die Zweikämpfe geführt hat, tatsächlich im Stil eines Innenverteidigers, robust, ein, zwei Mal im richtigen Moment auch gefoult. Die Mischung hat heute für dieses Spiel perfekt gepasst.“
Die Haare sind kürzer, die Bedeutung fürs Stuttgarter Spiel ist nochmal gewachsen
Der verwandelte Elfer illustrierte derweil eindrucksvoll, welchen Status der junge Mann aus dem 16.000-Einwohner-Städtchen Lucé mittlerweile im Team von Sebastian Hoeneß eingenommen hat. Millot ist längst zum Führungsspieler gereift. Schon in den Relegationsspielen gegen den HSV zum Ende der vergangenen Saison ging Millot, damals noch als Wuschelkopf, voran. Mittlerweile sind die Haare raspelkurz, seine Bedeutung für den Hoeneß-Fußball ist hingegen nochmal gewachsen. Der zweifache Familienvater ist oftmals Dreh- und Angelpunkt der Angriffe.
Im technisch anspruchsvollen, schnellen Stuttgarter Ballbesitzspiel fühlt sich ein Edeltechniker wie Millot von Natur aus wohl. Dass er mittlerweile auch sein Kämpferherz entdeckt hat, zeugt von einer eindrucksvollen Entwicklung. Schließlich galt Millot in der jüngeren Vergangenheit oftmals auch als schlampiges Genie. Ex-Coach Bruno Labbadia bemängelte mitunter sogar öffentlich die Trainingsleistungen seines Schützlings, auch in Sachen Disziplin und Pünktlichkeit gab es wohl das ein oder andere Defizit. Unter Hoeneß aber blühte Millot von Anfang an auf. Und ist mittlerweile fester Bestandteil der Stuttgarter Startelf.
Als Mittelfeldstratege moderner Prägung. Vielseitig einsetzbar, technisch stark, mit Offensivdrang, aber auch in der Lage, den Rasen umzupflügen – eine „Fighting Eight“ sozusagen, in Anlehnung an die vor der Saison von Bayern-Coach Thomas Tuchel für das Spiel seiner Mannschaft geforderte „Holding Six“.
Und das bemerkenswerte an der aktuellen Stuttgarter Truppe ist nebenbei bemerkt: Die Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. Auch nicht die von Enzo Millot.