Dortmund, Deventer, Hamburg und Bochum: So stemmt der VfB den kuriosen Reiseplan
Stuttgart. Vier Auswärtsspiele in Folge und über 2500 Reise-Kilometer: Der VfB Stuttgart hat eine 13-tägige Fußball-Reise am Laufen, die eher nach Interrail aussieht als nach Bundesliga. Von Dortmund über Deventer nach Hamburg – und wieder zurück. Warum sogar die Wäsche eine eigene Route bekommt und was die Stadt Deventer den VfB-Fans ins Regelheft schreibt: Die nicht alltägliche VfB-Expedition im Überblick.
Man kann sich vorstellen, wie die Szenerie am vergangenen Freitag am Stuttgarter Flughafen ausgesehen hat: höfliche Begrüßung, Handschlag, Wiedererkennungsnicken. Es war schließlich klar, dass man sich in den kommenden anderthalb Wochen öfter über den Weg laufen würde als der Paketbote in der Vorweihnachtszeit. Denn der VfB begibt sich auf eine Reise, die weniger an einen Fußballspielplan erinnert als an eine mittelprächtige Interrail-Route: Über 2500 Reise-Kilometer in 13 Tagen wie die Kollegen der Stuttgarter Zeitung errechnet haben, von Dortmund über Deventer nach Hamburg und wieder nach Dortmund – nur um dann in Bochum zu landen. Ein kurioser Reiseplan.
Der Grund: Bundesliga, Europa League, DFB-Pokal – alles prall gefüllt, alles hintereinander. Die Logistik: anspruchsvoll. Der Trainer: unbeirrbar. „Ich bin in Gedanken jetzt erst einmal beim Dortmund-Spiel. Dann kommt Deventer, dann kommt Hamburg, und dann Bochum“, sagte Sebastian Hoeneß vor Beginn der Tour. Der erste Punkt auf der Liste ist inzwischen abgehakt: ein spektakuläres 3:3 beim punktgleichen Tabellendritten.
Dortmund erledigt, aber der Auftakt war erst der Anfang
Davor lief alles noch halbwegs alltäglich: Trainingswoche normal, Abschlusstraining in Bad Cannstatt, dann der Flieger nach Dortmund, ein wilder Fußballnachmittag – und direkt danach zurück zum Stuttgarter Airport in Leinfelden-Echterdingen. Der Auftakt ist gelungen, die Reiseroute damit aber kaum entspannter geworden.
Drei Tage später hebt der VfB erneut ab. Ziel: Teuge. Das klingt immer noch wie ein Insiderwitz aus der Kabine, ist aber ein real existierender Flughafen in einem Dorf bei Deventer. Dort tritt der VfB am Donnerstagabend bei den Go Ahead Eagles im „Adlerhorst“ an – 21 Uhr Anstoß, Bankett danach. Eine nächtliche Weiterreise? Unmöglich.
Also: Auslaufen am Morgen in Deventer, Trainingsplätze organisiert von den routinierten Team- (und in diesen Tagen vor allem Reise-) Managern Günther Schäfer und Peter Reichert. Danach geht’s direkt weiter nach Hamburg. Und während die Spieler im Bus sitzen, nimmt die Wäsche eine eigene Reiseroute: Das Zeugwart-Duo Michael Meusch und Thomas Schultheiss lässt nichts durch Fremdmaschinen laufen. Die schmutzigen Trikots reisen per Fahrer zurück nach Deutschland – und frisch gewaschen von der heimischen Fachkraft Gordana Markovic-Masala wieder nach Hamburg. Eine Fußballmannschaft auf Europareise, und die wichtigste Frage ist manchmal: Wo ist die Waschmaschine?
Zwischenstation Hamburg: fast ein Trainingslager
Hamburg, zwei Tage Vorbereitung auf den HSV. Ein Aufsteiger, aber einer mit Volksparkstadion, Sonntag 15.30 Uhr. Lokale Trainingseinheiten sorgen für leichtes Trainingslager-Aroma. „Wir werden die Zeit gemeinsam sicher nutzen“, sagt Hoeneß – und lässt offen, ob er Freizeit, Videoanalyse oder Elbspaziergänge meint. Nach dem Spiel geht es zurück nach Stuttgart. Die Mannschaft fliegt, der Bus wartet. Alles wie immer – nur eben nicht ganz.
Der Schlussspurt: Dortmund, Bochum, Ende
Mittwochfrüh: wieder Flughafen, wieder Richtung Dortmund. Tageshotel, Anschwitzen, weiter nach Bochum. 18 Uhr Anstoß im Ruhrstadion, Achtelfinale DFB-Pokal. Danach noch einmal zurück nach Stuttgart. Es ist, selbst für Profis, eine Tour, die den Körper spürt und den Geist fordert. Vier Auswärtsspiele in Folge hat auch Hoeneß beim VfB noch nicht erlebt. Am 6. Dezember gibt’s dann wieder ein Heimspiel. Die gute Nachricht: Der VfB spielt dann mal wieder in Stuttgart. Die schlechte: Es kommen die Bayern.
Zwischenruf aus Deventer: Willkommen, aber bitte geregelt
Deventer bereitet sich derweil auf das bevorstehende Europa-League-Spiel vor – und auf die VfB-Fans. Die Stadt heißt sie herzlich willkommen, allerdings nach niederländischer Art: freundlich, aber organisiert. Treffpunkt ist ausschließlich der Fan Meeting Point bei einer Craftbier-Brauerei, die Innenstadt bleibt aufgrund einer Verordnung der Gemeinde tabu, Shuttle-Busse fahren zum Stadion. Feuerwerk: verboten. Alkohol in der Öffentlichkeit: nur, solange niemand belästigt wird. Der Bürgermeister, Ron König, verspricht ein „fröhliches und sicheres Fest“. Und bittet darum, die Stadt nicht auseinanderzunehmen – sinngemäß.
Weil das Stadion in Deventer nur 10.400 Plätze fasst und der VfB nur 500 Tickets bekam, konnten nach Abzug der Dauerkarten gerade einmal 60 Tickets vergeben werden. Der Verein löste es per Losverfahren: Zehn Euro pro Los, Gewinner erhalten ein Vorkaufsrecht. Das Ergebnis: über 15.000 Euro für die VfB-Stiftung „Brustring der Herzen“.
Der VfB Stuttgart reist also – quer durchs Land, kurz ins Ausland, wieder zurück. Mehr im Flugzeug als auf dem Trainingsplatz, mehr Kilometer als Tore. Und irgendwann im Dezember werden sie in Stuttgart ankommen, auf den Rasen treten und denken: Ach, so sieht’s also zu Hause aus.





