Kommentar zum Woltemade-Wechsel vom VfB zu Newcastle: Perverse neue Fußballwelt
Stuttgart. 90 Millionen Euro für Nick Woltemade – ein Spieler, der vor einem Jahr noch ablösefrei aus Bremen kam. Newcastle zahlt, Bayern schaut dumm aus der Wäsche, der VfB Stuttgart kassiert wie noch nie zuvor. Willkommen in der neuen, pervertierten Fußballwelt, in der Mondsummen längst Alltag sind und Sportswashing zur Normalität gehört. Ein Kommentar von ZVW-Redakteur Danny Schöckle.
Ist Nick Woltemade 80 Millionen Euro wert? fragte Bayern-Sportvorstand Max Eberl zu Beginn dieses aberwitzigen Wechsel-Pokers süffisant – und die Antwort, die er jetzt bekommt, lautet: Nein. Es sind 90. Willkommen in der neuen, perversen Fußballwelt. Ein 23-Jähriger, der vor einem Jahr ablösefrei aus Bremen kam, der eine halbe gute Saison in Stuttgart hingelegt hat, der in 70 Bundesliga-Spielen 14 Tore erzielt hat – geht für eine Mondsumme nach Newcastle. Ein Klub, der nicht die oberste, aber die ölgetränkte Kategorie ist. Was Real Madrid einst 2009 für Super-Stürmer Cristiano Ronaldo zahlte, zahlt heute ein saudisch finanzierter Premier-League-Verein für Nick Woltemade. Irrsinn ist ein zu schwaches Wort.
Die zweite krachende Niederlage für den FC Bayern in diesem Sommer
Für die Bayern ist es die zweite krachende Niederlage des Transfer-Sommers nach Florian Wirtz. Sie wollten Woltemade, sie drängten, der Spieler drängte mit, aber der VfB blieb hart. Und plötzlich zeigt sich: 85 Millionen Euro sind 85 Millionen Euro, 90 Millionen Euro sind 90 Millionen Euro. Summen, die die Bundesliga nicht zahlen kann und nicht zahlen will – die Premier League schon. „Finanziell spielt die Premier League in einer anderen Liga“, sagt FCB-Sportdirektor Christoph Freund. Falsch. Sie spielt längst in einer anderen Galaxie.
Respekt, Alex Wehrle und Fabian Wohlgemuth: Die VfB-Vorstände haben 40, 50, 60 Millionen von Bayern abgelehnt, haben Druck von Spieler, Berater und Medien ausgehalten und am Ende den Monster-Deal durchgezogen. Sie haben Woltemade am Höhepunkt des „Woltemessi“-Hypes verkauft. Ein moderner Schwabenstreich.
Aber für den Spieler? Er will 2026 mit Deutschland zur WM. Jetzt neue Liga, neues Land, ein robusterer Fußball, jede Woche Innenverteidiger wie Upamecano und Tah. Schon im Supercup gegen die Bayern sah man, dass Woltemade da keinen Stich setzt. Das Risiko ist groß.
Das Projekt Newcastle United: Menschenrechte? Nebensache
Und Newcastle? 1892 gegründet, heute eine Hülle, gefüllt mit den Milliarden des saudischen Staatsfonds. Der Public Investment Fund verwaltet 800 Milliarden Euro, Kronprinz Mohammed bin Salman zieht die Fäden. Menschenrechte? Nebensache. Sportswashing? Exakt das. Newcastle ist kein Fußballklub mehr, sondern ein politisches Projekt. Woltemade wird künftig genau dort das Vier- bis Fünffache seines bisherigen Gehalts verdienen.
Und der Fußball? Der verliert mit jedem Deal dieser Art ein weiteres Stück Normalität und Bodenhaftung. Schade. Für die Fans. Für die Bundesliga.