VfB Stuttgart

Kontrolle durch Vereinfachung: VfB-Coach Hoeneß und ein entscheidender Eingriff

Fußball  VfB Stuttgart vs. Feyenoord Rotterdam
Sebastian Hoeneß dirigiert pragmatisch: Der VfB-Trainer reagierte auf die chaotische erste Halbzeit gegen Feyenoord mit klaren Umstellungen – und sicherte seiner Mannschaft so einen Arbeitssieg in der Europa League. © Julia Rahn

Stuttgart. Der VfB Stuttgart hatte sich in der Europa League gegen Feyenoord Rotterdam viel vorgenommen – und musste in der ersten Halbzeit feststellen, dass der Plan nicht funktionierte. Trainer Sebastian Hoeneß reagierte, stellte um, und der VfB gewann ein enges Spiel durch Geduld und klare Anpassungen. Es war kein schöner, aber ein lehrreicher Sieg. Und einer, der zeigt, dass Stuttgart inzwischen auch auf schwierige Abende Antworten hat.

Es gibt Spiele, die erzwingen eine Korrektur der eigenen Überzeugungen. Der VfB wollte zu Hause gegen Rotterdam kontrollieren, den Ball laufen lassen, das Tempo steuern – und fand sich doch in einer ersten Halbzeit wieder, die selbst Trainer Sebastian Hoeneß später als „wild“ beschrieb. Wild, das meint: unruhig, fahrig, ohne klare Linien. Feyenoord presste hoch, eng, diszipliniert, und der VfB fand zwischen diesen Linien kaum Raum, geschweige denn Rhythmus.   „Feyenoord war der beste Gegner hier bei uns im Stadion seit dem FC Bayern im Supercup“, meinte Stuttgarts Sportvorstand Fabian Wohlgemuth anerkennend.

VfB-Coach Hoeneß: „Es ist nicht aufgegangen, was wir vorhatten“

Hoeneß sagte nach dem Spiel dann noch einen eigentlich unspektakulären Satz: „Es ist nicht aufgegangen, was wir vorhatten.“ Der Satz war dennoch bemerkenswert, weil Trainer üblicherweise nicht gerne über das Scheitern von Plänen sprechen. Aber er war präzise. Die Strukturen stimmten nicht, und selbst die Intensität, von der Stuttgart in dieser Saison so sehr lebt, verpuffte. „Die Jungs wollten, aber die Idee war nicht passend“, sagte Hoeneß. Es klang nüchtern – und wurde zur Grundlage für den Rest des Abends.

Hoeneß tat etwas, das im modernen Fußball leicht unterschätzt wird, weil es weder taktisch avantgardistisch klingt noch heroisch wirkt: Er stellte um. Leweling kam zur Pause, die Formation rückte in eine klarere Viererkette, das Zentrum wurde kompakter, die Abstände kürzer. Vor allem aber wurde ein Punkt angesprochen, an dem der VfB schon länger arbeitet: die Strafraumbesetzung.

Vor der Pause standen oft nur zwei Spieler im Strafraum, danach regelmäßig vier oder fünf. Plötzlich gewann Stuttgart zweite Bälle, die Pässe wurden kürzer, die Zweikämpfe intensiver. „Wir sind drangeblieben, wir haben nichts hergeschenkt“, sagte Torwart Alexander Nübel. Das klang wie ein Standardsatz – war aber die genaue Beschreibung des Spiels. Stuttgart arbeitete sich hinein.

Das Tor entsteht nicht aus Schönheit, sondern aus Laufwegen

Es war ein Spiel der Wiederholungen: El Khannouss zwang Wellenreuther zu einer Parade, Undav vergab freistehend, Tomás traf das Außennetz. Und dann geschah, was Hoeneß zur Pause gefordert hatte: mehr Präsenz in der Box. Bei Assignons Flanke sprintete Bilal El Khannouss von außerhalb des Sechzehners zur Fünfmeterzone. Nicht impulsiv, sondern angewiesen. Wer läuft, entscheidet. Und weil Feyenoord in diesem Moment zu spät war, stand es 1:0. „Es hat sich dann gut angefühlt“, sagte Angelo Stiller. Ein Satz, der so leise klingt, dass er leicht überhört wird. Er beschreibt jedoch genau, worauf dieser Sieg beruhte: Kontrolle durch Vereinfachung.

Deniz Undav nannte es später einen „dreckigen“ Sieg: „Wir haben nicht unsere beste Leistung gezeigt, aber solche Siege sind manchmal mehr wert, als wenn man schön spielt und gewinnt“. Und es stimmt: Stuttgart hat schon schöner gewonnen. Aber Mannschaften, die wachsen, brauchen genau solche Abende. Mit nun sechs Punkten gestaltet sich die Lage in der Europa League nun freundlicher. Wichtig war weniger das Ergebnis als die Art, wie es entstand: durch Anpassung, durch Geduld, durch den Abschied von der Vorstellung, dass ein einmal gefasster Plan schon deshalb richtig ist, weil er durchdacht wurde. Stuttgart zeigte die Fähigkeit, ein Spiel zu reparieren, während es lief. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Der nächste VfB-Gegner: Augsburg sucht Stabilität

Und nun kommt der FC Augsburg am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) nach Bad Cannstatt, der zwar erst sieben Punkte hat, aber eine wiederkehrende Frage mitbringt: Wie viel Risiko verträgt Stabilität? Kapitän Jeffrey Gouweleeuw ist nach seiner Knieverletzung zurück im Training. Ob er sofort wieder ins Zentrum rückt, nannte Trainer Sandro Wagner jedoch eine „komplexe Entscheidung“. Denn die Dreierkette mit Banks, Matsima und Schlotterbeck hatte zuletzt beim 0:1 gegen Dortmund durchaus standgehalten. Gouweleeuw aber ist in Augsburg nicht bloß ein Innenverteidiger, sondern ein Orientierungspunkt für die Mannschaft, einer, „dem die Jungs vertrauen“, wie Wagner sagt.

Gegen Stuttgart, das in dieser Saison alle vier Heimspiele gewonnen hat und mit Undav einen Stürmer besitzt, den Wagner „einen absoluten Killer“ nennt, braucht Augsburg mehr als nur Ordnung: Es braucht Überzeugung. Wagner versucht sie auch über Atmosphäre zu erzeugen – freie Tage, späte Anreise, „schlafen im eigenen Bettchen“. Der Prozess, sagt er, sei gut. „Die Punkte nicht, aber der Prozess.“

Beim VfB wird derweil der gegen Rotterdam kurzfristig ausgefallene Verteidiger Luca Jaquez nach aktuellen Einschätzungen voraussichtlich auch gegen Augsburg fehlen, fraglich aufgrund von muskulären Problemen ist auch Ramon Hendriks. Die Schwaben gehen trotzdem als klarer Favorit ins Spiel. Auch weil die Hoeneß-Elf gegen Rotterdam etwas mitgenommen, das über Punkte hinausgeht: die Gewissheit, dass sie Spiele gewinnen kann, in denen sie nicht dominiert. Dass sie Lösungen findet, wenn Plan A scheitert. Und dass sie notfalls auch bereit ist, das Schöne gegen das Nötige einzutauschen.

So könnten die Teams starten

VfB Stuttgart: Nübel - Jeltsch, Chabot, Al-Dakhil - Assignon, Stiller, Chema, Mittelstädt - Bouanani, Führich - Undav

FC Augsburg: Dahmen - Banks, Matsima, K. Schlotterbeck - Kade, Massengo, Rexhbecaj, Giannoulis - Rieder, Claude-Maurice - Kömür

Schiedsrichter: Harm Osmers (Hannover)

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