VfB Stuttgart

Nach Saisonanalyse beim VfB: Welche Baustellen Trainer Matarazzo angehen will

Pellegrino Matarazzo
Trainer Pellegrino Matarazzo hat die Saison des VfB Stuttgart analysiert und einige Baustellen ausgemacht. Diese will er mit seinem Team nun angehen. © Danny Galm

Hinter dem VfB Stuttgart liegt eine turbulente Saison 2021/22. Nach unzähligen Rückschlägen und einem knallharten Abstiegskampf retteten sich die Schwaben mit einem dramatischen Last-Minute-Sieg gegen Köln. „Das war eine aufregende Saison“, resümiert der VfB-Coach. „Wir mussten sehr viele Rückschläge einstecken und mit vielen Widerständen umgehen. Es war eine Saison der Extreme.“

Ob Verletzungen, Corona-Fälle, fehlendes Spielglück oder enge Schiedsrichterentscheidungen - es kam vieles zusammen. Der VfB schaffte trotzdem den Klassenerhalt, die Zeit des Feierns ist aber vorbei: Bis zum Saisonauftakt gibt es an der Mercedesstraße viel aufzuarbeiten. Trainer Pellegrino Matarazzo gibt Einblicke in seine Saisonanalyse und erklärt, welche Baustellen er angehen will.

Verletztenmisere und schlechter Fitnesszustand

Wie viel Pech der VfB in der abgelaufenen Saison mit Verletzungen hatte, zeigt ein Beispiel: Die beiden besten Angreifer Silas und Kalajdzic fielen jeweils mit einer schweren Schulterluxation wochenlang aus. Eine eher ungewöhnliche Verletzung. Auch andere Profis wie Orel Mangala oder Chris Führich fehlten wochenlang. Kann das nur Pech sein – oder steckt mehr dahinter?

„Wir hatten dieses Jahr viele Kontaktverletzungen“, relativiert Matarazzo die vielen Ausfälle. Die Frage sei trotzdem: „Was war zuerst da – die Verletzung oder der schlechte Fitnesszustand?“ Der VfB-Trainer hatte teilweise den Eindruck, dass einige Spieler nicht fit genug waren. „Manchmal hätte ich mir den einen Laufweg mehr gewünscht“.

„Wir wollen die Fitness optimieren“, erklärt der Coach. Man habe bereits ein neues Konzept ausgearbeitet, um mehr Kontrolle über den körperlichen Zustand der Profis zu haben. Wenn etwa ein Spieler von einer Verletzung zurückkehrt, soll es zukünftig festgelegte Fitnesswerte geben, die der Spieler erfüllen muss, um wieder einsteigen zu können. „Ob das einen positiven Effekt auf die Verletzungen hat, werden wir sehen.“

Andere Ansprache ans Team

Wenn es eine Konstante beim VfB gab, dann waren es die stark schwankenden Leistungen. Zwischen einem guten und einem schlechten Auftritt lag oft nur eine Partie, auch die nötige Einstellung hat dem ein oder anderen Profi des Öfteren gefehlt. Vor allem in der Hinrunde lief nicht viel zusammen. Gut möglich, dass sich manch ein Profi nach der starken Saison 2020/21 und dem guten Saisonauftakt (6:0 im DFB-Pokal und 5:1 gegen Fürth) zu sicher war. Es dauerte zu lange, bis der VfB im Abstiegskampf voll da war.

Pellegrino Matarazzo hat das erkannt und sagt deshalb: „Die neue Saison beginnt von Anfang an mit einer anderen Haltung, wir wollen von Anfang an den Druck hochhalten.“ Die Spieler sollen direkt zu Beginn das Gefühl haben, dass jeder Punkt überlebenswichtig sein kann. „Im Tagesgeschäft Bundesliga geht es nur um Ergebnisse“, erklärt der Trainer. Das habe er seinen Profis vor allem in der Hinrunde nicht gut genug vermittelt. Es brauche daher eine neue Balance zwischen Talententwicklung und einer härteren Gangart mit den Profis. Bundesliga bedeutet unbarmherziger Ergebnisfußball – und das muss den Spielern von Anfang an klar sein.

Viele Profis waren überspielt

Ein weiterer Kritikpunkt lautete über weite Teile der Saison: Einige Profis haben sich kaum bis gar nicht weiterentwickelt. Mateo Klimowicz konnte wie Roberto Massimo nicht an die Vorsaison anknüpfen. Orel Mangala spielte ebenfalls unter seinen Möglichkeiten und saß wegen Leistungsschwankungen teilweise auf der Bank.

„In der Hinrunde waren einige Talente überspielt und hatten ein Tief“, erklärt Matarazzo. Er hatte aber trotzdem die Hoffnung, dass diese Spieler den nächsten Schritt gehen. Das sei rückblickend ein Fehler gewesen, das habe er zu spät gemerkt. In der Winterpause änderte er deshalb die Formation und vertraute eher auf Mentalitätsspieler wie Atakan Karazor oder Pascal Stenzel. „Es ist sehr wichtig, Spielern auch mal Zeit für ihre Entwicklung zu geben.“

Luft nach oben in der Kaderplanung

Obwohl die Schwaben nominell über 30 Profis im Kader haben, wurde es an manchen Spieltagen eng mit dem Kader. Neben unzähligen Verletzten und Corona-Fällen kam dazu, dass viele Jungprofis noch nicht bereit für den Abstiegskampf waren. Es fehlten die konkurrenzfähigen, gestandenen Bundesliga-Profis. Hätte der VfB am Ende der Saison den Gang in die zweite Liga antreten müssen, wäre das einer der größten Kritikpunkte gewesen.

„Was die Kaderstruktur angeht, erkennen wir Sachen, die wir in Zukunft besser machen wollen“, erklärt Pellegrino Matarazzo. Man sei bereits in Gesprächen, um den VfB für die neue Spielzeit aufzustellen. „Es ist klar, dass uns ein oder zwei Spieler verlassen werden, dafür kommen aber neue dazu.“ Es ist noch nichts spruchreif, aber man arbeite „an guten Strukturen“, erklärt der VfB-Trainer. Eine Personalie, die bald geklärt werden soll, ist Omar Marmoush. Der Angreifer soll im Optimalfall weiter am Neckar spielen.

Abschlussschwäche der VfB-Profis

Pellegrino Matarazzo bringt es auf den Punkt: „Alleine in der Rückrunde hätten wir elf Tore mehr erzielen müssen, als wir erzielt haben.“ Er zieht dabei die Statistik der Expected-Goals heran, die deutlich besser war als die tatsächlich Ausbeute. „Auch gegen Köln hätten wir zur Halbzeit 4:0 führen müssen.“ Fakt ist: Hätte der VfB nur die Hälfte der vergebenen Großchancen genutzt, wäre der Nichtabstieg schon früher gesichert gewesen.

„Wir haben viele Spiele absolviert, wo wir gut waren und mehr verdient hätten“, so der Fußballlehrer. Er wolle dieses Problem durch neue Trainingsformen angehen, wie beispielsweise Torabschlüsse unter großem Druck simulieren. Aber auch der mentale Faktor soll mit einbezogen werden. „Der eine Spieler ist zu hektisch, dem anderen fehlt der Fokus – das ist bei jedem unterschiedlich und muss individuell trainiert werden.“