Niederlage im Topspiel bei RB Leipzig: Was dem VfB zur Spitzengruppe noch fehlt
Leipzig. Es war ein Spieltag, der zeigte, wie weit der VfB Stuttgart gekommen ist – und zugleich, was ihm zur absoluten Spitze noch fehlt. Das 1:3 bei RB Leipzig war keine Niederlage, die etwas zerstört. Aber eine, die vieles erklärt. Ein Spitzenspiel, das alles hatte, was dieses Wort verspricht: Tempo, Technik, Taktik, Intensität – und diese Momente, in denen sich entscheidet, wer die Nerven behält, wer präziser ist, wer reifer.
Der VfB war mutig, griffig, anfangs dominant. Leipzig stand tief, lauerte, konterte – und gewann, weil es im letzten Drittel zielstrebiger war und die Fehler des Gegners gnadenlos bestrafte. Die Schwaben dagegen spielten ein fast perfektes erstes Drittel der Partie, verpassten es aber, sich für den Aufwand zu belohnen. Als RB einmal durchkam, fiel das 0:1, später das 0:2 – und der Rest war ein Kampf gegen die Uhr.
Als Tiago Tomas nach seiner Einwechslung das 1:2 erzielte, war plötzlich wieder alles offen. Stuttgart rannte an, wollte den Ausgleich erzwingen, glaubte weiter an sich. Doch Leipzig blieb die Mannschaft, die in den entscheidenden Momenten ruhiger blieb. Und dann kam die Szene, die das Spiel endgültig entschied. Alexander Nübel hatte bis dahin ein überragendes Spiel gemacht. In den ersten Minuten rettete er gegen Raum und Romulo, hielt Stuttgart mehrfach im Spiel, dirigierte, beruhigte, strahlte. Und dann, in der ersten Minute der Nachspielzeit, der eine Moment, den kein Torwart will. Ein Rückpass, ein kurzer Blick, der Versuch, das spielerisch zu lösen – und der Ball landet beim Gegner. Romulo schiebt ein, 3:1, das Spiel entschieden.
So erklärt VfB-Keeper Alexander Nübel seinen Patzer
„Ich wollte ruhig bleiben und mir den Ball auf den rechten Fuß legen“, sagte Nübel später, „ Ich wollte es spielerisch lösen, war unnötig - spiele den Ball lang “ Kein Ausweichen, kein Herunterspielen. Nur Ehrlichkeit. Und Größe. Sebastian Hoeneß nahm seinen Torhüter sofort in Schutz: „Das war bitter für Alex, weil er ein Klasse-Spiel gezeigt hat. Wir werden nicht zulassen, dass das hängenbleibt.“
Es war einer dieser Sätze, die in Mannschaften etwas auslösen. Denn was man in Leipzig sehen konnte, war kein Einbruch, sondern eine Entwicklung. Der VfB ist inzwischen so stabil, dass selbst ein solcher Fehler keine tektonischen Folgen mehr hat. Er tut weh, natürlich. Aber er zerstört nichts.
Fehler vor Gegentoren können passieren, aber sie machen den Unterschied
Hoeneß sprach nach dem Spiel von einem „hochklassigen Duell mit viel Tempo“, davon, dass seine Mannschaft „von der fünften bis zur 30. Minute nahezu perfekt“ gespielt habe. Danach sei das Spiel offener geworden, Leipzig habe die Umschaltsituationen „sehr gut genutzt“. Man könne, so der Trainer, „viele positive Aspekte mitnehmen“. Und tatsächlich: Es war kein Abend, der Fragen aufwarf, sondern einer, der Antworten gab. Angelo Stiller brachte es auf den Punkt: „Die Fehler vor den Gegentoren können passieren.“ Aber sie machen den Unterschied. Leipzig war in den entscheidenden Sekunden schneller, klarer, wuchtiger. Stuttgart hatte mehr Ballbesitz, mehr Kontrolle – aber weniger Konsequenz. Es sind diese kleinen Dinge, die den Unterschied ausmachen zwischen einer sehr guten und einer wirklich großen Mannschaft.
Mit der Niederlage endet die Stuttgarter Serie von fünf Bundesliga-Siegen in Folge. Es bleibt die dritte Saisonniederlage – und der Eindruck, dass dieser VfB trotzdem auf dem richtigen Weg ist. 18 Punkte nach neun Spielen, die Mannschaft stabil, das Spielsystem gefestigt, der Glaube ungebrochen. Leipzig dagegen steht nach sieben Siegen und einem Remis aus den letzten acht Partien auf Platz zwei – ein Vereinsrekord für Trainer Ole Werner, der die Fehler des Saisonstarts längst korrigiert hat.
Kein Rückschlag, eher ein realistischer Zwischenstand
Und so steht am Ende ein Ergebnis, das nüchtern betrachtet verdient war – und trotzdem mehr erzählt als bloß eine Niederlage. Es erzählt von einer Mannschaft, die inzwischen weiß, dass sie mithalten kann. Die sich nicht mehr versteckt, auch nicht in Leipzig. Aber die auch weiß, dass sie noch lernen muss, die Spiele dieser Größenordnung zu gewinnen. Vielleicht war es deshalb gar kein Rückschlag, sondern ein realistischer Zwischenstand. Stuttgart ist auf Augenhöhe mit der Spitzengruppe, aber noch nicht Teil davon. Noch fehlt die Abgezocktheit, die Ruhe im Moment des Risikos, die Gnadenlosigkeit im Abschluss.
Und so war dieses 1:3 vor 5000 mitgereisten VfB-Fans kein Nachmittag des Scheiterns, sondern ein Nachmittag des Reifens. Einer, an dem man sah, dass der Weg stimmt – aber noch nicht zu Ende ist. Denn manchmal sind es gerade die Spiele, die man verliert, die am meisten zeigen, wie nah man dem Gewinnen schon ist.

 


