VfB Stuttgart

Präsentkorb statt Punkte: Verpatzter Bundesliga-Start als Warnsignal für den VfB

Fußball  FC Union Berlin vs. VfB Stuttgart
Der VfB verliert auch sein zweites Pflichtspiel der Saison. Nach dem 1:2 in Berlin fallen die Reaktionen milde aus. Das dürfte sich ändern, wenn es auch im Pokal bei einem Underdog schiefläuft. © Oliver Behrendt

Berlin. Viel Ballbesitz, viele Chancen – und trotzdem verliert der VfB Stuttgart den Bundesliga-Auftakt bei Union Berlin. Trainer Sebastian Hoeneß spricht von „okay“ und „gut“, doch am Ende bleibt ein 1:2. Und die Erkenntnis, dass sich Spiele nicht mit Statistiken gewinnen lassen. Schon am Dienstag im DFB-Pokal gegen Eintracht Braunschweig müssen die Schwaben deutlich weniger gastfreundlich auftreten, wenn der Titelverteidiger seinem Anspruch gerecht werden will.

Zwei Flaschen Fellbacher Wein und ein paar Süßigkeiten aus dem VfB-Shop hatte Fabian Wohlgemuth in einem Körbchen mit nach Berlin gebracht. Der Stuttgarter Sportvorstand gratulierte damit Union-Präsident Dirk Zingler zum 61. Geburtstag. Er konnte nicht ahnen, dass die Aufmerksamkeit nicht die einzigen Geschenke bleiben würden, die der VfB in der Hauptstadt verteilte. Drei Punkte, zu leichtfertig hergegeben, waren am Ende das eigentlich teure Präsent.

An der Alten Försterei wurde am Samstagnachmittag (23.08.) früh klar, dass es einer dieser Nachmittage werden würde, die den VfB Stuttgart noch lange verfolgen könnten. Konfetti, große Choreo, eine enge Atmosphäre – und ein Gegner, der nicht den schönsten Fußball versprach, aber den effizientesten. Stuttgart drückte, kombinierte, scheiterte, wiederholte sich. Union dagegen nutzte zwei Chancen, wie ein Dieb im Vorbeigehen, und raubte den Schwaben die Hoffnung. Ein 1:2, das sich nicht nur wie eine Niederlage anfühlte, sondern wie eine Lektion: In der Bundesliga reicht Spielfreude nicht, wenn die Kaltschnäuzigkeit fehlt.

Ein Plan mit drei Stürmern: VfB-Trainer Hoeneß hatte sich etwas getraut

VfB-Trainer Sebastian Hoeneß hatte sich etwas getraut. Er stellte mit Ermedin Demirović, Deniz Undav und Nick Woltemade gleich drei gelernte Angreifer auf, dazu kehrte Stammkeeper Alexander Nübel ins Tor zurück, der im Supercup gegen Bayern noch gefehlt hatte. Auch der jüngste Neuzugang Tiago Tomás saß auf der Bank. Die Botschaft war eindeutig: Stuttgart wollte in Berlin nicht reagieren, sondern diktieren.

Und zunächst sah es danach aus. Die Schwaben hatten Tempo, Rochaden, viel Ballbesitz. 68 Prozent, um genau zu sein. Dazu eine Fülle an Chancen: Chabot per Kopf, Vagnoman am langen Pfosten, Karazor frei vor dem überragenden Frederik Rönnow. Doch die Tore schoss Union. Erst Ilyas Ansah mit einem Sonntagsschuss aus 20 Metern, später nach einem Ballverlust von Mittelstädt das 2:0 – kalt und gnadenlos. Zwei Schüsse, zwei Treffer.

VfB-Kapitän Karazor: „Wir müssen härter verteidigen“

Der VfB verteidigte im eigenen Strafraum zu brav, im gegnerischen agierte er zu zaghaft. „Wir müssen härter verteidigen, härter am Mann bleiben“, sagte Kapitän Atakan Karazor nach der Partie. „Und wir müssen so viel tun, um ein Tor zu erzielen.“ Es war ein nüchterner, fast schmerzhafter Befund. Denn Stuttgart spielte Stuttgart-Fußball: schön, ambitioniert, aber naiv. Union spielte Union-Fußball: pragmatisch, unsexy, aber effizient. Das Ergebnis fiel entsprechend aus.

Der Joker und der Abseits-Schock

Als es längst zu spät war, brachte Hoeneß Tiago Tomás. Der Portugiese verkürzte mit einem sehenswerten Hackentor, der einzige Moment, in dem Rönnow geschlagen war. Kurz darauf schien Nick Woltemade in der Nachspielzeit doch noch den Ausgleich erzielt zu haben – bis der Linienrichter die Fahne hob. Abseits. Der Jubel dauerte wenige Sekunden, dann herrschte wieder Frust. Und Hoeneß saß nach dem Schlusspfiff lange auf der Bank, starrte ins Leere, maximal bedient.

Stuttgart verbuchte 21 Torschüsse, mehr als doppelt so viele wie Union, spielte dominant, erarbeitete sich Chancen – und verlor trotzdem. „Die zweite Halbzeit war gut, die erste okay“, fasste Hoeneß zusammen. Gute Zahlen, schöne Statistiken, aber eben ohne Wert. Wohlgemuth sprach von „Kopfthemen“ im Kader und mahnte, schnell wieder in die Spur zu kommen. Unruhe oder Panik sah er keine, aber er erinnerte daran, dass Effektivität und Konsequenz schon länger im Stuttgarter To-do-Ordner stehen.

Die VfB-Lektion von Köpenick

Und so war der Nachmittag in Köpenick eine Erinnerung daran, dass in der Bundesliga nicht der Hübschere gewinnt, sondern fast immer der Effizientere. Für Union war es ein Start nach Maß, für den VfB ein maximal nerviger Nachmittag, der als Warnsignal verstanden werden muss. Denn viel Zeit zum Grübeln bleibt nicht: Schon am Dienstagabend (20.45 Uhr/Sky) wartet Eintracht Braunschweig im Pokal. Ein Auswärtsspiel unter Flutlicht, ein Zweitligist mit nichts zu verlieren. Und ein Titelverteidiger, der sich keine weitere Fahrlässigkeit leisten darf. Sollte der VfB im Eintracht-Stadion ähnlich fahrlässig mit seinen Chancen umgehen, könnte das nächste Geschenk schneller verteilt sein, als ihm lieb ist.

Cheftrainer Hoeneß gibt sich pragmatisch: „Wir haben die Aufgabe, eine Runde weiterzukommen. Wir werden regenerieren und noch ein, zwei Impulse setzen.“ Fabian Wohlgemuth muss immerhin keinen Präsentkorb mehr mitbringen. Eintracht-Präsidentin Nicole Kumpis feiert erst im März Geburtstag.

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