VfB Stuttgart

VfB gewinnt, ohne zu glänzen gegen Tel Aviv: Die K.o.-Runde ist in Sichtweite

Fußball  VfB Stuttgart vs. Maccabi Tel Aviv
Maximilian Mittelstädt prägt den Abend: Erst bereitet er das 1:0 vor, dann verwandelt er den Elfmeter zum 3:0 – der Linksverteidiger ist Stuttgarts verlässlichster Impulsgeber. © Alexander Keppler

Stuttgart. Ein Hochsicherheitsspiel, Hubschrauber über dem Dach der MHP-Arena, Kontrollschleusen wie am Flughafen, und drinnen ein VfB Stuttgart, der die Pflicht abarbeitet, als sei sie eine Formsache. Was sie an diesem Europa-League-Abend auch ist: ein 4:1 gegen Maccabi Tel Aviv, ein großer Schritt Richtung K.o.-Runde. Unser Spielbericht zu einem in vielerlei Hinsicht seltsamen Europapokal-Abend.

Trainer Sebastian Hoeneß hat die englische Woche – die letzte dieses Jahres – genutzt, um seine Mannschaft noch einmal kräftig durchzuschütteln. Sechs Wechsel nach dem 0:5 gegen Bayern München am Wochenende, ein neues Gesicht, eine neue Statik. Jovanovic feiert sein Startelfdebüt, in der notdürftig zusammengehaltenen Innenverteidigung spielen Jeltsch und Hendriks. Chris Führich darf wieder ran, und überhaupt wirkt vieles an diesem Abend wie eine Prüfungsvorbereitung, die niemand zu ernst nehmen will.

Der VfB Stuttgart ist dominant, aber ohne Esprit

Das Spiel beginnt, wie Spiele beginnen, wenn der Favorit weiß, dass er der Favorit ist: etwas behäbig, etwas selbstgewiss. Tel Aviv, ein Gegner, der bislang nur einen Punkt eingesammelt hat, läuft viel, sortiert sich ordentlich, bleibt aber harmlos. Der VfB ist dominant, aber ohne Esprit – und ohne Torchance. Bis Mittelstädt zum ersten Mal Platz hat und Undav beinahe bedient, aber Heitor gerade noch dazwischenfährt. Es bleibt zäh, zumindest bis zur 24. Minute: Wieder Mittelstädt, diesmal mit einer Flanke, die Assignon volley versenkt. Ein Tor, das man „Lohn der Arbeit“ nennen kann, auch wenn die Arbeit bis dahin eher nach Kurzzeitvertrag ausgesehen hat.

Der Hubschrauber knattert weiter über dem Stadion, der VfB hat die Partie im Griff, ohne besonders viel darin zu hinterlassen. Mit noch zwei Liga-Spielen vor Weihnachten scheint Verwaltungsfußball ein plausibles Konzept. Tel Aviv bestätigt den Eindruck des Abends: ein Gegner, der kämpft, aber kaum Mittel hat. Undav scheitert einmal, dann kombinieren sich Undav und Stiller in der 37. Minute fein nach vorne, Tiago Tomas trifft im Fallen zum 2:0 – eine der seltenen Szene des Abends, in der der VfB so etwas wie Spiellaune andeutet.

Kurz vor der Pause dann eine Aktion, die das Stadion kurz wachrüttelt: Tiago Tomas wird im Strafraum klar getroffen, ein Elfmeter, wie er deutlicher kaum sein könnte – nur nicht für Schiedsrichter Marian Barbu. Auch der VAR sieht nichts. Eine groteske Entscheidung. Zur Halbzeit steht fest, was alle sehen: Der VfB ist überlegen in jedem denkbaren Kriterium. Taktisch, technisch, körperlich – ein Klassenunterschied. Und doch ein Spiel mit langen, sehr langen Phasen des Leerlaufs.

Schläfrig und behäbig: Schlechte VfB-Phase in der zweiten Hältfe

Nach Wiederanpfiff geht es kurz schneller. Handspiel, Elfmeter, Mittelstädt verwandelt sicher zum 3:0. Und dann – warum auch immer – hört der VfB auf, Fußball zu spielen. Vier Minuten später rutscht Jovanovic aus, Nübel greift nicht glücklich ein, und Roy Revivo trifft zum 1:3. Der Sohn der Legende Haim Revivo, fußballerisch völlig unverdächtig, die Statik des Abends zu verändern, tut genau das. Es beginnt eine Phase, die Hoeneß vermutlich lieber aus dem Spielplan streichen würde. Tel Aviv kommt zu Chancen, der VfB wirkt unsortiert, schläfrig, fast überrascht, dass der Gegner überhaupt existiert. Dor Peretz vergibt eine große Gelegenheit, und die 57.000 Zuschauer bekommen einen Abend serviert, der nun endgültig in Richtung „zerfahren“ kippt. Auch die Atmosphäre wird leiser – ein Europapokalspiel, das plötzlich wirkt wie ein Test am Mittwochvormittag. Immerhin dürfen die Schwaben noch einmal jubeln: In der Nachspielzeit köpft der eingewechselte Josha Vagnoman zum 4:1-Endstand ein.

Dass der VfB am Ende dennoch einen Riesenschritt macht, steht außer Frage. Zwölf Punkte nach sechs Spielen, zwischenzeitlich Platz sechs in der Gesamttabelle. Aufgrund der Ergebnisse aus den späteren Spielen rutschte der VfB im Lauf des Abends noch auf Rang neun. Mit Rom und Bern warten nun noch zwei Aufgaben, aber die Zwischenrunde dürfte Stuttgart durch den Sieg bereits sicher haben. Es bleibt ein durch und durch eigentümlicher Spieltag: ein souveräner Sieg, der sich nicht souverän anfühlt; ein Gegner, der kaum Widerstand leistet und dennoch Tohuwabohu verursacht; ein VfB, der weiterzieht – aber mit dem Gefühl, dass er dafür erstaunlich wenig zeigen musste. Manche Europapokalabende sind eben Pflichterfüllungen. Dieser war einer davon.

VfB Stuttgart - Maccabi Tel Aviv 4:1 (2:0)

VfB Stuttgart: Nübel - Assignon (89. Vagnoman), Jeltsch, Hendriks, Mittelstädt - Karazor, Stiller (62. Andrés) - Jovanovic (74. Bouanani), Tiago Tomás (62. El Khannouss), Führich - Undav (62. Leweling)

Maccabi Tel Aviv: Mishpati - Ben Hamo, Camara (71. Asante), Heitor, Revivo - Shahar, Ben Harush, Noy (46. Davida) - Varela (90.+2 Ben Simon), Abu Farkhi (80. Madmon), Andrade (46. Do. Peretz)

Schiedsrichter: Marian Barbu (Rumänien)

Zuschauer: 57.000

Tore: 1:0 Assignon (24.), 2:0 Tiago Tomás (37.), 3:0 Mittelstädt (50./Handelfmeter), 3:1 Revivo (52.), 4:1 Vagnoman (90.+4)

Gelbe Karten: Jovanovic (1), El Khannouss (2) / Camara (1), Ben Hamo (1)

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