VfB Stuttgart

VfB-Präsident Claus Vogt abgewählt: Das vorzeitige Ende einer turbulenten Amtszeit

Präsident Claus Vogt
Hat sein Amt verloren: Präsident Claus Vogt © Danny Galm

Das interne Ringen um die Aufarbeitung des Daten-Skandals, der große Machtkampf mit Thomas Hitzlsperger, der eskalierte Streit um den Vorsitz im Aufsichtsrat im Zuge des Porsche-Einstiegs, dazu Corona-Krise sowie sportlich Höhen und Tiefen: Die Amtszeit von Präsident Claus Vogt beim VfB Stuttgart war turbulent. Nun hat sie am Sonntag (28.07.) auf der Mitgliederversammlung ein vorzeitiges Ende gefunden. Der Unternehmer aus Waldenbuch wurde krachend abgewählt. Warum hat er sein Amt verloren und wie geht es jetzt am Wasen weiter?

Auf der Versammlung wirkte Vogt zunächst wenig kämpferisch, teilweise resigniert. Er ahnte wohl, was die Stunde geschlagen hat. Doch bei seiner Verteidigungsrede warf er noch einmal alles in die Waagschale. „Die Interessen der Mitglieder und des Kapitals können nicht immer dieselben sein – egal, wer hier oben steht“, sagte Vogt. Via Facebook zurückzutreten, sei einfach. Ein Seitenhieb gegen seinen Ex-Präsidiumskollegen Christian Riethmüller. „Aber hier zu stehen und Rechenschaft abzulegen, ist nicht einfach. Aber das habt Ihr verdient.“ Er habe versucht, „einen Kompromiss zu finden zwischen Kapital und Kurve.“ Es ist ihm am Ende nicht gelungen. 86 Prozent der 2243 stimmberechtigten Mitglieder stimmten für seine Abwahl. Ein überdeutliches Votum - um 14.11 Uhr ging er mit Tränen in den Augen von der Bühne. Auch sein Vize, das Präsidiumsmitglied Rainer Adrion, nahm nach einer verlorenen Vertrauensfrage seinen Hut. 

Warum VfB-Präsident Claus Vogt sein Amt verloren hat

Letztlich hat Vogt die Unterstützung derer verloren, die ihn 2019 auf den Präsidentenstuhl gehievt haben. Das Band zwischen Vereinsführung und den Mitgliedern, allen voran der aktiven Fanszene, hatte der 54-Jährige nach der Amtsübernahme vom hochumstrittenen und skandalumtosten Wolfgang Dietrich erst mühsam wieder geflickt. Dass es nun wieder gerissen ist, hat vor allem mit den Vorgängen um den Einstieg von Investor Porsche zu tun. Im Zuge dessen verlor Vogt sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender – daran war die Zusage des Sportwagenbauers aus Zuffenhausen wohl geknüpft. Wie es dazu kam, wer wann welche Absichtserklärung unterschrieben hat, darüber gibt es viele Versionen. Auch darüber, wie brisant die Finanzlage des Klubs im Sommer 2023 wirklich war.

Mitgliederversammlung des VfB: Fragen über Fragen und kaum Antworten

Welche Erzählung am Ende korrekt ist, wird wohl auf immer unklar bleiben. Bei der Basis kam jedoch an: Das sogenannte „Ausgliederungsversprechen“ – der Vorsitz im Kontrollgremium ist immer an das Präsidentenamt geknüpft – wurde gebrochen. Zudem wurde wie schon so oft verpasst, durch eine transparente und nachvollziehbare Kommunikation frühzeitig Druck vom Kessel zu nehmen. Wer daran wiederum welchen Anteil hatte, welche Rolle VfB-Vorstandschef Alexander Wehrle, der Stuttgarter Marketingboss Rouven Kasper und Porsche-Finanzvorstand Lutz Meschke und die neue Aufsichtsratsvorsitzende Tanja Gönner gespielt haben? Fragen über Fragen. Nur Antworten gibt und gab es kaum, auch nicht auf der Mitgliederversammlung – die übrigens in der Porsche-Arena stattfand. Was nicht weiter ungewöhnlich ist, mit Blick auf die Rolle des Automobilkonzerns in den letzten Monaten aber ein kurioser Randaspekt. 

Wenige Tage vor der MV hatte die größte Stuttgarter Ultragruppierung, das Commando Cannstatt 97, ihre Kritik an Vogt (und den übrigen e.V.-Verantwortlichen) noch einmal bekräftigt: „Unser Verein verdient ein Präsidium, das geschlossen und professionell im Sinne des VfB Stuttgart 1893 e.V. und seiner Mitglieder agiert, Führungsstärke beweist und Spannungsfelder moderiert. Claus Vogt und Rainer Adrion sind dazu nicht in der Lage. Der Verein braucht jetzt einen personellen Neuanfang.“ Der steht dem Traditionsverein nun ins Haus.

Vogt hat von Anfang an polarisiert. Unter seiner Führung gab es etliche Personalwechsel. Alte Seilschaften wurden gekappt, der Daten-Skandal sorgte sogar dafür, dass die Vorstände Stefan Heim und Jochen Röttgermann gehen musste, auch der einst mächtige Aufsichtsrat Wilfried Porth von Mercedes räumte seinen Posten. Für Ruhe sorgte all das aber nur phasenweise. Die jüngste Eskalation rund um den Porsche-Einstieg war dann wohl die eine zu viel. 2019 hatte Vogt einen zutiefst gespaltenen VfB übernommen und zwischenzeitlich Brücken wieder aufgebaut. Am Ende seiner Amtszeit steht aber ein erneuter Vertrauensbruch. Auch der AG-Boss Wehrle und die AR-Vorsitzende Gönner haben sich mit Vogt überworfen. Ironie der Geschichte: Beide hatte er zuvor überhaupt erst zum VfB gebracht.

Nach der Vogt-Abwahl: So geht es jetzt beim VfB Stuttgart weiter

Eine außerordentliche Mitgliederversammlung zur Nachwahl des Präsidenten kann laut Satzung erst mehr als drei Monate später stattfinden. Alexander Scheuch, Jura-Professor und Experte für Verbands- und Sportrecht an der Universität Bonn, erklärte im Vorfeld der MV gegenüber dem SWR: „Mitglieder können dem Vereinsbeirat – bzw. dem neu zu gründenden Wahlausschuss, wenn ein solcher durch die vorgeschlagene Satzungsänderung ins Leben gerufen wird – bis spätestens drei Monate vor der Mitgliederversammlung Vorschläge für geeignete Kandidaten machen. Die Bewerbungen und die Kandidaten müssen unterschiedliche Kriterien erfüllen, die es zu überprüfen und einzuhalten gilt. Bis es eine Präsidentenwahl gäbe, würde es also dauern.“ Da derzeit noch unklar ist, ob der Wahlausschuss kommt (Stand: 14.30 Uhr), gibt es diesbezüglich noch einen offenen Punkt.

„Der Vereinsbeirat wird am Montag, 29. Juli 2024, zusammentreten, beide Themen zügig sowie sorgfältig vorantreiben und die Mitglieder sehr zeitnah umfassend informieren“, heißt es vom Verein.

Gewappnet ist der Verein für ein solches Szenario. Als Präsident Wolfgang Dietrich 2019 infolge des WLAN-Gates und diverser Skandale gehen musste, bestellte der Vereinsbeirat übergangsweise einen Nachfolger. Damals den Vizepräsidenten Bernd Gaiser. Dieser Interimspräsident bleibt so lange im Amt, bis auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung eine Nachwahl stattgefunden hat. Der dann dort nachgewählte Präsident wäre zunächst für die verbleibende Amtszeit von Claus Vogt gewählt. Die geht bis zur ordentlichen MV in 2025.

Wird VfB-Ehrenpräsident Erwin Staudt die Interimslösung?

Auf genau diese Weise hat Vogt übrigens sein Amt in Nachfolge des zurückgetretenen Wolfgang Dietrich angetreten. Erst als Interimspräsident, der lediglich die Restamtszeit seines Vorgängers erfüllt, anschließend bei der „offiziellen“ Wahl 2021 dann für eine volle Amtsperiode von vier Jahren. Derweil kursieren bereits erste Name für eine mögliche Interimslösung im mit Blick auf die Vereinspolitik stets aufgeregten VfB-Umfeld, unter anderem Ehrenpräsident Erwin Staudt und Vereinsbeiratsmitglied Marc-Nicolai Schlecht.

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