Baden-Württemberg

"Die AfD hasst dieses Land": Debatte zu Demos und Correctiv-Recherche im Landtag

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Der Landtag von Baden-Württemberg. © Benjamin Büttner

Die Massen-Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD sowie die Enthüllungen des Recherche-Zentrums „Correctiv“ sind am Mittwoch (24.01.) Thema im Landtag von Baden-Württemberg gewesen. Bei der ersten Aktuellen Debatte des Jahres, die von der CDU beantragt worden war, zeigten sich die demokratischen Parteien geschlossen im Kampf für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die Fraktionsvorsitzenden fanden insbesondere deutliche Worte für die Vorhaben der rechtsextremen AfD. AfD-Fraktionschef Anton Baron schlug in seiner Rede verbal um sich und raunte über eine angebliche Verschwörung.

Manuel Hagel (CDU): „AfD ist eine rechtsextreme Partei“

„Die AfD ist eine rechtsextreme, rassistische und gegen die Würde des Menschen gerichtete Partei“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel in seiner Rede. „Eine Partei, gegen deren Hetze und deren Ziele wir uns wehren müssen.“ Menschen mit Einwanderungsgeschichte seien Teil der Mitte dieses Landes – ohne ihren Beitrag würde es in allen gesellschaftlichen Bereichen nicht funktionieren. „Rufen Sie doch mal in einem Krankenhaus oder Pflegeheim in Baden-Württemberg ‚Ausländer raus!‘ – da können Sie gleich das Licht mit ausmachen.“

Hagel spielte dabei nicht nur auf die Enthüllungen über ein rechtsextremes Geheimtreffen in Potsdam an, bei dem die Deportation von Millionen von Menschen besprochen worden sein soll. Was die AfD vorhabe, sei auch an anderer Stelle zu erfahren. Hagel nannte als Beispiel ein Zitat des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke: „Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt." Ein Zitat, das der CDU-Fraktionschef als „unglaublich widerlich“ bezeichnete.

Die deutsche Widerstandskämpferin Freya von Moltke habe mit Blick auf den Nationalsozialismus einmal gesagt: „Was die Deutschen verloren hatten, war das Gefühl dafür, dass sie für ihre eigene Gesellschaft verantwortlich sind." Dass rund eine Million Menschen am Wochenende gegen Rechtsextremismus demonstrierten, zeuge vom Bewusstsein für eine solche Verantwortung. Zur Wahrheit gehöre aber auch: „Die Demonstrantinnen und Demonstranten werden die Probleme nicht lösen, das ist Aufgabe von uns Politikern.“

Andreas Schwarz (Grüne): Demos sind „ein ganz wichtiges Symbol“

„Ein ganz wichtiges Symbol“ sieht auch der Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz in den großen Demonstrationen. „Gruppen, die in der Regel selten nebeneinander demonstrieren“, hätten sich am Wochenende zusammengetan. Vereint habe sie der Wunsch, die Demokratie gegen Rechtsextremismus zu verteidigen. Man wolle nicht, dass das liberale Baden-Württemberg weiter nach rechts rücke. „Das ist der Auftrag an uns in der Politik, da sind wir alle miteinander gefragt“, so Schwarz. Man müsse den Demonstrierenden nun zeigen, dass man ihre Stimme gehört habe.

„Es wird immer deutlicher, dass die AfD eben nicht auf dem Boden unserer Verfassung steht“, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende weiter. Die Versuche der Partei, die „Correctiv“-Enthüllungen kleinzureden, seien laut Schwarz nicht glaubwürdig. In seinen Augen sei es deshalb richtig, eine sorgfältige Prüfung eines Parteiverbots anzugehen. Dazu gehöre auch die Frage nach dem Verbot der Parteienfinanzierung. Im Hinblick auf die Nachwuchsorganisation der AfD, die „Junge Alternative“ sagte Schwarz: „Das ist ein durch und durch rechtsextremer Verein. Und einen durch und durch rechtsextremen Verein muss man verbieten.“

Andreas Stoch (SPD): „Die AfD ist eine Schande für unser Land“

Die Enthüllungen von „Correctiv“ hätten „unmenschlichen Hass und schreckliche Hetze offenbart“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Stoch. „Sie haben bei vielen Menschen in diesem Land, die seit Jahren und Jahrzehnten hier leben, pure Angst ausgelöst.“ Beim Geheimtreffen in Potsdam sei es darum gegangen, „wie 80 Jahre nach dem Ende der Nazi-Zeit wieder Menschen selektiert werden sollen.“

In seiner Rede bedankte Stoch sich ausdrücklich bei den Menschen, die auf den Straßen gegen Rechtsextremismus protestieren. „Wir erleben, dass so viele Menschen die Demokratie verteidigen, dass es selbst in Großstädten die Infrastruktur überfordert.“ So müsse man den Rechten entgegentreten. Nun sei wichtig, dass zur „Stärke des Moments auch die Dauer kommt“, sagte er. Demokraten müssten dafür trotz inhaltlicher Differenzen zusammenstehen.

„Das Ziel ist kein politischer Burgfrieden“, so Stoch. Leute würden Lösungen von der Politik erwarten, und darin, diese Lösungen zu bieten, müsse man in Zukunft besser werden. Dazu gehöre auch die Auseinandersetzung zwischen demokratischen Parteien. Aber die Grenze verlaufe nicht zwischen Unterschieden in Parteiprogrammen. Sie verlaufe dort, wo die freiheitlich-demokratische Grundordnung abgelehnt werde. „Die AfD hasst dieses Land, die AfD hasst diese Verfassung“, so Stoch. „Und deswegen sind sie eine Schande für unser Land.“ Jenseits des Grundgesetzes gebe es keine „Alternative“, die die AfD vorgibt zu sein. „Da gibt es nur Abgründe.“

Hans-Ulrich Rülke (FDP/DVP): „Das ist reinster Rassismus“

Der FDP/DVP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke sagte zu Beginn seiner Rede, er wolle keine „unangemessenen Vergleiche ziehen.“ Es seien „Rechtsradikale“, „Spinner“, und „Schwurbler“ gewesen, die sich in einer Villa in Potsdam getroffen hätten. Das sei „nicht das Gleiche wie die Wannseekonferenz vor gut 80 Jahren“. Manche hatten hinsichtlich der „Correctiv“-Enthüllungen von einer „Wannseekonferenz 2.0“ gesprochen. „Aber die Geschichte des Nationalsozialismus hat auch nicht mit der Wannseekonferenz angefangen.“

Zu Zeiten der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus habe man ein „langsames Sterben der Demokratie“ beobachten können, so Rülke. Deshalb sei es wichtig, „frühzeitig die Zeichen zu erkennen.“ Die demokratischen Kräfte müssten sich nun zusammenschließen, und auch dass die Bürgerschaft jetzt aufstehe, sei wichtig. „Wenn es nicht gelingt, vorzeitig den Anfängen zur wehren, dann kann es sein, dass sich in Deutschland Dinge wiederholen, von denen wir nicht geglaubt haben haben, dass es möglich ist.“

Rülke sieht Parallelen zum Madagaskar-Plan der Nazis

Welche Pläne die AfD verfolge, sei schon in der Vergangenheit deutlich geworden, sagte der FDP/DVP-Fraktionschef. Schon 2016 habe das Papier zum Programm „Fit 4 Return“ des Co-Landeschefs der AfD, Emil Sänze, „eine interessante geistige Nähe zum Madagaskar-Plan der Nationalsozialisten“ aufgewiesen. Die Nazis hatten damals erwogen, vier Millionen Juden nach Madagaskar zu deportieren. In seinem Papier sprach sich Sänze gegen Integration aus. Stattdessen schlug er vor, Asylbewerber in „ethnisch homogenen“ Gruppen in Lagern zu kasernieren, um sie unter Einschränkung ihrer Grundrechte auf ihre „Remigration“ vorzubereiten. Zuerst hatte damals die FAZ darüber berichtet. Parallelen zum Madagaskar-Plan wurden auch hinsichtlich der „Correctiv“-Recherche gezogen.

Dass sich hinter dem verharmlosenden Euphemismus der „Remigration“ Deportation und Vertreibung verbergen, darin waren sich die Redner der demokratischen Parteien einig. Dass die AfD das abstreiten werde, sah Hans-Ulrich Rülke voraus. „ [Anton Baron] wird sagen: Überhaupt kein Grund zur Beunruhigung, ist doch überhaupt nichts Neues, wir wollen doch nur die abschieben, die sowieso abgeschoben werden sollen.“ Das sei nicht zutreffend und Teil der üblichen Strategie: „Menschenverachtende, rassistische Positionen beziehen und dann hinterher behaupten, war nicht so gemeint. Aber das lassen wir ihnen nicht durchgehen.“

Anton Baron (AfD): „Hass-Kampagne“ und Verschwörungsgeraune

Und so kam es dann auch: AfD-Fraktionschef Baron sagte in seiner Rede, der CDU-Fraktionsvorsitzende Hagel könne mit seiner Rede „das neue Gesicht der Linksextremen sein“. Er sprach von einer „Schmutzkampagne“ gegen seine Partei, von „Stasi-Methoden“ statt journalistischer Recherche und raunte gar von Verschwörung, von einem „gestellten Schmierentheater“. Zitat Baron: „Welcher Aufwand betrieben wird, um aufstrebende Oppositionsparteien in eine Falle zu locken, weiß man ja spätestens seit der Ibiza-Affäre.“

Auch sonst teilte Baron kräftig aus – und blieb damit den Reaktionen seiner Partei auf die „Correctiv“-Recherche und die Massen-Demos treu. „Hass-Kampagne“ und „Propagandasender“ hier, „Linksradikale“ dort. Man wolle nur geltendes Recht bei Asyl- und Migrationsfragen anwenden. Massenhafte Abschiebungen würden auch Kanzler Olaf Scholz oder der CDU-Abgeordnete Jens Spahn fordern. Mit dem Begriff der Deportation werde aber versucht, eine Nähe zur NSDAP zu konstruieren. Aus seiner Sicht alles Lüge. Während der Rede des AfD-Fraktionschefs musste Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) mehrfach Ruhe im Saal einfordern. Als Baron sagte, bei der AfD sei „inhaltlich nichts zu beanstanden“, brach Gelächter aus.

Innenminister Thomas Strobl (CDU): „Der Nazi warnt vor Nazis“

Den Abschluss der Debatte machte Innenminister Thomas Strobl (CDU), der seinen Parteikollegen Hagel angesichts des „Linksextremismus“-Vorwurfs zu Gelassenheit ermutigte. Die AfD blicke eben „aus der Froschperspektive aus dem braunen Sumpf“ auf die Parteienlandschaft. Auch dass Björn Höcke die aktuellen Demonstrationen mit den Fackelmärschen der Nazis 1933 vergleicht, sei so zu erklären. „Höcke diffamiert damit hunderttausende Menschen“, so Strobl. „Der Nazi warnt vor Nazis.“

Es werde wieder in brauner Kleidung durch die Straßen gegangen, um SA-Uniformen zu imitieren, während in einer Partei über Deportationen diskutiert werde, so der Innenminister. Im Gegensatz zur Weimarer Republik habe man heute aber Werkzeuge, um das Grundgesetz zu schützen: Parteiverbote, die Möglichkeit, Grundrechte auszusetzen oder die Parteienfinanzierung zu entziehen, wie es gerade mit der ehemaligen NPD geschehen sei. Viele Menschen seien nun außerdem auf der Straße, um die Freiheit und die Verfassung zu verteidigen. „Demokratie braucht vor allem engagierte Demokraten“, so Strobl – sonst werde sie nicht überleben.

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