Hakenkreuze und Kinderpornos: Wo in BW noch wegen Polizei-Chats ermittelt wird
Seit Ende 2022 wird in Baden-Württemberg gegen mehrere Polizistinnen und Polizisten ermittelt. Die Vorwürfe wiegen schwer. Im Zentrum der Ermittlungen stehen neben rechtsextremen Inhalten in Chatgruppen mittlerweile auch kinderpornographische Aufnahmen. Ein Großteil der Polizeipräsidien im Land ist von den Ermittlungen betroffen, darunter auch das für den Rems-Murr-Kreis zuständige Polizeipräsidium Aalen. Wie ist der aktuelle Stand der Verfahren? Welche Konsequenzen gab es bereits? Ein Überblick.
Hakenkreuze und Hitler-Bilder: Wie die Ermittlungen begannen
Die Ermittlungen begannen Ende Oktober 2022. Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium Ulm ermittelten gegen einen 28-jährigen Polizeibeamten wegen der „Verbreitung mehrerer Abbildungen von Hitler und Hakenkreuzen über einen Messengerdienst in verschiedenen Chatgruppen“, wie es damals aus dem Innenministerium hieß.
Die Ermittlungen weiteten sich schnell aus. Weitere Beamte gerieten in Verdacht, es gab Durchsuchungen, Handys wurden beschlagnahmt. Mehrere tausend Chatgruppen wurden laut Innenministerium geprüft, 13 davon waren nach Ansicht der Ermittler strafrechtlich relevant. Es wurden offenbar auch kinderpornographische Inhalte entdeckt. Insgesamt wurden gegen 15 Polizistinnen und Polizisten strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Sie sind bei den Präsidien in Aalen, Ulm, Reutlingen, Pforzheim und dem Polizeipräsidium Einsatz beschäftigt.
Polizei-Chatgruppen: Was wurde aus den Strafverfahren?
Neben der strafrechtlichen Dimension gibt es auch noch eine dienstrechtliche. Im Dezember 2022 hatte man 48 Polizisten und 27 Polizistinnen als Teilnehmer der Chatgruppen identifiziert. Das geht aus einer Stellungnahme des Innenministeriums auf einen FDP/DVP-Antrag im Landtag hervor. Es wurden Disziplinarverfahren eingeleitet. Damit waren neben den bereits genannten auch die Polizeipräsidien Heilbronn, Konstanz, Ludwigsburg, Ravensburg, Stuttgart, die Hochschule für Polizei und eine Polizeidienststelle außerhalb der Landespolizei betroffen.
Was wurde aus den Strafverfahren? Wir haben die beteiligten Staatsanwaltschaften gefragt. Demnach wurde bislang ein Polizist verurteilt. Strafverfahren gegen mindestens fünf Polizisten laufen noch. Mindestens sieben Verfahren wurden bereits eingestellt. In zwei Fällen ist der aktuelle Stand des Verfahrens unbekannt.
Urteil in Ulm: Geldstrafe wegen Volksverhetzung
Vor dem Amtsgericht Ulm wurde ein Polizist des Polizeipräsidiums Ulm rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Wie die Staatsanwaltschaft Ulm auf Nachfrage mitteilte, sah das Gericht die Tatbestände Volksverhetzung sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen als erfüllt an.
Laufende Verfahren: Was den Polizisten vorgeworfen wird
Die Staatsanwaltschaft Ulm ermittelt gegen einen Polizisten des Präsidiums Ulm und zwei Beamte des Präsidiums Einsatz. Ihnen werde „Verbreitung kinderpornographischer Inhalte, Volksverhetzung, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen, Gewaltdarstellung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisation“ vorgeworfen, so ein Sprecher.
Die Staatsanwaltschaft Heilbronn ermittelt gegen einen Polizisten des Präsidiums Aalen wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Das teilte eine Sprecherin auf Nachfrage mit.
Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt gegen einen Polizisten des Präsidiums Reutlingen. „Stand jetzt dürfte im hier zu ermittelnden Fall eine Strafbarkeit wegen des Verdachts der Verbreitung von Kennzeichen verfassungswidriger Ordnung mangels Verbreitung nicht gegeben sein“, so ein Sprecher. Mit dieser Begründung wurden in der Vergangenheit bereits mehrfach Ermittlungen gegen Polizisten im Zusammenhang mit Chatgruppen eingestellt. „Im Rahmen der noch laufenden Ermittlungen wird jedoch auch noch das Vorliegen anderer Straftatbestände geprüft.“
Eingestellte Verfahren: Wo nicht mehr gegen Polizisten ermittelt wird
Die Staatsanwaltschaft Ulm hat vier Strafverfahren gegen je zwei Polizisten der Polizeipräsidien Ulm und Einsatz eingestellt. Als Grund wurde der Mangel an Nachweisen für die Straftatbestände – unter anderem Volksverhetzung und Besitz kinderpornographischer Inhalte – angegeben. Einzelheiten dazu, wie sich dieser Mangel an Nachweisen konkret äußerte, erteilte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage nicht.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat ein Verfahren gegen eine Polizistin des Präsidiums Reutlingen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Das hatte unsere Redaktion bereits im März durch einen Sprecher erfahren. Gegenstand des Verfahrens war der Vorwurf des Besitzes kinderpornographischer Inhalte gewesen.
Die Staatsanwaltschaft Hechingen hat Ermittlungen gegen einen Polizisten im Juli 2023 eingestellt, „da eine Straftat bei dem Beamten nicht vorlag“. Um welchen Verdacht es dabei ging, und welchem Präsidium der Polizist angehörte, will ein Sprecher „aus Rücksicht auf das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten“ nicht mitteilen.
Die Staatsanwaltschaft Pforzheim hat Ermittlungen gegen einen Polizisten des Präsidiums Pforzheim eingestellt. "Dieser geriet in Verdacht, im Besitz einer kinderpornographischen Datei zu sein, die ihm zuvor in einer Chatgruppe zugesendet worden war", so ein Sprecher. Der Polizist habe das Bild "nach Empfang gelöscht". In weiteren Chatgruppen seien dem Polizisten drei Bilddateien mit nationalsozialistischem Hintergrund zugeschickt worden, die er nicht weiterverbreitet habe. "Insgesamt war zudem zu prüfen, ob sich der betreffende Polizeibeamte möglicherweise durch die unterbliebene Meldung der ihm zugesandten Dateien der Strafvereitelung (im Amt) schuldig gemacht hat." Auch hier habe sich kein hinreichender Tatverdacht ergeben, insbesondere weil "die fraglichen Chatgruppen trotz der Zugehörigkeit zahlreicher Polizeibeamter auf einen rein privaten Austausch ausgelegt waren."
Zwei Ermittlungsverfahren gegen Polizisten: Stand aktuell unklar
In zwei weiteren Fällen ist noch unklar, wie der aktuelle Stand des Strafverfahrens lautet. Antworten auf Anfragen unserer Redaktion bei den zuständigen Staatsanwaltschaften stehen noch aus.