Baden-Württemberg

Lückenhafte Listen: AfD macht Geheimnis aus Kommunalwahl-Kandidaten in Baden-Württemberg

Kopie von AfD Demo Stuttgart 12.11. Marktplatz Markus Frohnmaier
AfD-Landessprecher Markus Frohnmaier leitete in Aulendorf kürzlich eine Versammlung, von der die Presse ausgeschlossen wurde. Ob am Ende Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahl gewählt wurden? Unklar. Der Vorfall passt zum Vorgehen der Partei in Baden-Württemberg © ZVW/Gabriel Habermann (Archiv)

Die AfD im Ostalbkreis ist mit ihrer Geheimniskrämerei um die Kommunalwahl-Listen nicht allein: Auch andere AfD-Kreisverbände in Baden-Württemberg halten sich erstaunlich bedeckt, wenn es um ihre Kandidatinnen und Kandidaten für die anstehenden Wahlen geht. Das zeigen unsere Recherchen. In einem Fall wurde für die Geheimhaltung möglicherweise sogar gegen die eigene Satzung verstoßen.

Schwäbisch Gmünd und Aalen: AfD gibt keine Auskünfte

Zur Erinnerung: Wir hatten kürzlich berichtet, dass die AfD in Aalen und Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis jeweils mit einer Liste zur Gemeindewahl antreten will. Diese Listen wurden als Wahlvorschlag bereits eingereicht, was die Partei auch öffentlich kommuniziert hat. Wonach man vergeblich suchte: Die Namen aller Kandidatinnen und Kandidaten, die zur Wahl stehen sollen. Nur die obersten Listenplätze wurden genannt. Die Gmünder Tagespost bat man, nicht mehr nachzufragen. Unserer Redaktion sagte der Landtagsabgeordnete Ruben Rupp auf Nachfrage, man gebe "extrem linken, unseriösen Aktivisten" keine Auskünfte, die die AfD eine rechtsextreme Partei nennen.

Anmerkung der Redaktion: Warum es sich nach Einschätzung unseres Redakteurs bei der AfD um eine rechtsextreme Partei handelt, wird hier ausführlich begründet. In Baden-Württemberg gilt die Partei dem Landesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall.

AfD in Personalnot? Werben um die Partei-Mitgliedschaft vor der Kommunalwahl

Die rechtsextreme AfD hat in den letzten Monaten einiges an Aufwand betrieben, um Menschen zu einer Mitgliedschaft in der Partei zu bewegen. Als im Oktober Europawahl-Spitzenkandidat Maximilian Krah in Schwäbisch Gmünd auftrat, wurde mehrfach auf ausliegende Mitgliedsanträge hingewiesen. Parallel dazu berichteten die Journalistinnen Maria Fiedler und Ann-Katrin Müller im Oktober im Spiegel: "Die AfD träumt von der Macht – hat dafür aber zu wenig Leute." Einigermaßen kompetente Kandidaten für politische Ämter seien Mangelware. 

Nun veröffentlichen AfD-Kreisverbände in Baden-Württemberg immer mehr Beiträge zu teilweise wohl bereits eingereichten Listen für die Kommunalwahl 2024. In manche Gremien will man zum ersten Mal einziehen, für die Wahl zu anderen wurden laut Partei mehr Kandidatinnen und Kandidaten gefunden als bei der letzten Kommunalwahl. Unklar bleibt: Wer steht da eigentlich zur Wahl? 

Presse im Kreis Ravensburg ausgeschlossen: Verstoß gegen AfD-Satzung?

Im Kreis Ravensburg wird die AfD bei der Kommunalwahl 2024 voraussichtlich das erste Mal antreten. Anfang März traf man sich laut Schwäbische Zeitung zur Aufstellungsversammlung in Aulendorf. Die Journalisten waren nicht eingeladen, bekamen aber über ein AfD-Mitglied Wind von der Versammlung, für die nicht öffentlich geworben worden war. " Als es spannend wurde, wurde die Presse ausgeschlossen", schreibt die Zeitung. "Ein Verstoß gegen die eigene Satzung." 

In der Satzung des AfD-Kreisverbands steht, dass Kandidatinnen und Kandidaten für Wahlen in öffentlichen Versammlungen aufgestellt werden müssen. Der Ausschluss der Presse könnte ein Verstoß gegen diese Bestimmung sein – sofern überhaupt eine Aufstellung stattgefunden hat. Das ist aktuell nicht bekannt. Im Kommunalwahlgesetz ist festgelegt, dass Sie bei Einreichen des Wahlvorschlags eine eidesstattliche Versicherung abgeben müssen, die besagt, „dass die Wahl der Bewerber und die Festlegung ihrer Reihenfolge […] unter Einhaltung der Bestimmungen der Parteisatzungen durchgeführt worden sind.“ 

Gibt es nun eine AfD-Liste für den Kreistag in Ravensburg? Oder für Gemeinderäte? Was ist mit dem möglichen Verstoß gegen die Satzung? Auf eine Anfrage unserer Redaktion antwortet der Vorstand knapp: "Zu gegebener Zeit werden vom Kreisverband Ravensburg Informationen versendet."

Kreis Lörrach: Neun Wahlkreise mit AfD-Liste – aber kaum Namen

Im Landkreis Lörrach hält sich die AfD ebenfalls bedeckt: In Rheinfelden will man in den Gemeinderat einziehen, berichtet das Verlagshaus Jaumann. "14 der laut AfD 16 Kandidaten auf der Liste wollen aber noch nicht namentlich genannt werden." Für den Gemeinderat Lörrach hat die AfD angeblich eine Liste mit 17 Namen als Wahlvorschlag eingereicht. Nur fünf werden in einem Bericht des Verlagshauses Jaumann genannt. Spitzenkandidat Wolfgang Koch habe den Journalisten gegenüber relativiert, dass die Presse nicht zur Aufstellungsversammlung eingeladen wurde – "man habe nichts zu verbergen." In Weil am Rhein tritt die AfD laut "Badische Zeitung" ebenfalls mit einer eigenen Liste an. Sechs von 11 Kandidatinnen und Kandidaten werden laut Bericht nicht genannt. Insgesamt tritt die AfD in neun Wahlkreisen im Landkreis an, so das Verlagshaus Jaumann

Warum nennt man nur ein paar der Namen? Auf eine Anfrage an den Kreisverband antwortet Dr. Michael Blos, Spitzenkandidat der AfD-Liste in Rheinfelden. Er raunt von einer Art Verschwörung: Es gebe eine "Kampagne" gegen seine Partei, von Medien und "der politischen Konkurrenz", die nach seiner Ansicht "Hand in Hand orchestriert" wird, um "die AfD klein zu halten". Er klagt über Bedrohungen und Einschüchterungen gegenüber Menschen, die der AfD Räumlichkeiten zur Verfügung stellen sowie Angriffe "auf unsere Mitglieder". Blos sagt: "Unter dieser Gemengelage haben eben einige der Kandidaten entschieden, dass Sie aufgrund von Repressalien, zum Beispiel durch den Arbeitgeber, ihren Namen nicht Monate vor der Wahl in der Zeitung veröffentlicht haben möchten."

AfD im Bodenseekreis: Viele Gesichter, keine Namen

Im Bodenseekreis hat die AfD nach eigenen Angaben bereits Mitte Februar 40 Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl des Kreistags nominiert. Das geht aus einem Facebook-Beitrag des Kreisverbands hervor, in dem nur der Name des Versammlungsleiters genannt wird. Auf einem Bild sind mutmaßlich 17 der Nominierten zu sehen. In Überlingen im Bodenseekreis wurden laut Kreisverband ebenfalls bereits Kandidaten für die Liste zur Gemeinderatswahl gefunden. Im dazugehörigen Facebook-Post findet man diese Liste nicht. Es gibt lediglich ein Foto, das möglicherweise die Kandidatinnen und Kandidaten zeigt. Eine Begründung für diese Entscheidung sucht man vergeblich. Eine Anfrage unserer Redaktion an den Kreisverband blieb bislang unbeantwortet.

Jetzt muss man festhalten: Die AfD handhabt das nicht flächendeckend so. Es gibt einige AfD-Listen, die vollständig öffentlich sind. Aber es fällt auf, dass es sich bei geheim gehaltenen Listen nicht nur um Einzelfälle handelt: Die Geheimniskrämerei um Kandidatinnen und Kandidaten hat bei manchen Kreisverbänden Methode. Die Gründe dafür werden nur selten genannt. Das Vorgehen ist in jedem Fall ungewöhnlich. Vor Kommunalwahlen werben Parteien, Vereinigungen und Bündnisse in der Regel aktiv mit den Namen um Stimmen.

Kommunalwahl 2024: Werden die AfD-Listen noch öffentlich? 

Ewig geheim halten kann die AfD ihre Kandidatinnen und Kandidaten nicht: Die Listen werden dem zuständigen Wahlausschuss vorgelegt. Der Wahlausschuss prüft die Listen, lässt sie zu oder weist sie zurück. Das muss in Baden-Württemberg spätestens bis zum 59. Tag vor der Wahl passieren, die am 9. Juni stattfindet. In Schwäbisch Gmünd tagt der Ausschuss beispielsweise am 3. April, in Aalen am 4. April, wie die Städte auf Nachfrage mitteilten. In der Regel werden dann einige Tage später die Listen veröffentlicht. Spätestens dann wird klar sein, wen die AfD nominiert hat. 

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