Reichsbürger-Razzia: Waffen, Gewalt, Tod – so weit gingen die Terror-Pläne
Es ist der wohl größte Anti-Terror-Einsatz in der Geschichte der Bundesrepublik: Am Mittwochmorgen (07.12.) nahmen Ermittler 25 mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung fest. Laut zuständigem Generalbundesanwalt erfolgten die Festnahmen in Deutschland, Österreich und Italien. „Die meisten Festnahmen erfolgten in Baden-Württemberg“, sagte ein Sprecher auf Nachfrage. Bei den Verdächtigen soll es sich um Reichsbürger, Querdenker und andere Verschwörungsideologen handeln, die einen gewaltsamen Staatsstreich planten. Die Hintergründe.
Die Pläne: Bundestag angreifen, Politiker töten
Die Beschuldigten sollen laut Generalbundesanwalt zu einer terroristischen Vereinigung gehören, die sich spätestens Ende November 2021 gegründet hat. Ziel der Gruppe sei gewesen, die demokratische Grundordnung gewaltsam zu beseitigen – auch durch das Töten staatlicher Repräsentanten. Auch ein bewaffneter Angriff auf den Bundestag sei möglicherweise geplant gewesen, so der Generalbundesanwalt.
Anstelle des bestehenden Systems sollte eine Staatsform nach Vorstellungen der Reichsbürger-Bewegung treten. Zuständig für die Ausarbeitung dieses Systems sei ein „Rat“ gewesen, dessen Mitglieder sich regelmäßig im Verbogenen getroffen hätten, um die Machtübernahme zu planen. Auch Pläne für mögliche Posten in einer Übergangsregierung seien ausgearbeitet worden.
Der Umsturz: Soldaten im „militärischen Arm“
„[Die] gewaltsame Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen soll durch Angehörige eines ‚militärischen Arms‘ durchgeführt werden“, so der Generalbundesanwalt. Hierfür seien die Beschaffung von Ausrüstung, Schießtrainings und der Aufbau eines Systems von „Heimatschutzkompanien“ im ganzen Bundesgebiet geplant gewesen.
„Im Fokus der Rekrutierungsbemühungen der Vereinigung standen vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei“, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung. Aktive und ehemalige Soldaten gehörten auch zum Kreis der Beschuldigten. Im Sommer 2022 habe es mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg gegeben, bei denen für die Ziele der Gruppierung geworben worden sein soll. Im Oktober 2022 sollen Angehörige des „militärischen Arms“ Kasernen der Bundeswehr in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern ausgekundschaftet haben.
Wo die Treffen in Baden-Württemberg stattfanden, will ein Sprecher des Generalbundesanwalts auf Nachfrage nicht beantworten. Und die Kasernen? Wie ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) der dpa am Mittwoch bestätigte, wurde die Graf-Zeppelin in Calw im Rahmen der Razzia durchsucht. Ein Angehöriger des Kommandos Spezialkräfte (KSK) werde von den Ermittlern ebenfalls verdächtigt. „Er war in der Bundeswehr bereits als Impfgegner aufgefallen und später aus der Truppe heraus gemeldet worden“, so die dpa.
Die Festnahmen: „Baden-Württemberg ist ein Schwerpunkt“
Von den 25 Festgenommenen Personen werden laut Generalbundesanwalt 22 der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verdächtigt. Zwei davon gelten als Rädelsführer. Drei weitere Festgenommene sollen die Gruppierung unterstützt haben. Zudem seien Objekte von 27 weiteren Personen durchsucht worden, gegen die der Anfangsverdacht einer Mitgliedschaft oder Unterstützung bestehe, so die Ermittler.
„Baden-Württemberg ist ein Schwerpunkt“, sagte ein Sprecher des Generalbundesanwalts auf Nachfrage. Acht der 25 Festnahmen gab es demnach im Südwesten – mehr als in jedem anderen Bundesland. Der Rems-Murr-Kreis und die Region Stuttgart seien aber nicht betroffen. Wie die Südwest-Presse berichtet, hat es Durchsuchungen im Raum Pforzheim, im Breisgau, den Landkreisen Freudenstadt und Rottweil sowie weiteren Gegenden gegeben.
Die Rädelsführer: Adliger und Ex-Soldat
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge soll es sich bei den mutmaßlichen Rädelsführern um einen deutschen Adligen und einen ehemaligen Soldaten handeln.
Der Adlige Heinrich XIII. Prinz Reuss (71) fällt seit längerem mit Reichsbürger-Thesen auf und wurde den Berichten zufolge als Staatsoberhaupt der geplanten Regierung nach dem Umsturz gehandelt. Als zweiten Rädelsführer nennt die Bundesanwaltschaft Rüdiger von P., bei dem es sich laut Medienberichten um einen ehemaligen Fallschirmjäger-Kommandeur handelt. Er soll laut Generalbundesanwalt den „militärischen Arm“ angeführt haben.
Zu den festgenommenen mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppierung gehört laut „Zeit“ auch die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann.
Die Ideologie: QAnon, Reichsbürger und Querdenker
„Die Mitglieder der Gruppierung folgen einem Konglomerat aus Verschwörungsmythen bestehend aus Narrativen der sog. Reichsbürger- sowie QAnon-Ideologie“, so der Generalbundesanwalt. Sie seien demnach der Überzeugung, dass Deutschland von einem „Deep Staate“ regiert werde und sie über eine neue staatliche Ordnung mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs verhandeln müssten.
Mehrere mutmaßliche Mitglieder waren im Querdenker-Milieu aktiv und besuchten entsprechende Demos. Darunter befinden sich laut ARD und SWR auch ein ehemaliger Soldat und ein ehemaliger Polizist.
Die Ermittlungen: Verbindung zu „Vereinte Patrioten“?
„Die festgenommenen Beschuldigten werden heute und morgen dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihnen die Haftbefehle eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird“, heißt es in der aktuellen Pressemitteilung. In einem Pressestatement sagte Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittag, dass bei acht der Festgenommenen, bereits Untersuchungshaft angeordnet worden sei – darunter auch der mutmaßliche adlige Rädelsführer.
Die Ermittlungen zu den Hintergründen dauern an. Laut Peter Frank wurde bei den insgesamt 150 Durchsuchungen "umfangreiches Material" sichergestellt, dass nun ausgewertet werden müsse.
Die Verbindungen: Bezüge zu "Vereinte Patrioten"?
Übereinstimmenden Medienberichten zufolge stehen die heutigen Festnahmen und Durchsuchungen in Verbindung mit einem weiteren Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts: Dem der Gruppe „Vereinte Patrioten“, die neben einem Umsturz auch die Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach geplant haben soll.