Flughafen Stuttgart: Unwissenheit oder Schmuggel? Was der Zoll in Koffern findet
Ob Drogen, Gold oder Lebensmittel: Zoll-Beamte am Flughafen Stuttgart finden immer wieder Erstaunliches im Gepäck von Fluggästen. Auch wenn Reisende die Kontrollen eher als unangenehm empfinden, haben diese doch ihr Gutes. Warum? Das zeigt ein Fund aus dem Jahr 2019: Zwei Reisende versuchten, rund 170.000 Glasaale nach Vietnam zu schmuggeln, sagt Jan Westphal, Zoll-Beamter am Flughafen Stuttgart. Dabei handelt es sich keinesfalls um den einzigen kuriosen Fund.
48 Tüten mit Glasaalen in vier Gepäckstücken
Die beiden Männer aus Vietnam hatten vier Gepäckstücke aufgegeben, erinnert sich Westphal. Bei der Sicherheitskontrolle wurden die Beamten auf den ungewöhnlichen Inhalt der Koffer aufmerksam. Insgesamt befanden sich in den Koffern 48 Tüten mit Glasaalen. Die Tüten waren speziell präpariert, so dass die Tiere mit genügend Sauerstoff versorgt wurden. Gleichzeitig wurden die Tüten gekühlt, so dass die Aale weniger Sauerstoff benötigten.

„Die Jungfische gelten im asiatischen Raum als Spezialität“, erklärt Jan Westphal. In Deutschland sind die Fische gesetzlich geschützt. Der Handel mit Europäischen Aalen ist außerhalb Europas verboten.
Verstoß gegen Artenschutz
Nachdem die Beamten die Glasaale beschlagnahmt hatten, wurden diese in Abstimmung mit dem Bundesamt für Naturschutz in Karlsruhe am Hafen wieder ausgesetzt. Gegen die beiden Besitzer der Koffer ermittelte der Zoll wegen des Verstoßes gegen den Artenschutz. Später habe sich herausgestellt, dass die Männer einer organisierten Bande angehörten. An anderen Flughäfen habe es weitere Beschlagnahmungen gegeben.

Wie oft kommt Tierschmuggel am Flughafen Stuttgart vor?
„Die Anzahl der Aufgriffe richtet sich nach Jahreszeit und Personen“, erklärt Jan Westphal. Am Flughafen Stuttgart gebe es im Schnitt zwischen 40 und 100 Artenschutzaufgriffe. Stuttgart ist ein „Drehkreuzendflughafen“, das bedeutet, dass Fluggesellschaften ihn als Umsteigeflughafen zwischen Flugstrecken nutzen. Je nach Saison werden in Stuttgart hauptsächlich Korallen, manchmal auch lebende Schildkröten aus Nordafrika oder aus der Türkei mitgebracht. Hin und wieder komme es auch vor, dass Fluggäste Vögel, wie zum Beispiel einen Papagei, im Gepäck hätten.
Tierschädel von streng geschützter Art als Souvenir im Koffer
„Da stecke aber nicht immer eine kriminelle Absicht dahinter“, sagt Matthias Krebs, stellvertretender Pressesprecher beim Hauptzollamt Stuttgart. Häufig komme es vor, dass Reisende unwissentlich irgendetwas mitnehmen, weil sie es schön finden. „Letztes Jahr gab es so einen Fall. Zwei Reisende aus Südafrika waren am Strand spazieren. Dort fanden sie zwei Tierschädel, die sie als Urlaubs-Souvenir mitbrachten“, erzählt Matthias Krebs. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich bei den Tieren um eine streng geschützte Art handelte. Folglich mussten die Beamten die Schädel beschlagnahmen.
Was versuchen Reisende besonders häufig am Zoll vorbei einzuführen?
„Das bestimmt ein Stück weit der aktuelle Flugplan, also was an Direktanbindungen in Stuttgart reinkommt“, so Jan Westphal. Vor Corona gab es Aufgriffe aus Nordafrika, der Türkei, Russland, aber auch aus den USA. „Die meisten Strafverfahren, die wir hier im Reiseverkehr haben, betreffen tatsächlich den Goldschmuck aus verschiedenen Ländern“, so der Zoll-Beamte. Besonders oft führten Fluggäste aus der Türkei, dem Libanon, Nordafrika und Indien Gold ein. Die zweithäufigste Schmuggelware sind Zigaretten.
Wie sieht es mit Lebensmitteln aus?
Lebensmittel, die für den privaten Gebrauch und innerhalb der EU eingeführt werden, sind unproblematisch. Wenn zum Beispiel Fluggäste Wurstwaren in Italien kaufen und mitbringen, werden diese nicht kontrolliert.
Anders sieht es bei tierischen Produkten aus Ländern außerhalb der EU aus. „Für alle tierischen Produkte, insbesondere Wurst, Fleisch, Käse oder Milch-Produkte, brauchen Reisende ein Veterinärdokument“, erklärt Jan Westphal. Hier gibt es auch keine Freimengen. „Grundsätzlich gilt, tierische Produkte aus einem nicht EU-Land ohne Dokumente sind nicht einfuhrfähig“, betont der Zoll-Beamte.
Welche Lebensmittel können auch aus nicht EU-Ländern problemlos eingeführt werden?
Kann ein Fluggast solch ein Dokument nicht vorweisen, wird die Ware beschlagnahmt und entsorgt. Dafür wird eine Entsorgungsgebühr fällig.
Süßigkeiten, wie Schokolade, Nutella oder Kekse, können auch aus nicht EU-Ländern problemlos eingeführt werden. Hier greift die normale Reisemenge von 430 Euro im Flugverkehr für Personen über 15 Jahren.
Eine Ausnahme bei der Einfuhr von steuerbaren Waren gibt es aber auch innerhalb der EU: Tabak und Alkohol. Hier gibt es Richtmengen und die gelten lediglich für den privaten Gebrauch.
Wie reagieren Fluggäste, wenn sie kontrolliert werden?
Die meisten Fluggäste seien kooperativ, so Jan Westphal. „Wir gehen immer freundlich auf die Reisenden zu, schauen, welche Personen wir kontrollieren und wie wir die Kontrolle aufziehen.“ Wer sich auf eine Flugreise macht, rechne ja zu einem gewissen Teil mit einer Kontrolle. Erfreut sei natürlich niemand darüber.
Besonders schmerzhaft für Fluggäste: Selbst produzierte Lebensmittel beschlagnahmt
„Es gibt aber natürlich auch die anderen. Nicht alle sind kooperativ“, sagt Matthias Krebs. Bisher habe er aber keinen Fall erlebt, bei dem ein Fluggast richtig aggressiv geworden wäre.
Den ein oder anderen „Tränenausbruch“ habe es aber schon gegeben – gerade wenn selbst produzierte Lebensmittel beschlagnahmt und entsorgt werden. Das sei besonders schmerzhaft für Reisende.
Unwissenheit oder bewusstes Schmuggeln?
„Da gibt es eine breite Palette. Bei einigen Reisenden, würde ich sagen, handelt es sich ganz klar um Unwissenheit“, so Jan Westphal. Dadurch, dass Fluggäste innerhalb der EU und für den privaten Gebrauch Waren frei einführen können, fehlte bei manchen Leuten ein wenig das Bewusstsein dafür. Ihnen sei nicht klar, dass sie zollrechtliche Bestimmungen beachten müssen, wenn sie die EU verlassen und über eine „Drittland-Grenze“ fliegen. „Von dem her ist es tatsächlich so, dass wir von Fluggästen häufig hören, sie hätten das nicht gewusst“, so Jan Westphal.
Welche „Ausreden“ hören Sie bei Kontrollen?
„Es gibt natürlich auch einen gewissen Prozentsatz an Reisenden, die sagen, sie hätten es gewusst, wollten es aber dennoch versuchen“, sagt Jan Westphal. Er habe aber auch schon einmal den Fall erlebt, dass ein Fluggast angab, die Ware am nächsten Tag bei einem anderen Zollamt versteuern lassen zu wollen.
„Die, die bewusst schmuggeln, versuchen es einfach mal. Wenn sie erwischt werden, merken sie, dass es jetzt eben vorbei ist“, ergänzt Matthias Krebs.