Stuttgart & Region

Hetze im Herbst: Zwei rechtsextreme Netzwerk-Treffen im Raum Stuttgart geplant

bengalo pyrotechnik symbolfoto symbol symbolbild
Sie zündeln nicht nur mit Pyrotechnik: Rechtsextreme Gruppen wollen in der Region Stuttgart junge Leute für ihre verfassungsfeindliche Ideologie gewinnen. Vernetzungstreffen sollen dabei helfen. © unsplas.com/Matthieu Joannon

Zwei rechtsextreme Gruppen rufen für den Herbst zur Teilnahme an Vernetzungstreffen in der Region Stuttgart auf: Die Identitäre Bewegung (IB) und der ehemalige IB-Ableger "Pforzheim Revolte". Den Verfassungsfeinden geht es vor allem um eine bestimmte Zielgruppe: Die Jugend. In welche Radikalisierungsspirale junge Menschen durch einen Kontakt mit rechtsextremen Gruppen hineingeraten können, zeigen auch aktuelle Entwicklungen.

"Pforzheim Revolte": Schon zuvor in Stuttgart aktiv

Auf den ersten Blick mag es verwunderlich erscheinen: Eine Gruppe, die sich "Pforzheim Revolte" nennt, teilt in ihrer Instagram-Story einen Aufruf für ein Vernetzungstreffen in Stuttgart. So geschehen am Dienstag (15.10.). Am Montag (21.10.) soll dieses Treffen bereits stattfinden, ein Ort wird nicht genannt. Setzt man sich mit den Aktivitäten der Gruppe auseinander, wird aber schnell klar: Die Wahl des Ortes kommt nicht von ungefähr. 

"Pforzheim Revolte" ist laut Landesamt für Verfassungsschutz Ende 2021 "vor allem im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen" in Erscheinung getreten. Schnell war klar, dass es sich um einen Ableger der rechtsextremen Identitären Bewegung handelt, die zu diesem Zeitpunkt ihre Strukturen verschleiern wollte. Querdenker-Proteste waren damals für viele rechtsextreme Gruppen ein Vehikel, um neue Leute für die eigene Agenda zu gewinnen. 

Entwicklung zur klassischen Neonazi-Gruppe: Schulterschluss mit III. Weg & Co.

Im letzten Jahr löste sich die Gruppe offenbar immer weiter von der IB. Inhalte rechtsextremer Parteien wie NPD, "Freie Sachsen" und "III. Weg" wurden vermehrt geteilt. "Pforzheim Revolte" wurde von einer neurechten zur klassischen Neonazi-Gruppe. Das zeigt auch ein Vorfall aus dem Oktober 2023, wo sich Mitglieder von "Pforzheim Revolte" laut Verfassungsschutz an einer Aktion der "III. Weg"-Nachwuchsorganisation am Schloss Solitude in Stuttgart beteiligt haben. Ein richtiger Bruch mit der IB lässt sich aber nicht ausmachen – es scheint vielmehr, als würden die Grenzen zunehmend verschwimmen.

"Active Clubs": Mit TikToks für die weiße Vorherrschaft

Der Schulterschluss rechtsextremer Akteure geht tiefer: "Pforzheim Revolte" lässt sich auch einem neuen, besorgniserregenden Phänomen zuordnen. In Deutschland entstanden in den letzten Monaten mehrere rechtsextreme "Active Clubs" (AC) nach US-Vorbild. Es handelt sich dabei um dezentrale, parteiunabhängige Gruppen junger, gewaltbereiter Männer, die über gemeinsame (Kampf-)Sport-Aktivitäten weitere für ihre rechtsextreme Sache gewinnen wollen. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) zählte im Juni bereits mehr als 20* solcher Gruppen im gesamten Bundesgebiet. Es geht um die Vorherrschaft der weißen Rassen, das Ur-Thema der Szene. Und um Social Media. 

In einem Video, das ein zentraler AC-Telegram-Kanal vor einigen Wochen veröffentlicht hat, flüstert ein Mann mit Totenkopf-Maske von der eigenen Strategie. Empfohlen wird, nach Verbänden von AfD, "Junge Alternative", "Die Heimat" (früher NPD) oder "III. Weg" zu suchen, um Leute kennenzulernen, die ähnlich denken. Das wären zwar "oftmals nur irgendwelche Boomer", aber "es rennen immer mehr junge Leute da rum". Wichtiger sei aber die Präsenz auf TikTok, Instagram & Co., um Gleichgesinnte zu erreichen – und zu rekrutieren. Im Telegram-Kanal ist zudem eine Karte mit bestehenden "Active Clubs" zu finden. In Baden-Württemberg hat sie einen Eintrag: "Pforzheim Revolte". 

"Schwarze Sonne": Optisch an Rechtsterrorismus orientiert

Die Optik der "Active Clubs" erinnert an rechtsterroristische "Manifeste" und Terrorgruppen. Der Mann im Video sitzt vor einer "Schwarzen Sonne", einem Nazi-Symbol, das aus übereinandergelegten Hakenkreuzen besteht. Erinnerungen an die "Atomwaffen Division" werden wach – eine Gruppe junger, international vernetzter Neonazis, der Medienberichten zufolge mehrere Morde zur Last gelegt werden.

active club deutschland telegram rechtsextremismus schwarze sonne
Offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus: AC-Aktivist vor "Schwarzer Sonne", samt Sturmgewehr-Silhouette auf dem Shirt. © Telegram

"Reconquista 21": IB-Gruppe plant "Schwabenkongress" in Ludwigsburg

Nicht nur die Neonazis von "Pforzheim Revolte" treiben die rechtsextreme Vernetzung junger Leute in der Region voran. Auch die Gruppe "Reconquista 21" (R21), Ableger der Identitären Bewegung, plant im Herbst ein Treffen. Stattfinden soll die zweite Ausgabe des "Schwabenkongress" Social-Media-Ankündigungen zufolge am 30. November in Ludwigsburg. Beim ersten "Schwabenkongress" im Raum Augsburg waren laut Bayrischem Rundfunk neben dem IB-Oberhaupt Martin Sellner auch Abgeordnete der AfD zu Gast. Auch diesmal der genaue Ort geheim gehalten. Die Rechtsextremisten von R21 traten zuletzt immer selbstbewusster auf, zeigen sich immer offener.

AfD-Erfolg beflügelt rechtsextreme Gruppen: "Die Jugend wählt rechts"

Dass rechtsextreme Gruppen gerade jetzt Aufwind verspüren, hat viel mit der AfD zu tun. Das sehen nicht nur Experten und Behörden so, die Gruppen kommunizieren das auch selbst ganz offen. Dabei geht es nicht nur um die Normalisierung rechtsextremer Ideologie, die von der AfD über Jahre systematisch betrieben wurde. Sondern auch um das Potenzial, dass die Rechtsextremisten bei der anvisierten Zielgruppe sehen.

Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen teilte "Pforzheim Revolte" auf Telegram einen Beitrag der AfD-Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" über die hohen Zustimmungswerte unter jungen Menschen. Tenor: "Die Jugend wählt rechts". Man fühlt sich dadurch offenkundig bestärkt.

*Korrektur: An dieser Stelle stand zuvor "mehr als 120" – diese Zahl bezog sich aber auf die weltweit beobachtete Zahl von "Active Clubs", in Deutschland sind es mehr als 20. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

VG WORT Zahlpixel