In rechtsextremer Tradition: AfD wirbt mit "Abschiebeticket" – eine Analyse
Karlsruhe/Göppingen/Stuttgart. Die rechtsextreme AfD hat erneut einen Eklat ausgelöst: Journalisten berichten aktuell über einen Propagandaflyer im Format eines Pseudo-"Abschiebetickets", mit dem der Kreisverband Karlsruhe Wahlkampf macht. Schon lange nutzt die Partei derartige Provokationen, um gezielt Aufmerksamkeit zu generieren und die Grenze des Sagbaren immer weiter zu verschieben. Dennoch ist bemerkenswert, wie die aktuelle Aktion erneut die ideologische Nähe der Partei zur Zeit des Nationalsozialismus und dessen Wurzeln offenbart.
Das "Abschiebeticket": Worum es geht
Was ist passiert? Seit Mittwoch (08.01.) gibt es in Sozialen Medien Berichte über einen Flyer, der angeblich in Briefkästen von Menschen mit Migrationsgeschichte in Karlsruhe geworfen worden sein soll. Belege dafür, dass eine derartige gezielte Verteilung tatsächlich stattfand, gibt es bislang keine. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard sagte gegenüber BNN : " Die Wahlkampfhelfer suchten bei der Verteilung [...] nicht gezielt nach ausländisch klingenden Namen auf Briefkästen." Der Flyer, um den es geht, ist in Form eines Flugtickets gestaltet und mit "Abschiebeticket" überschrieben. Die Kriminalpolizei ermittelt wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
Das Pseudo-Flugticket ist als One-Way-Ticket in ein "sicheres Herkunftsland" gekennzeichnet, ausgestellt für einen "illegalen Einwanderer". Es wird auch Bezug zum menschenfeindlichen Konzept der "Remigration" genommen, das in der Vorstellung rechtsextremer Akteure die massenhafte Vertreibung von Menschen nach völkisch-rassistischen Kriterien vorsieht. In einer Ecke des Flyers findet sich das AfD-Logo, ein QR-Code führt zur Website der AfD Karlsruhe.
Parteitag in Riesa: "Remigration" ist offiziell Parteilinie
Am Wochenende hat die rechtsextreme AfD unter großem Protest ihren Parteitag in Riesa abgehalten und dort Parteichefin Alice Weidel zur Spitzenkandidatin für die bevorstehende Bundestagswahl bestimmt. Dabei wurde die Forderung nach "Remigration" offiziell zur Parteilinie erklärt. Die Angst, mit rechtsextremen Konzepten Wählerinnen und Wähler zu vergraulen, ist längst verflogen.
Ein bemerkenswertes Detail fiel erst im Nachhinen auf: Der Journalist Jonathan Sachse (Correctiv) wies auf "Bluesky" darauf hin, dass während einer Liveübertragung einer der "Abschiebeticket"-Flyer im Bild zu sehen war, hochgehalten von einem AfD-Politiker aus Alice Weidels Heimatverband Bodenseekreis. Und nicht nur dort: Der AfD-Kreisverband Göppingen postete am Samstag (11.01.) ein Foto des Flyers auf Facebook. In zahlreichen Kommentaren wurde die AfD dafür scharf kritisiert und Vergleiche zur Zeit des Nationalsozialismus gezogen. Am Montagnachmittag (13.01.) wurde der Post wieder gelöscht.
Gezielte Provokation: Nach "Abschiebekalender" jetzt "Abschiebeticket"
Die Aktion der rechtsextremen Partei ist nach mehreren "Abschiebekalendern" der baden-württembergischen Landtagsfraktion kaum noch überraschend. Der hämische Umgang mit dem Thema Migration hat in der AfD Methode – ebenso wie die dazugehörigen Beschwichtigungsversuche. Die AfD Karlsruhe hat den Flyer mittlerweile auf ihrer Website veröffentlicht. Gegenüber dem SWR beteuert sie, man fordere auf der Rückseite des Flyers nur gesetzeskonforme Abschiebungen, um deutsche Staatsbürger gehe es nicht.
Ähnliche Beteuerungen gab es in der Vergangenheit zuhauf, unter anderem nach dem Geheimtreffen von Potsdam. Aber wie glaubwürdig sind sie angesichts der völkischen Positionen, die die AfD auch in Riesa wieder offen vertrat? Oder den Forderungen eines Björn Höcke, der am liebsten Jahrzehnte der Einwanderung "rückabwickeln" würde ?
"Abschiebeticket": Parallelen von NPD bis NS-Zeit – und darüber hinaus
In Berichten zum "Abschiebeticket" wird teilweise auf Parallelen zu einer ähnlichen Aktion der NPD hingewiesen. Die rechtsextreme Partei hatte 2013 ebenfalls Pseudo-Flugtickets als Propagandamaterial verwendet. Doch ob bewusst oder nicht – für beide Aktionen gibt es ältere Vorbilder.
2019 erinnerte die Ausstellung "Angezettelt" in Frankfurt an antisemitische Aufkleber und Parolen. In einer Broschüre zur Ausstellung heißt es, antisemitische Pseudo-Fahrkarten seien bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf deutschen Bahnhöfen verteilt worden. "1934 berichtet ein jüdischer Zahnarzt, wie ihm im Konzentrationslager unter Hohngelächter eine 'Freifahrkarte nach Jerusalem' in die Hand gedrückt wurde. Vertreibungsfantasien gehen schon früh der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik voraus."
Propagandamaterial für menschenfeindliche Fantasien
Während der Zeit des Nationalsozialismus konnte man derartige Fahrkarten als Propaganda-Material bestellen, "zum Verteilen in Massen". Broschüren, die damals zum Bestellen dienten, finden sich bis heute bei Antiquitätenhändlern zum Kauf. Als "Reiseziele" konnten demnach beispielsweise Jerusalem oder Moskau ausgewählt werden. Auf dem Pseudo-Ticket stand: "Hin und nicht wieder zurück." Das "nicht" war hervorgehoben. Heute würde man sagen: Ein One-Way-Ticket.
AfD-Anhänger und -Mitarbeiter haben schon in der Vergangenheit über Social Media Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, für Abschiebeflüge vorgemerkt. Es wurden teilweise mittels Hashtags regelrechte Listen angelegt und Drohungen ausgesprochen. Neben einem passenden Kalender haben Fans der rechtsextremen Partei nun noch ein passendes Pseudo-Ticket für ihre menschenfeindlichen Fantasien von "Remigration" im großen Stil. Nicht über eine Broschüre bestellbar, sondern zum Download zur Verfügung gestellt. Von der AfD selbst.