Querdenker-Demo mit Ballweg in Stuttgart: Bis zu 5.000 Menschen angemeldet
Die Querdenker-Szene hat für Sonntag (16.04.) eine Demonstration in Stuttgart angekündigt. Man will vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Stammheim protestieren, heißt es in diversen Beiträgen auf Telegram. Mobilisiert wird auch von „Querdenken 711“-Gründer Michael Ballweg, der bis vor einer Woche selbst dort in Untersuchungshaft saß. Was bisher bekannt ist und warum die Demo für die Szene bedeutsam werden könnte.
Querdenker vor der JVA Stammheim: Was ist zur Demo bekannt?
„Ich freue mich auf euch, wenn ihr alle zur Demo am 16.04. nach Stuttgart kommt“. Mit diesen Worten wendet sich Michael Ballweg in einem aktuellen Video an die Szene. Man wolle ein „großes Freiheitsfest“ vor der JVA f.eiern. Anwalt Ralf Ludwig („Querdenken 711“) sagt Sekunden später: „Michael Ballweg wird dabei sein.“
Laut Ankündigung wollen die Demonstrierenden ab 14 Uhr vom Ortsausgang Zuffenhausen nach Stammheim laufen. Dort soll vor der JVA eine Kundgebung stattfinden, auch ein Aufzug um das Gebäude sei geplant. Bei der Stadt Stuttgart ist die Demo mittlerweile mit 3.000 bis 5.000 Personen angemeldet, wie ein Sprecher am Donnerstag (13.04.) auf Nachfrage mitteilte. Die Kundgebung sei gegen 15.30 Uhr mit einer Dauer von 60 Minuten angesetzt.
Michael Ballweg: „Querdenken 711“-Gründer frisch aus der U-Haft entlassen
Michael Ballweg selbst war am 4. April aus JVA Stammheim entlassen worden, wo er zuvor mehr als neun Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hatte zuvor Anklage gegen ihn erhoben. Die Vorwürfe: Versuchter Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Das „Querdenken“-Oberhaupt und seine Verteidiger haben diese Vorwürfe stets zurückgewiesen. Das Anwaltsteam sah Ballweg als „politischen Gefangenen“ an.
Während Ballwegs U-Haft hatten Anhänger mehrfach vor der JVA in Stammheim demonstriert. Die Initiatoren sollen auch die aktuelle Demo veranstalten, heißt es in einer Ankündigung auf Telegram. Dass Ballweg sich nun diesem Protest anschließt, kommt nicht überraschend. Nach seiner Entlassung hatte Ballweg in einem SWR-Interview angekündigt, sich stärker für Menschen wie sich selbst einzusetzen, die sich seiner Meinung nach aus „fragwürdigen Gründen in Haft befinden.“
Demos vor der JVA Stammheim: Welche Bezüge zum Rems-Murr-Kreis gibt es?
Bei den Demos vor der JVA waren immer wieder auch bekannte Gesichter aus dem Rems-Murr-Kreis vor Ort. Zwei von ihnen sind besonders eng mit der extremen Rechten verbunden.
Heiko M. aus dem Raum Waiblingen war bei mindestens einer Demo vor Ort. M. spielte nach Recherchen von t-online, „Kontraste“ und unserer Redaktion eine zentrale Rolle bei der Vernetzung der Szene über Telegram. Er selbst stritt das stets ab. Seit Jahren ist M. in rechten bis rechtsextremen Kreisen aktiv – und scheint mittlerweile weniger darum bemüht, das zu verschleiern, als früher. Im Dezember besuchte er die Beerdigung des Neonazis Christian Hehl aus dem Raum Mannheim und dokumentierte seine Anwesenheit gleich selbst.
Bekannte Gesichter: Ein Rechtsradikaler und ein radikaler Zeuge
Auch Michael S. aus dem Rems-Murr-Kreis ist seit Jahren in rechtsradikalen Kreisen aktiv. Größere Bekanntheit erlange er durch seine Aktivitäten beim hiesigen Pegida-Klon „Fellbach wehrt sich“. Er trat zuletzt unter anderem als Redner beim „Thing der Titanen“ in Erscheinung – einem Vernetzungstreffen der rechtsextremen Szene. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) sieht die Referentinnen als Rechtsextremisten an, die aus „verschiedenen Bereichen“ der Szene stammen, hieß es auf Nachfrage.
Und noch eine Person war mindestens einmal bei einer Demo vor der JVA dabei: Der Waiblinger Querdenker, der im Rahmen von Terror-Ermittlungen gegen die Gruppe "Vereinte Patrioten" als Zeuge geführt wird oder wurde. Ermittler hatten im April 2022 seine Wohnung durchsucht und einen Server sichergestellt. Der Waiblinger war zuvor in einem Telegram-Kanal mit mutmaßlichen Mitglieder der Terror-Gruppe aktiv gewesen und hatte sich mehrfach radikal geäußert.
Querdenker: Warum könnte diese Demo für die Szene wichtig werden?
Warum ist diese Demo von besonderer Relevanz? Bevor Michael Ballweg Ende Juni 2022 seine U-Haft in der JVA Stammheim antrat, war er zu einer stark umstrittenen Persönlichkeit in der Querdenker-Szene geworden. Mit seiner Inhaftierung schien sich das zu ändern: Szene-Größen, die sich zuvor kritisch zu Ballweg geäußert hatten, sprachen ihm ihre Solidarität aus. Man rückte wieder zusammen, Ballweg wurde zum „politischen Gefangenen“ erklärt, Nelson-Mandela-Vergleiche waren nicht unüblich. Es gab „Free Michael Ballweg“-Shirts und Soli-Schlager.
Nun ist Michael Ballweg auf freiem Fuß – und sorgte direkt für Unmut. Seine Aussagen zu den Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“ wurden in der Szene kontrovers diskutiert, in einschlägigen Telegram-Kanälen gab es harsche Kritik. Nun steht Ballwegs erster öffentlicher Auftritt im Rahmen einer Querdenker-Demo an. Die Corona-Pandemie, einst das zentrale Thema der Bewegung, hat massiv an Bedeutung verloren. Wie viele Menschen werden dem Aufruf nach Stuttgart folgen? Und welche Reaktionen wird Ballwegs Auftritt hervorrufen?
„Grundsätzliche Staatsfeindlichkeit“: „Querdenken“ im Fokus des Verfassungsschutzes
Seit Dezember 2020 werden Ballwegs Initiative „Querdenken 711“ sowie deren Ableger vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg beobachtet. Die Verfassungsschützer sehen eine „grundsätzliche Staatsfeindlichkeit bei führenden Personen“ und ideologische wie personelle Verbindungen zur Reichsbürger-Szene.






