VfB Stuttgart

Der VfB nach dem Porsche-Einstieg: Demut statt Übermut ist das Gebot der Stunde

VfB Stuttgart Symbolbild
Symbolbild. © Danny Galm

Von einem „großartigen“, ja sogar einem „historischen Tag“ und einem „Meilenstein für den VfB Stuttgart“ war am Dienstagvormittag (27.06.) die Rede, als Vorstandsboss Alexander Wehrle und Präsident Claus Vogt den Einstieg von Porsche beim Bundesligisten verkündeten. Verknüpft mit dem bis zu 100 Millionen Euro schweren Sponsoren-Paket sind dabei die Hoffnungen vieler Fans auf sportlich bessere Zeiten. Warum die Stuttgarter Verantwortlichen aber gerade jetzt gut daran tun, nicht zum Angriff auf die internationalen Plätze zu blasen – eine kommentierende Einordnung.

Porsche und Mercedes unter VfB-Dach: Der Coup von Cannstatt

„Der VfB zündet den Turbo“, „der VfB schaltet einen Gang höher“, „der VfB auf der Überholspur“ - kaum war der Einstieg von Porsche samt Übernahme der Stadion-Namensrechte durch MHP verkündet, schossen die Kfz-Metaphern geradezu aus dem Boden rund um die Landeshauptstadt. Im Autoland Deutschland muss diese Liaison zwischen den Edelmarken und dem stolzen Bundesligisten bei manchem tiefliegende Emotionen wachgeküsst haben.

Gerade im Schwabenland, wo die Verbindungen zur Automobilindustrie traditionell besonders eng sind. Nicht umsonst ziert das Stuttgarter Wappen-Pferdle das Logo des Sportwagenbauers aus Zuffenhausen. Wer hier etwas auf sich hält, fährt Daimler oder Porsche. Ein Blick auf die geparkten Karossen in einer beliebigen Straße in Degerloch, Frauenkopf oder Gablenberg muss an dieser Stelle als empirischer Beweis genügen.

Dabei ist der Coup von Cannstatt unbestritten eine gute Nachricht für den zuletzt so krisengeplagten und finanziell angeschlagenen Traditionsverein von 1893. Wer die beiden Branchenriesen und Konkurrenten im Luxussegment zu einer Zusammenarbeit bei einem in den vergangenen Jahren nur überschaubar erfolgreichen Fußballverein unter einen Hut bekommt, darf sich völlig zu Recht feiern lassen. Aber was bedeutet der Deal für die Zukunft des VfB? Ob der Turbo wirklich gezündet werden kann, hängt ganz elementar an den nun folgenden Weichenstellungen ab. Immerhin aber ist das Gaspedal wieder in Reichweite.

Der VfB hat in den letzten Jahren gehörig an Substanz eingebüßt

Das Problem nur: Viele andere Klubs drücken seit Jahren auf die Tube und heizen durch die Kurven der Bundesliga. Der VfB hingegen hat in den letzten zehn Jahren einiges an Substanz eingebüßt. Oder um im Bild zu bleiben: an PS verloren beziehungsweise nicht auf die Straße gebracht. Zwei Abstiege und die Corona-Pandemie haben den stolzen Edelschlitten von einst - immerhin Deutscher Meister 2007 - gewaltig eingebremst. Längst sind zahlreiche Newcomer am Fußballstolz des Schwabenlandes vorbeigezogen. Dank potenter Geldgeber (RB Leipzig), cleverer Transferpolitik (Union Berlin) oder personeller Kontinuität auf den entscheidenden Positionen (SC Freiburg). Und Bayern und Dortmund sind dem Rest der Liga ohnehin uneinholbar enteilt.

Um die Lücke zu den etablierten Bundesligisten nun zumindest etwas zu schließen, bedarf es neben dem frischen Kapital auch einer realistischen Zielsetzung und einer schlüssigen Gesamtstrategie. Und keineswegs überehrgeizige Fünfjahrespläne mit dem Fokus auf die internationalen Plätze. Aber Vorsicht: Selbst dann ist die angepeilte Stabilität im Sportbereich kein Selbstläufer - dazu ist das Fußballgeschäft eine von zu vielen Parametern abhängige Angelegenheit. Spielglück, Tagesform, VAR, Verletzungen, glückliches Trainerhändchen, Entwicklungspotenziale von jungen Spielern - all das entscheidet letztlich zu einem großen Teil über den Saisonverlauf.

Die Lehre aus dem Daimler-Einstieg: Demut statt Übermut beim VfB

Dabei gehört es auch zur Wahrheit, dass die Schwaben mit der gewaltigen Finanzspritze Druck vom Kessel genommen haben. Die Brust mit dem berühmten roten Ring darf künftig durchaus wieder etwas breiter werden. Eine Erfolgsgarantie bringt die neue Allianz selbstredend nicht. Aber ein solides Fundament für einen sportlichen Aufschwung haben die Macher im roten Clubhaus allemal hingestellt.

Und dabei einen angenehm unaufgeregten Eindruck gemacht. Zwar werde der „Handlungsspielraum erweitert“, im Vordergrund stehen laut Vorstandsboss Alexander Wehrle jedoch die wirtschaftliche Stabilisierung nach der „existenziell bedrohlichen Corona-Zeit sowie Investitionen in strategische Handlungsfelder“. In einem Interview ergänzte Wehrle am Donnerstag (29.06.): „Wir wollen uns zunächst als Bundesligist etablieren. Da sind wir dabei. Wenn wir in den Jahren vier und fünf neue Zielsetzungen ausgeben können, dann hätten wir vieles richtig gemacht.“

Demut statt Übermut lautet also das Gebot der Stunde am Wasen – eine schmerzhafte Lehre aus dem Einstieg von Daimler 2017, der aufgrund einer komplett verkorksten Personalpolitik samt unfähigem Führungspersonal im Abstieg mündete. Und eine Menge Geld verbrannte. An den Folgen dieser in vielerlei Hinsicht düsteren Phase der Klubhistorie knabbert der VfB bis heute.  

Für die aktuelle Klubführung kommen jetzt die entscheidenden nächsten Schritte, die darüber entscheiden werden, ob der VfB mittelfristig wieder besseren Zeiten entgegensteuert oder im instabilen Zustand der letzten Jahre verbleibt. Wobei die Formulierung „bessere Zeiten“ keinesfalls einen Angriff auf die Top sechs der Liga bedeuten sollte. Vielmehr geht es um Stabilität und Kontinuität. Eine weitgehend sorgenfreie Saison 2023/24, an deren Ende der Klassenerhalt steht, wäre ein voller Erfolg.

Dazu bedarf es einer umsichtigen Kaderplanung samt schlüssiger Gesamtstrategie. Und deutlich weniger Fehler und Fehleinschätzungen, als es sich die Führungskräfte in der vergangenen Spielzeit erlaubt haben. Einen zweiten Labbadia-Fail darf es nicht geben. Denn ein drittes Mal dürfte eine solche Anhäufung von Unzulänglichkeiten in den Abstieg führen – den Kredit beim Fußballgott haben die Weiß-Roten nach der Rettung in der Nachspielzeit des 34. Spieltages (2022) und in der Relegation (2023) restlos aufgebraucht. Im Zweifel sollten sie es jedenfalls nicht darauf ankommen lassen.

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