VfB Stuttgart unter Druck: Welches Gesicht zeigt die Hoeneß-Elf gegen St. Pauli?
Stuttgart. Schaffte der VfB Stuttgart im Heimspiel gegen St. Pauli den Turnaround? Die 1:3-Niederlage beim SC Freiburg weckte Erinnerungen an große Teile der abgelaufenen Rückrunde: Zu passiv, zu verhalten und ohne den nötigen Mut und Biss agierten die Schwaben im Breisgau – und schenkten damit erneut fahrlässig drei Punkte her. Der Saisonstart verlief bislang holprig, in keinem Pflichtspiel wussten die Stuttgarter über 90 Minuten zu überzeugen. Das soll sich nun ändern – aber wie?
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VfB Stuttgart: Trainer Hoeneß fordert Ruhe und Geduld
Wenn am Freitagabend (20.30 Uhr/ Sky) die Flutlichtstrahler in der ausverkauften MHP-Arena angehen, liegt über Bad Cannstatt ein spürbares Knistern. Es ist kein gewöhnlicher Bundesliga-Abend. Es ist ein Abend, an dem sich zeigen wird, ob der VfB Stuttgart nur einen etwas wackeligen Saisonstart hingelegt hat – oder ob die Probleme tiefer reichen. „Es steckt noch mehr Wichtigkeit in diesem Spiel“, sagt Trainer Sebastian Hoeneß vor dem Duell mit dem FC St. Pauli. „Wir wollen Ruhe reinbekommen und uns die Zeit erspielen, um dann Dinge zu entwickeln.“ Doch Zeit ist ein kostbares Gut, und die Stimmungslage rund um den Wasen ist nach drei Spieltagen mit nur drei Punkten bereits angespannter geworden.
Das Treffen mit St. Pauli ist auf mehreren Ebenen pikant. Deren Trainer Alexander Blessin wurde in Cannstatt geboren, spielte Ende der Neunziger sieben Bundesliga-Partien für den VfB und kennt Hoeneß bestens. Zwischen 2014 und 2017 arbeiteten beide als Jugendtrainer bei RB Leipzig Tür an Tür. Blessin kommt mit einer Mannschaft, die sich derzeit so stabil zeigt wie seit Jahren nicht: sieben Punkte aus drei Spielen, dazu eine bemerkenswerte Liebe zu Baden-Württemberg. Vier Auswärtsspiele in der Region gewann St. Pauli 2024/25 zu null – darunter im vergangenen Jahr ein 1:0 im Neckarstadion, der erste Pflichtspielsieg über den VfB seit 28 Jahren.
Der VfB Stuttgart läuft hinterher – im wörtlichen Sinn
Der VfB wirkt dagegen ausgebremst. Nach der Freiburg-Niederlage sprach Hoeneß von fehlendem Mut, von zu wenig Intensität. Und die Zahlen geben ihm recht: Kein Team in der Liga sprintet seltener (131 pro Spiel), nur der Tabellenletzte Heidenheim läuft insgesamt weniger (114,9 Kilometer im Schnitt). „Die Basics liegen auch im Läuferischen – gegen und mit dem Ball“, sagt Hoeneß. Sein Fingerzeig: „Man kann wunderbare Dinge kreieren, indem man Läufe zieht ohne Ball.“ Doch genau diese Läufe fehlen.
Der Trainer hat die Defizite nach dem Freiburg-Spiel deutlich adressiert. „Wir haben uns sehr viel Zeit genommen und den Finger in die Wunde gelegt“, so Hoeneß. Es ging um Ballbesitzphasen, um den Mut, nach vorne zu spielen. „Wir wollen offensiv denken. Und das habe ich zu selten gesehen – ein dynamisches Angriffsspiel.“ Das Training in dieser Woche stand unter dem Motto: Schärfe, Laufbereitschaft, Konsequenz. „Es geht darum, dass wir es morgen zeigen. Und das ist die Erwartung an uns alle.“
Doch wo ist sie eigentlich geblieben, die Leichtigkeit, die den VfB vor zwei Jahren in die Champions League trug? Damals verzückten die Stuttgarter mit flachen Pässen, hoher Geschwindigkeit und einer Balance, die Defensive wie Offensive glänzen ließ. Diese Spielweise – das Geschehen zu kontrollieren, anstatt sich anpassen zu müssen – scheint verblasst. Mit dem Erfolg stiegen Ansprüche, Belastungen, Gehälter. Ein Fluch der schönen neuen Welt: Der Pokalsieg im Frühjahr überstrahlte vieles, auch den neunten Platz in der Liga, der bereits auf Schwächen hinwies.
VfB-Coach Hoeneß dreht an den Stellschrauben
Ob Systemumstellung, ob neue Doppelsechs oder ein Startelf-Debüt für Chema Andrés – Hoeneß denkt nach eigener Aussage „alles einmal durch“. Klar ist nur: „Alle müssen sich steigern. Das gilt für jeden.“ Der Coach bleibt analytisch, benennt Probleme, ohne Sündenböcke zu suchen. Auch die Mannschaft sei „nicht einverstanden mit der Art und Weise, wie wir gegen Freiburg gespielt haben“.
St. Pauli kommt mit breiter Brust. „Sie haben einen sehr klaren Ablauf in der Spielphase mit Ball, aber auch ohne Ball. Sie sind in der Lage, Momente zu nutzen“, sagt Hoeneß. Eine „gewachsene Struktur“, unangenehm, diszipliniert – eine Mannschaft, die in ihrer Klarheit fast das verkörpert, was Stuttgart derzeit vermissen lässt. Und so steht am Freitag mehr als nur ein Bundesligaspiel an. Es ist ein Gradmesser für einen Verein, der nach einem kurzen Höhenflug wieder geerdet wirkt. Ein Abend, an dem sich zeigen wird, ob der VfB die eigene DNA zurückerobern kann: Mut, Tempo, Spielfreude. Oder ob der Druck im Kessel weiter steigt.
So könnten beide Teams starten
VfB Stuttgart: Nübel - Assignon, Jeltsch, Chabot, Mittelstädt - Karazor, Stiller - Bouanani, El Khannouss, Leweling - Demirovic
FC St. Pauli: Vasilj - Wahl, Smith, Dzwigala - Pyrka, Sands, Fujita, Oppie - Sinani - Hountondji, Pereira Lage
Schiedsrichter: Sascha Stegemann (Niederkassel)