VfB Stuttgart

Fabian Wohlgemuth legt beim VfB Stuttgart los: So tickt der neue Sportdirektor

Fabian Wohlgemuth
Der neue VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. © Danny Galm

Der Sportdirektor des VfB Stuttgart heißt seit Samstag (03.12.) Fabian Wohlgemuth. Am Wasen tritt er in die Fußstapfen von Sven Mislintat. Und auf den 43-Jährigen warten in vielerlei Hinsicht große Herausforderungen. Anfang der Woche hat er seinen Dienst an der Mercedesstraße 109 angetreten. Aber wie tickt der neue Mann eigentlich? Wie war sein bisheriger Werdegang und was hat ihn geprägt? Eine Spurensuche.

Wohlgemuth als Spieler: „Vor mir lag keine Weltkarriere“

Wer Fabian Wohlgemuth zuhört, der bemerkt ihn sofort. Den Berliner Zungenschlag, das mitunter etwas schnoddrige. Um keine Antwort verlegen, immer mit einer gewissen Grundschärfe versehen, aber auf eine ganz eigene Weise sympathisch. Die Hauptstadt ist und bleibt seine Heimat.

1979 wird Wohlgemuth in Ost-Berlin geboren. Nach dem Abitur am Sportgymnasium des BFC Dynamo beginnt er seine aktive Laufbahn auf den Berliner Fußballplätzen: Union Berlin, FC Berlin, Croatia Berlin, Tennis Borussia Berlin, später auch Hansa Rostock und der Chemnitzer FC. Sein Revier: der Strafraum – allerdings meist nicht der gegnerische. Er ist Innenverteidiger, manchmal spielt er auch die inzwischen fast vergessene Rolle des Liberos.

„Ich habe eher von der Robustheit gelebt, nicht von der Technik“, erzählt er 2021 in einem Podcast des Hamburger Abendblatts. „Vor mir lag keine Weltkarriere, vermutlich wäre ich irgendwo im unteren Mittelmaß gelandet. Feinmotorisch hat ein bisschen der letzte Schliff gefehlt.“ Über die Regionalliga schafft er es nicht hinaus. In seiner Vita steht immerhin ein Auftritt im DFB-Pokal. Ein 0:2 in der ersten Runde mit TB Berlin II gegen den SV Werder Bremen. Er wird in der 72. Minute eingewechselt.

Bei Tennis Borussia spielt und trainiert er Anfang der 2000er Jahre unter einem gewissen Mirko Slomka. Der führt bei TB die Viererkette ein – was für den robusten Verteidiger Wohlgemuth zum Problem wird: „Diese Fähigkeiten hatte ich nicht.“ Nach einer schweren Knieverletzung und mehreren Operationen ist seine aktive Karriere im alter von 22 Jahren vorbei.

Die Berufsgenossenschaft finanziert ihm anschließend ein duales Studium an der technischen Fachhochschule Berlin. Und öffnet ihm dadurch gewissermaßen doch noch die Türe zum Profifußball – wenn auch nicht auf dem Platz, dafür aber am Schreibtisch.

Wohlgemuth als Scout und NLZ-Experte in Hamburg und Wolfsburg

Auf ein Praktikum beim Hamburger SV folgt eine Vollzeitstelle im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) der Hanseaten. Die Arbeit ist intensiv, bereitet ihm aber große Freude. Er beginnt im administrativen Bereich, wird Assistent des NLZ-Leiters und arbeitet parallel am Aufbau einer Scouting-Abteilung für die Jugend. Auch als Co-Trainer für die U17 steht er am Spielfeldrand. Nach dem Feierabend vollendet er seine Diplomarbeit. Wohlgemuth ist ehrgeizig und zielstrebig, keine Frage. Die Zeit in Hamburg beschreibt er später als „sehr, sehr prägend“. Als er beim HSV anheuert, ist er 29 Jahre alt.

Seine Arbeit und sein Auftreten bleiben in der Branche natürlich nicht verborgen. Wohlgemuth gilt bald schon als NLZ-Experte mit hervorragendem Netzwerk und dem nötigen Know-how. 2011 lotst ihn deshalb Jens Todt zum VfL Wolfsburg. Dort wird er Cheftrainer der U16. Da NLZ-Chef Todt aber bereits nach wenigen Wochen zum VfL Bochum wechselt, übernimmt Wohlgemuth auf Wunsch von Felix Magath zunächst als Interimslösung die VfL-Akademie. „Aus dem Plan, das vorübergehend zu machen, wurden dann sieben Jahre“, so Wohlgemuth in der Rückschau.

Wohlgemuth als Sportdirektor in Kiel und Paderborn

Nach seiner Arbeit im Nachwuchsbereich ist der Schritt zum Sportdirektor quasi die nächste logische Sprosse auf der Karriereleiter. 2018 wird er Geschäftsführer Sport beim Zweitligisten Holstein Kiel. Im Interview mit dem vereinseigenen TV-Sender sagt er damals: „Die Konsequenzen des eigenen Handelns so stark und schnell spüren zu können, reizt mich sehr.“

An der Kieler Förde muss er allerdings bereits nach knapp einem Jahr seinen Posten räumen. Angesichts der sportlichen Schieflage wagen die „Störche“ noch vor der Winterpause einen kompletten Neuanfang – und so wird im September 2019 zunächst Cheftrainer Andre Schubert freigestellt, einen Monat später folgt die Entlassung von Wohlgemuth.

Im Mai 2020 unterschreibt er in komplizierten Zeiten als Sportdirektor beim SC Paderborn. Das Team steigt aus der Bundesliga ab und die Auswirkungen der Corona-Pandemie offenbaren ihren immensen Schaden. Wohlgemuth ist in Ostwestfalen also zunächst als Stabilisator gefragt.

Er konsolidiert Mannschaft und Klub, schafft mit einer klugen Transferstrategie eine gesunde sportliche wie wirtschaftliche Basis. Er baut Altlasten ab, erwirtschaftet Transfer-Erlöse und hat bei den Neuzugängen deutlich mehr Treffer als Nieten vorzuweisen. Seine erste große Erfolgsstation als Manager im Profifußball. Bis hierhin. 

Der Weg zum VfB Stuttgart

Wer zum neuen Kaderplaner der Schwaben recherchiert, muss die Informationen mühsam aus vielen verschiedenen Quellen zusammentragen. Das ist ungewöhnlich für einen Funktionär, der seit mittlerweile über zehn Jahren im Geschäft ist. Nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat der gute Mann – was aus seiner Sicht aber kein Problem darstellt: „Die Entscheider in der Branche wissen schon, wo sie Informationen über mich herbekommen.“

So ganz offensichtlich auch VfB-Boss Alexander Wehrle, der Wohlgemuth als Nachfolger für Sven Mislintat ins Schwabenland geholt hat. Um den Wechsel nach Bad Cannstatt zu ermöglichen, soll er sogar auf Gehalt verzichtet haben. „Wohlgemuth passt perfekt in unser Profil“, findet Wehrle, „er hat zuletzt in Paderborn bewiesen, dass er auch mit überschaubaren Mitteln einen werthaltigen Kader zusammenstellen kann, der offensiven, leidenschaftlichen Fußball spielt.“ Und dennoch wartet auf Wohlgemuth in Stuttgart eine ganz andere Art von Herausforderung.

In Paderborn und Kiel konnte er sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Repräsentative Aufgaben standen nicht im Fokus. Das wird sich nun in Stuttgart ändern. Hinzu kommt ein kompliziertes Erbe, das ihm sein Vorgänger hinterlässt. Eine Mannschaft im Abstiegskampf, viele Talente im Leistungsloch und eine emotional aufgeladene Stimmung rund um den Traditionsverein. Es wird auch für den zweifachen Familienvater eine neue Erfahrung, manch einer meint sogar: Es wird eine Herkulesaufgabe.

Dabei weiß Fabian Wohlgemuth genau, was er kann. Daraus leitet er auch ein gesundes Selbstvertrauen ab. Im Haifischbecken Bundesliga eine vermutlich unabdingbare Eigenschaft. Wegbegleiter beschreiben ihn als fleißig, umtriebig und kompetent – sowie als impulsiv und lebhaft an der Seitenlinie. Zudem verfügt er über viel Erfahrung im Umgang mit jungen Spielern. Also genau die passende Mischung für den VfB in der aktuellen Lage?

Offizielle Vorstellung gemeinsam mit Bruno Labbadia am Montag

Anfang der Woche hat er sein neues Büro im roten Clubhaus an der Mercedesstraße 109 bezogen, am kommenden Montag (12.12.) startet die Mannschaft in die Winter-Vorbereitung. Dann wird sich auch Wohlgemuht ein erstes Mal den Stuttgarter Fans und zuvor auf einer Pressekonferenz der Journalistenschar präsentieren. Gemeinsam mit Trainer-Rückkehrer Bruno Labbadia, den er aus seiner Zeit beim VfL Wolfsburg kennt.

Der neue Coach und der neue Sportdirektor müssen jetzt in kürzester Zeit eine schlagkräftige Einheit formen. All das beäugt von einer kritischen Öffentlichkeit. Eine Herausforderung, die ganz nach dem Geschmack von Fabian Wohlgemuth sein dürfte. Gut gerüstet scheint er jedenfalls für die kommenden Monate.