Fall Atakan Karazor: Strafverfahren gegen VfB-Profi - So ist der aktuelle Stand
Der Fall Atakan Karazor hat in diesem Sommer für großes Aufsehen gesorgt. Der Profi des VfB Stuttgart saß rund sechs Wochen auf Ibiza in U-Haft, eine junge Spanierin bezichtigt ihn der Vergewaltigung. Mitte Juli kam der 26-Jährige auf Kaution frei, seitdem läuft ein Strafverfahren wegen sexueller Nötigung gegen Atakan Karazor. Wie ist der aktuelle Stand? Warum hört man nichts mehr von den Ermittlungen? Wir haben bei Kristin Fieberg, Fachanwältin für spanisches Strafrecht, nachgefragt.
Warum hört man seit Monaten nichts vom Fall Atakan Karazor?
"Es ist völlig normal, dass man zum aktuellen Zeitpunkt nicht viel von dem Fall mitbekommt", erklärt Kristin Fieberg. Als der VfB-Profi in U-Haft saß, wurde viel verhandelt, vermittelt und gesprochen. "Da will man ja einen Zustand ändern, sprich: den Beschuldigten frei bekommen." Daher habe die Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt auch viel mitbekommen, aktuell sehe das anders aus.
In welcher Phase befindet sich das Strafverfahren aktuell?
"Wir befinden uns aktuell im Ermittlungsverfahren. Es werden Zeugen wie etwa die Geschädigte befragt und die Arztberichte geprüft", so die Fachanwältin für spanisches Strafrecht. In dieser Phase gelange kaum etwas an die Öffentlichkeit, weil man "die Ermittlungen nicht beeinflussen möchte". Das Ziel des Ermittlungsverfahrens sei es schließlich, eine Anklageschrift zu erstellen. Daher werde aktuell vieles geheim gehalten.

Kommt es überhaupt zu einer Anklage?
"Es ist aktuell alles möglich - von eine Anklage bis hin zur Einstellung des Verfahrens", erklärt Kristin Fieberg. Ob es zur Anklage kommt, sei aktuell reine Spekulation. "Dafür müsste man die Akte kennen, also was für oder gegen Atakan Karazor spricht", so die Rechtsanwältin. Anscheinend gebe es zwar Zeugen, die den VfB-Profi entlasten sollen, aber: "In Spanien werden solche Delikte sehr hart verfolgt und sanktioniert."
Wie lange dauert es noch, bis wir mehr über eine mögliche Anklage wissen?
Kristin Fieberg schätzt: "Es dauert mindestens noch ein halbes Jahr, bis in dem Strafverfahren etwas passiert." Da in Spanien in solchen Fällen nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Ermittlungsrichter ermittelt, ist auch entscheidend, wie stark diese Person ausgelastet ist. Laut der Rechtsanwältin könnte das Ermittlungsverfahren auch noch ein Jahr oder sogar länger dauern, da die spanischen Behörden aktuell überlastet sind.
Wird das Verfahren vorgezogen, weil Atakan Karazor berühmt ist?
"Der spanischen Justiz ist es egal, ob Atakan Karazor in der Öffentlichkeit steht oder nicht", erklärt die Anwältin. Vorrang haben eher die Fälle, in denen der Beschuldigte noch in Haft sitzt - das sei bei dem VfB-Profi ja nicht mehr der Fall. Da Karazor auf Kaution frei ist, gibt es in dem Fall daher keine besondere Eile.
Warum kommt die Öffentlichkeit (etwa die Presse) so schwer an Informationen?
"Man hat keine Chance, an die Ermittlungsakte ranzukommen", sagt Kristin Fieberg. Nur durch eine notarielle Vollmacht (Prozessvollmacht) des Beschuldigten Karazor sei es möglich, Akteneinsicht zu erhalten. Der VfB-Spieler und sein prominenter Verteidiger Bartolomé Salas Seguí haben natürlich kein Interesse daran, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.
Karazor kam nur unter strengen Meldeauflagen auf Kaution frei. Wie sehen diese aus?
"In der Regel muss sich der Beschuldigte einmal in der Woche bei der Polizei oder einem Gericht melden." Die Fachanwältin für spanisches Strafrecht geht davon aus, dass Atakan Karazor dafür nicht extra nach Ibiza fliegen muss oder sich telefonisch auf der Insel melden muss. Es reiche vielmehr aus, sich bei der Polizei an seinem Wohnort oder bei einem örtlichen Gericht zu melden. Es gehe bei den Meldeauflagen schließlich darum, dass sich der Beschuldigte nicht einem Prozess entzieht (etwa durch Flucht). Es sei darüber hinaus auch möglich, dass der Reisepass von Atakan Karazor eingezogen wurde.
Zur Anwältin:
Kristin Fieberg ist Rechtsanwältin bei der renommierten Kanzlei Ribas Brutschy Abogados mit Stammsitz in Karlsruhe. Fieberg ist spanische Muttersprachlerin, ihr Spezialgebiet ist das deutsche und spanische Strafrecht.
Bei Fragen rund um das spanische Strafrecht war sie bereits für RTL und SAT.1 als Expertin im Einsatz. Zuletzt bei dem Fall der inhaftierten Kegelbrüder auf Mallorca.
Kristin Fieberg hat ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und danach ein Rechtsreferendariat am Landgericht Karlsruhe absolviert. Die Kanzlei, die sich insbesondere auf deutsches und spanisches Recht spezialisiert hat, betreibt auch einen Standort auf Ibiza.