VfB Stuttgart

Härtetest im Hexenkessel bestanden: Hoeneß und der VfB greifen nach den Sternen

Fußball Bundesliga Borussia Dortmund vs. VfB Stuttgart
Die Stuttgarter Bilanz gegen Dortmund in dieser Saison bleibt makellos. © Pressefoto Baumann

Dieser VfB Stuttgart ist eine Wucht. Am Samstagabend im Topspiel beim BVB trotzten die Stuttgarter einmal mehr allen Widerständen und sicherten sich so drei Big Points im Kampf um die Königsklasse. Den Ausfall von Abwehrchef Waldemar Anton kompensierte Angelo Stiller beim 1:0-Auswärtssieg in ungewohnter Rolle. Weshalb die Schwaben und Cheftrainer Sebastian Hoeneß nach den Sternen greifen.

„Es war ein besonderes Erlebnis. Wir haben Zähne gezeigt - und das über das ganze Spiel“, befand Sportdirektor Fabian Wohlgemuth nach dem überstandenen Härtetest vor 81.365 Zuschauern im Dortmunder Hexenkessel. Allen voran der gelernte Sechser Stiller, der seinen gelbgesperrten Kapitän in der Innenverteidigung hervorragend vertrat. Obwohl der 23-Jährige schon früh in der Partie eine Gelbe Karte gesehen hatte, behielt Stiller immer einen kühlen Kopf. Und wurde so auch der vor der Partie von Trainer Hoeneß eingeforderten Führungsrolle mehr als gerecht.

Wohlgemuth zum Sieg beim BVB: „Das waren natürlich Big Points“

In der hitzigen Schlussphase holte der 1,83-Meter-Mann sogar Kopfballduelle gegen den 1,91-Meter-Brocken Sebastian Haller. „Ange hat das überragend gemacht“, lobte daher auch Torhüter Alexander Nübel. Der Ex-Schalker steuerte dabei ausgerechnet beim ewigen Erzrivalen der Königsblauen mit einer starken Vorstellung zum zehnten ungeschlagenen VfB-Spiel in Serie einen großen Anteil bei. Zumal die Schwaben die Borussen nun dreimal in einer Saison (zweimal Liga, einmal Pokal) geschlagen haben. „Das waren natürlich Big Points heute - und eine der hart erkämpftesten Partien der Saison“, so Wohlgemuth.

Insofern muss sich in Bad Cannstatt längst niemand mehr für den Platz in der absoluten Spitzengruppe der Liga rechtfertigen. 60 Punkte nach 28. Spieltagen sprechen da eine viel zu eindeutige Sprache. Mit nun 18 Zählern Vorsprung auf den Sechsten Eintracht Frankfurt und dem um 23 Treffer besseren Torverhältnis gegenüber den Hessen kann den Schwaben die Rückkehr auf die europäische Fußballbühne nicht mehr genommen werden. Und es spricht vieles dafür, dass in der kommenden Spielzeit die Champions-League-Hymne in der MHP-Arena ertönen wird.

Bei sieben Zählern Vorsprung auf Leipzig (Rang drei) und Dortmund (vier) und der Punktgleichheit mit den strauchelnden Bayern spricht vielmehr für ein fast schon verwegenes neues Saisonziel am Wasen: den Gewinn der Vizemeisterschaft. Das direkte Duell mit den Münchnern steht obendrein noch aus. Der Südschlager steigt am 04. Mai. 

Was den VfB Stuttgart in dieser Saison so unfassbar stark macht

Die Stuttgarter Mannschaft zieht eine für die Konkurrenz fast schon beängstigende Stärke aus dem mittlerweile an den Rand der Perfektion eingeschleiften Hoeneß‘schen Spielsystem – exemplarisch dafür stand der Lehrbuch-Konter, den Serhou Guirassy zum letztlich siegbringenden 1:0 vollendete. Die Abläufe defensiv wie offensiv sind Stiller und Co. mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Jeder VfB-Profi weiß zu jeder Zeit genau, was er machen muss.

Das gilt auch für die Einwechselspieler. Als Josha Vagnoman zur Pause mit Mittelfuß-Problemen vom Platz musste, sprang der 22 Jahre alte Leonidas Stergiou – bis dahin ein Startelf-Einsatz in der Bundesliga – mustergültig ein und verteidigte vor der berüchtigten Gelben Wand, als gäbe es für den Schweizer nichts Normaleres auf dieser Fußball-Welt. Diese Stress-Resilienz, dieser unbändige Glaube an die eigenen Qualitäten und die Fähigkeit, jede noch so große Widrigkeit aus dem Weg räumen zu können, ergibt in der Mischung eben genau jenes sagenhaft stabile VfB-Gebilde. Und vielleicht das spielstärkste Team in der langen Historie des Traditionsvereins von 1893.

Schließlich brechen die Weiß-Roten aktuell Woche für Woche teils scheinbar für die Ewigkeit geschaffen Rekorde aus den üppigen VfB-Annalen. So war der Dreier beim BVB der fünfte Auswärtssieg in Folge. Das gab’s noch nie. Serhou Guirassy steht derweil nach 22 Ligaspielen bei 24 Toren. Das war zuletzt Mario Gomez in der Spielzeit 2008/09 gelungen - damals allerdings in 32 Partien. Zudem erzielte der Goalgetter aus Guinea in dieser Saison bereits neun Mal das wichtige 1:0 – ebenfalls Vereinsrekord. Und wer weiß, welche Rekorde in den verbleibenden sechs Spielen noch fallen.

Per aspera ad astra: Was der römische Philosoph Seneca mit dem VfB zu tun hat

Dieser famose Hoeneß-VfB scheint in jedem Fall zu allem bereit. Auch wenn der Baumeister des Höhenflugs nach dem Sieg im Pott umgehend anmerkte, dass die bisherige Punktausbeute nicht sicher für das Königsklassen-Ticket reichen wird. „Die haben, glaube ich, oft gereicht, aber dieses Jahr werden wir deutlich mehr Punkte brauchen“, so Hoeneß, „deswegen sind wir gut beraten, uns schnell auf Eintracht Frankfurt zu konzentrieren.“

Und womöglich ist genau diese Arbeitsmoral, diese Mischung aus ehrlicher Demut und gesundem Selbstbewusstsein, die größte Qualität der Stuttgarter. Sie wissen schließlich alle genau, wo sie herkommen. Vor ziemlich genau einem Jahr standen die Schwaben auf dem 18. Tabellenplatz. Dann kam Hoeneß – und der VfB strebt jetzt nach ganz oben.

Oder wie der der römische Philosoph Lucius Annaeus Seneca schon im ersten Jahrhundert nach Christus schrieb: „Per aspera ad astra – durch Mühsal gelangt man zu den Sternen“.

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