Kommentar zur bisherigen VfB-Saison: Am Wasen wächst was zusammen
16 Spiele, 34 Tore und 34 Punkte ergeben in der Endabrechnung zur Winterpause den 3. Tabellenplatz für den VfB Stuttgart – ein Wahnsinns-Erfolg. Der Relegations-Teilnehmer aus der vergangenen Spielzeit ist das Überraschungsteam der bisherigen Saison. Und da könnte noch mehr kommen. Am Wasen wächst was zusammen, findet unser Reporter Danny Galm in seinem Kommentar zum Jahresabschluss.
Das Hoeneß-Versprechen an die VfB-Fans
Diese Bilder vom Mittwochabend (20.12.) hatten durchaus etwas Zauberhaftes. In vorweihnachtliches Rot getaucht drehten Spieler und Staff des VfB eine wohlverdiente Ehrenrunde in der MHP-Arena. Mit dem vorausgegangenen 3:0-Sieg gegen den FC Augsburg hatte die Mannschaft zuvor eine fabelhafte erste Saisonhälfte gekrönt. Und so war es wenig verwunderlich, dass die Kurve lautstark Trainer Sebastian Hoeneß aufs Podest forderte.
Der lehnte jedoch höflich ab. Schnappte sich allerdings kurzerhand das Mikrofon von Stadionsprecher Holger Laser und gab neben Dankesworten und Weihnachtswünschen auch ein Versprechen ab: „Wenn wir etwas erreicht haben, komme ich auf den Zaun.“ Der Rest war ohrenbetäubender Jubel der weiß-roten Fangemeinde, die seit Jahren nicht mehr eine solch berauschendes Team samt Coach feiern durfte.
Dass der Traditionsverein von 1893 in dieser Saison etwas erreichen kann, liegt zu großen Teilen an der Arbeit von Sebastian Hoeneß. Er hat den Klub im April auf dem letzten Tabellenplatz übernommen, direkt einen Draht zur Mannschaft gefunden und durch die Rettung in der Relegation den Grundstein für den aktuellen Höhenflug gelegt. Darüber hinaus beweist der 41 Jahre alte Trainer ein verblüffend gutes Gespür für den hochemotionalen Fußballstandort in Bad Cannstatt – beispielhaft zu sehen bei seiner Weihnachts-Ansprache an die Fans.
Solche Kniffe lernt man nicht in der Trainer-Ausbildung
Für den sonst eher zurückhaltenden Fußball-Lehrer eine durchaus bemerkenswerte Geste. Das Stadion-Mikro hatte er schließlich bislang nur einmal als Werkzeug benutzt – und zwar genau im richtigen Moment, als er nach dem letzten Spieltag der Saison 22/23 mit klugen Worten die Enttäuschung über das Remis gegen Hoffenheim (damit verbunden die verpasste direkte Rettung) überhaupt nicht aufkommen ließ. Solche Kniffe lernt man nicht in der Trainer-Ausbildung.
Dieses Gefühl für die Situation hat ein Coach – oder eben nicht. Hoeneß hat es.
Die Bilder jetzt nach dem letzten Pflichtspiel des Jahres, als die Spieler geschlossen auf der Bande vor der Cannstatter Kurve saßen, illustrieren, was in Fußball-Deutschland längst kein Geheimnis mehr ist: Am Wasen wächst was zusammen. Und es hat Wucht. Bleiben die Stuttgarter ihrem erfrischenden, fußballbejahenden Ansatz treu und bleiben sie zudem von größeren Verletzungen/Rückschlägen verschont, ist die aktuelle Positionierung auf einem Champions-League-Platz nicht nur eine Momentaufnahme. Dann ist der VfB einer der Top-Anwärter auf das internationale Geschäft.
Was ein Satz, wenn man die Uhr gedanklich nur ein paar Monate zurückdreht. Aber vielleicht macht gerade das diese ganz besondere schwäbische Erfolgsgeschichte so charmant.