VfB Stuttgart

Platzverweis für VfB-Profi Ahamada: Wie ein Schiri-Experte die Szene einschätzt

Fußball TSG 1899 Hoffenheim vs. VfB Stuttgart
Die Szene des Spiels: Schiedsrichter Florian Badstübner zeigt VfB-Profi Naouirou Ahamada die Gelb-Rote Karte. © Pressefoto Baumann

Das 2:2 gegen die TSG Hoffenheim war für den VfB Stuttgart doppelt bitter. Nicht nur, dass die Schwaben in der Nachspielzeit den späten Ausgleich hinnehmen mussten – sie müssen gegen RB Leipzig auch auf Naouirou Ahamada verzichten. Der VfB-Profi flog in der 78. Minute vom Platz, weil er mit den Fans jubelte. War die Gelb-Rote Karte gerechtfertigt? Wir haben mit Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt (Collinas Erben) über die Szene gesprochen.

Collinas Erben: Bekannt auf Twitter, Schiedsrichter-Experten bei Sky

Es war die Szene des Spiels: Naouirou Ahamada sprang nach dem 2:1-Führungstreffer von Wataru Endo über die Bande, lief drei Stufen zur Tribüne hinauf und schmiss sich in die Arme der mitgereisten VfB-Fans. Schiedsrichter Florian Badstübner ließ den 20-Jährigen jubeln, zeigte ihm anschließend aber die Gelb-Rote Karte. Ahamada hatte Minuten vorher Gelb gesehen und wurde nach seinem euphorischen Jubel das zweite Mal verwarnt.

Statt mit Rückenwind in die letzten Minuten des Spiels zu gehen, stand der VfB auf einmal mit einem Mann weniger auf dem Platz. "Mit der Roten Karte kippt das Spiel ein wenig", sagte Chris Führich nach dem Spiel. "Wenn wir die nicht bekommen, denke ich, dass wir als Sieger vom Platz gehen." Naouirou Ahamada hat seiner Mannschaft also einen Bärendienst erwiesen. Doch muss ein Schiedsrichter in dieser Szene mehr Fingerspitzen-Gefühl beweisen? Muss diese Gelb-Rote Karte, die einen unmittelbaren Einfluss auf den Abstiegskampf hat, wirklich sein?

„So eine Szene kommt tatsächlich nicht häufig vor“, sagt Alex Feuerherdt. Der Ex-Schiedsrichter ist einer der Betreiber des bekannten Podcast Collinas Erben. „Die Szene ist mit dem Platzverweis von Szabolcs Huszti vergleichbar“. Der Ungar sah 2012 nach seinem Siegtreffer innerhalb von Sekunden zweimal die Gelbe Karte: für Trikot-Ausziehen und überschwängliches Jubeln.

Alex Feuerherdt erklärt den Ahamada-Platzverweis: "Die Regel soll den Spieler schützen"

Fakt ist: Der Jubel von Naouirou Ahamada muss die Gelbe Karte nach sich ziehen. Das sagen die obersten Regelhüter der IFAB (International Football Association Board). Die nationalen Verbände wie der DFB setzen diese Grundregeln dann in ihrem Regelwerk um. Dort heißt es bei Regel 12: Ein Spieler wird verwarnt, wenn er „an einem Zaun hochklettert und/oder sich den Zuschauern auf eine Weise nähert, die zu einem Sicherheitsproblem führt […]“.

Alex Feuerherdt, der auch als Schiedsrichter-Experte für den TV-Sender Sky tätig ist, erklärt: „Natürlich ist diese Regel interpretationsfähig, da es nicht mehr die klassischen Zäune gibt. Die Regelhüter wollen einfach nicht, dass die Spieler ein Bad in der Menge nehmen.“ Grund dafür seien die Sicherheit und der Selbstschutz der Spieler. Solche Jubelszenen könnten schließlich dazu führen, dass sich der Spieler verletzt (etwa durch Stangen oder Schläge). „Die Regelhüter wollen nicht, dass sich Spieler den Fans in dieser Art und Weise nähern. Die Gefahr ist zu groß.“

Das gleich gelte beispielsweise für die Schienbeinschoner-Pflicht: „Man könnte argumentieren, dass die Spieler selber schuld sind, wenn sie keine Schienbeinschoner tragen – und sich dann einen Bruch zuziehen. Hier sagen die Regelhüter aber: Wir greifen ein und schützen mit einer klaren Vorgabe die Spieler.“ Das Verbot von Halsketten oder Ohrringen basiert auf der gleichen Grundlage.

Hat der Schiedsrichter einen Ermessensspielraum?

„Der neutrale Zuschauer kann von der Jubel-Regel halten, was er will", erklärt der Schiedsrichter-Experte. "Aber es gibt die Regel eben – und das wissen die Spieler.“ Auch den VfB-Profis ist diese Regel offenbar bekannt. So machte etwa Konstantinos Mavropanos seinem Teamkollegen direkt nach Platzverweis mit einer Geste deutlich, was er von der Gelb-Roten Karte hält: Hände vor dem Kopf, gestikulierend nach dem Motto „Was machst du Junge.“

Die letzte Frage, die sich stellt: Hatte Schiedsrichter Florian Badstübner bei der Bewertung der Szene Ermessensspielraum? Also hätte er den Ahamada-Jubel, ohne dabei das Regelwerk zu brechen, auch anders auslegen können? „Nein“, sagt der Mitbegründer von Collinas Erben. Grundsätzlich gebe es natürlich den Ermessenspielraum eines Schiedsrichters, aber nicht in diesem Fall. „Diese Szene gilt in Schiedsrichter-Kreisen als eine Pflichtverwarnung, die zwingend ausgesprochen werden muss.“

Zum Experten:

Alex Feuerhardt ist Mitbegründer des bekannten Schiedsrichter-Podcasts Collinas Erben. Auch auf Twitter ist der Ex-Schiedsrichter, der selbst bis in die höheren Amateurklassen gepfiffen hat, sehr aktiv. Der TV-Sender Sky hat Feuerherdt als Schiedsrichter-Experte unter Vertrag genommen. Seit über 25 Jahren arbeitet Alex Feuerherdt zudem als Lehrwart in der Aus- und Fortbildung von Schiedsrichtern (hauptsächlich Regelkunde). Außerdem ist er als Schiedsrichter-Beobachter von der Regionalliga (Männerfußball) bis zur Bundesliga (Frauenfußball) aktiv. 

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