VfB Stuttgart

Strafverfahren gegen Karazor: Fall des VfB-Profis kann sich noch Jahre ziehen

Atakan Karazor
Kapitän Atakan Karazor steht gegen Mainz wieder in der Startelf. © Danny Galm

Seit über zwei Jahren läuft ein Strafverfahren wegen sexueller Nötigung gegen Atakan Karazor. Eine Spanierin zeigte den Profi des VfB Stuttgart im Urlaub auf Ibiza an und bezichtigte ihn der Vergewaltigung. Bislang ist weder Anklage erhoben noch das Verfahren eingestellt worden. Wie ist der aktuelle Stand im Fall Atakan Karazor? Warum ziehen sich die Ermittlungen so lange? Und wie könnte es weitergehen? Wir klären auf.

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Verhaftung auf Ibiza: Atakan Karazor saß sechs Wochen in U-Haft

Hintergrund: Atakan Karazor wurde im Juni 2022 auf Ibiza festgenommen. Eine Spanierin zeigte den 27-Jährigen an und bezichtigte ihn der Vergewaltigung. Der Fall bekam in den deutschen Medien große Aufmerksamkeit, auch unsere Redaktion berichtete ausführlich. Der VfB-Profi saß rund sechs Wochen in U-Haft, ehe er unter Auflagen und auf Kaution freikam. Nach rund einer Woche im Mannschaftstraining wurde der Mittelfeldspieler am 7. August beim 1:1 gegen RB Leipzig völlig überraschend eingewechselt. Die Schwaben stärkten ihrem Spieler von Beginn an den Rücken, es galt und gilt die Unschuldsvermutung.

Mittlerweile sind mehr als zwei Jahre vergangen, Karazor ist mit den Schwaben in die Champions League eingezogen und nun sogar zum Kapitän ernannt worden. Doch neben dem sportlichen Höhenflug läuft im Hintergrund weiterhin das Strafverfahren gegen den VfB-Profi. Ermittelt wird inzwischen wegen sexueller Nötigung und nicht mehr wegen einer Vergewaltigung. Bislang ist völlig unklar, ob der 27-Jährige angeklagt wird oder nicht – Ausgang offen. Vom verurteilten Sexualstraftäter über eine mögliche Einstellung des Verfahrens bis hin zu einer außergerichtlichen Einigung scheint nach wie vor alles möglich. Doch das Verfahren zieht und zieht sich.

Ermittlungen gegen Profi des VfB Stuttgart: Warum dauert das Verfahren so lange?

Das Hauptproblem: Die spanische Justiz arbeitet am Anschlag und kommt mit ihren Fällen nicht hinterher. Das führt dazu, dass es mitunter Jahre dauert, bis es zu einer Anklage kommt oder ein Verfahren eingestellt wird. Im Vergleich zum vergangenen Frühjahr sei es sogar noch schlimmer geworden, meint Kristin Fieberg. Die Fachanwältin für spanisches Strafrecht stand unserer Redaktion bereits in den vergangenen beiden Jahren mit ihrer Expertise im Fall Karazor zur Seite. „Die Verfahren ziehen sich immer mehr, egal ob im Straf- oder Zivilrecht“. Vier Jahre seien inzwischen völlig normal.

Normalerweise sieht der Gesetzgeber in Spanien vor, dass die Ermittlungen zwölf Monate dauern, erklärt die Anwältin. Im Fall von Atakan Karazor sind aber bereits über zwei Jahre vergangen. Und noch immer ist unklar, ob überhaupt Anklage erhoben wird. Laut Fieberg könnte dieser Schwebezustand auch noch eine ganze Weile Bestand haben: „Eine mögliche Anklage kann auch nach sechs Jahren noch kommen, es gibt da keine Grenze.“ Für Laien sei dies schwer nachzuvollziehen. „Für mich als Strafverteidigerin ist es aber nicht überraschend, dass sich die Ermittlungen so lange hinziehen.“

Fall Atakan Karazor: Länge des Verfahrens kein Indiz für Unschuld oder Schuld

Im Fall von Atakan Karazor kommt aus zeitlicher Perspektive erschwerend hinzu, dass der Profi auf freiem Fuß ist. „Wenn man nicht in U-Haft sitzt, hat das Verfahren keine Priorität. Dann werden erstmal die Fälle bearbeitet, in denen ein möglicher Täter in Haft sitzt.“ Der Verteidiger könne in diesem Fall auch nicht viel machen. „Er könnte lediglich monieren, dass sich das Verfahren so lange zieht.“ Aus Sicht von Kristin Fieberg würde das Verfahren von Karazor deshalb aber nicht beschleunigt werden. „Das ist eben das Schlimme, dass man genau mit dieser Ungewissheit leben muss.“

Der Strafverteidigerin ist es zudem wichtig zu betonen: „Aus der Länge des Ermittlungsverfahrens darf man keine Schlüsse ziehen.“ Dass im Fall Karazor nun schon seit über zwei Jahren ohne Anklage ermittelt wird, sei kein Indiz dafür, dass er die Tat begangen hat. Genau so wenig könne dadurch interpretiert werden, dass der 27-Jährige unschuldig ist. „Schuld an der Länge des Verfahrens ist die Überlastung der Justiz.“

Ist das Strafverfahren gegen Karazor womöglich schon eingestellt worden?

Selbst wenn es in der Zukunft zu einer Anklage kommen sollte, muss Atakan Karazor ziemlich sicher nicht ins Gefängnis. „Der Strafrahmen für sexuelle Nötigung liegt in Spanien bei einem bis vier Jahren.“ Durch die bisher vorliegenden Informationen und den Verlauf des Strafverfahrens sei es eher unwahrscheinlich, dass der VfB-Profi die Maximalstrafe bekommt. Da die spanische Justiz außerdem gegen den Beschleunigungsgrundsatz verstößt, könnte eine mögliche Haftstrafe Karazors aus mildernden Umständen halbiert werden. Sollte Atakan Karazor also verurteilt werden, würde seine Haftstrafe ziemlich sicher auf Bewährung ausgesetzt werden.

Dass sich der VfB-Profi und die Staatsanwaltschaft inzwischen stillheimlich auf einen Deal geeinigt haben, hält Kristin Fieberg für unwahrscheinlich. „Dass eine Einstellung des Verfahrens ohne weiteres ergeht, glaube ich nicht. Auch vor dem Hintergrund, dass es um einen bekannten vermeintlichen Täter geht und ein öffentliches Interesse besteht.“ Auch der VfB Stuttgart und der Spieler selbst hätten bei einer Einstellung des Verfahrens ein Interesse daran, dies zu kommunizieren. Auch, um möglichen Diskussionen und Spekulationen um den neuen Kapitän der Schwaben endlich ein Ende zu bereiten. Denn bislang äußerten sich weder der Verein noch der Spieler öffentlich zu dem Strafverfahren.

Hinweis der Redaktion: Wir haben keine Einblicke in die Verfahrensakten von Atakan Karazor. Diese sind unter Verschluss, das zuständige Gericht („Juzgado de instrucción número 4 de Ibiza“) reagierte nicht auf unsere Anfragen. Die in diesem Artikel geschilderten Sachverhalte beziehen sich auf die allgemeinen Vorgehensweisen in einem solchen Strafverfahren. Je nach Sachverhalt könnte sich der Fall Atakan Karazor auch anders darstellen.

Zur Anwältin:

Kristin Fieberg ist Rechtsanwältin und Partnerin bei der renommierten Kanzlei Ribas & Partner mbB mit Stammsitz in Karlsruhe. Fieberg ist spanische Muttersprachlerin, ihr Spezialgebiet ist das deutsche und spanische Strafrecht. 

Kristin Fieberg VfB Karazor
Rechtsanwältin Kristin Fieberg von der Kanzlei Ribas Brutschy Abogados. Ihr Fachgebiet ist das deutsche und spanische Strafrecht. © Kristin Fieberg

Bei Fragen rund um das spanische Strafrecht war sie bereits für RTL und SAT.1 als Expertin im Einsatz. Zuletzt bei dem Fall der inhaftierten Kegelbrüder auf Mallorca. Kristin Fieberg hat ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und danach ein Rechtsreferendariat am Landgericht Karlsruhe absolviert. Die Kanzlei, die sich insbesondere auf deutsches und spanisches Recht spezialisiert hat, betreibt auch einen Standort auf Ibiza.

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