Stuttgart international! Der VfB geht nächstes Jahr tatsächlich auf die Reise
Nach dem Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt ist klar: Der VfB Stuttgart geht nächstes Jahr tatsächlich auf die Reise. Und das, obwohl das Team in den vergangenen beiden Spielzeiten um ein Haar in die zweite Liga abgestiegen wäre. Vor ziemlich genau einem Jahr übernahm dann aber Sebastian Hoeneß das Ruder am Wasen – und es begann eine neue Zeitrechnung.
Von Tabellenplatz 18 über die Relegation führte der Cheftrainer die Schwaben zurück auf die europäische Fußball-Bühne. Die Europa-League-Teilnahme ist dem VfB mit nun 21 Punkten Vorsprung auf den Sechsten aus Frankfurt bei noch fünf verbleibenden Spielen auch rechnerisch nicht mehr zu nehmen. Vielmehr greift der Hoeneß-VfB nach den Sternen. Die Rückkehr in die Königsklasse ist das Ziel. Auch wenn das bei den Stuttgarter immer noch niemand so offensiv formulieren möchte.
VfB-Coach Hoeneß bremst weiter die Euphorie
Dabei spricht im Schlussspurt quasi alles für die Weiß-Roten. Die Formkurve zeigt seit Wochen steil nach oben. Seit mittlerweile elf Partien ist der VfB in der Liga ungeschlagen. Dazu hat sich Torjäger Serhou Guirassy mit seinem 25. Saisontor in die prall gefüllten Geschichtsbücher des Traditionsvereins geschossen.
Was die Champions League betrifft, dämpft Trainer Sebastian Hoeneß derweil weiter die Euphorie. „Dieses Jahr braucht man verdammt viele Punkte, um die Champions League zu erreichen. Wir werden weiterhin Punkte brauchen. Natürlich haben wir heute noch mal einen wichtigen Schritt gemacht. Aber wir haben ein schwieriges Restprogramm“, sagte der Coach. „Deswegen sind es keine Floskeln, es ist totale Überzeugung, dass wir noch einen Weg zu gehen haben.“ Die Mannschaft sei mit der Drucksituation, dass die Rivalen RB Leipzig und Borussia Dortmund bereits am Nachmittag gewonnen hatten, „großartig umgegangen“, lobte Hoeneß.
Immerhin ganz kurz ließ sich auch der stets aufgeräumte Fußball-Lehrer von der Stimmung im Stuttgarter Tollhaus anstecken, als er kurz vor dem Schlusspfiff das ohnehin schon bis in die Haarspitzen motivierte Publikum noch einmal weiter antrieb: „Oh wie ist das schön! So was hat man lange nicht gesehen!“, hallte es da bereits durch die weiß-rote Nacht. Wohl wahr. Sehr lange, dürfte manch leidgeprüfter Fan anmerken, der den Niedergang des einst so ruhmreichen VfB in den 2010er Jahren aus der Nahdistanz verfolgt hat. Zwei Abstiege und diverse Skandale inklusive.
Der VfB hat sieben Punkte Vorsprung auf Dortmund und Leipzig
Wie weit entfernt scheinen in solchen Momenten diese bleischweren Zeiten. Relegations-Niederlage bei Union, Quattrex-Affäre, Daten-Skandal, Dietrich-Rücktritt, Labbadia-Fehlgriff. Und jetzt eine Spielzeit wie ein einziger Rausch. Seit Hoeneß beim VfB auf der Trainerbank sitzt, ticken die Uhren anders. Punktgleich mit dem FC Bayern liegt der VfB nach 29. Spieltagen auf Tabellenplatz drei. Der Vorsprung auf die Leipzig und Dortmund beträgt weiterhin sieben Zähler. Allerdings sind die Stuttgarter noch bei Spitzenreiter Bayer Leverkusen zu Gast und empfangen am 04. Mai den FC Bayern. Es dürften die entscheidenden Duelle im Rennen um die Königsklasse werden. Dazu gibt es noch durchaus lösbare Aufgaben gegen Bremen (A), Augsburg (A) und Gladbach (H).
Dass die stolzen Schwaben nach zehn Jahren Abstinenz wieder europäisch spielen werden, sei schon „etwas Außergewöhnliches“, so Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. Der Berliner, seit Ende 2022 in Diensten des VfB, hat dabei schnell ein Gespür für den besonderen Standort am Neckar entwickelt und kann folglich auch den aktuellen Höhenflug richtig einordnen. „Es war ein schnelles Wachstum“, schmunzelte er nach dem durchweg überzeugenden 3:0 gegen die Frankfurter. Man sehe „schon den Glanz in den Augen, den Stolz der Fans, der Verantwortlichen“.
Auf Wohlgemuth selbst kommen angesichts der Dreifach-Belastung ab der nächsten Spielzeit einige arbeitsreiche Wochen zu. „Tiefe und Breite müssen sich verändern“, meinte er mit Blick auf sein Kernaufgabengebiet: den Stuttgarter Kader. Der dürfte in Grundzügen stehen. Stammkeeper Alexander Nübel, der gegen die Hessen angeschlagen pausieren musste, hat man erst am Freitag für zwei weitere Jahre vom FC Bayern ausgeliehen, mit Leistungsträgern wie Waldemar Anton, Enzo Millot und Chris Führich wurden schon in der Winterpause langfristige Verträge abgeschlossen. Dazu gibt es im aktuellen Aufgebot mit Leonidas Stergiou und Jamie Leweling zwei vielversprechende Leihspieler, die für relativ überschaubare Summe fest in Dienst genommen werden könnten.
Was wird aus dem Sturmduo Guirassy/Undav?
Bleiben eigentlich nur die Fragezeichen hinter Deniz Undav und Serhou Guirassy. Die beiden sind inzwischen das erfolgreichste Torjäger-Duo in ganz Europa. 41 Tore haben die beiden bislang in dieser Saison erzielt. Und dementsprechend auch auf dem Transfermarkt heiß begehrt. Zumal Undav lediglich für eine Saison von Brighton & Hove Albion ausgeliehen ist. Zwar soll es im Vertrag eine Kaufoption geben. Die hat es laut Medienberichten aber in sich. „Mal schauen, ob wir da eine Lösung finden“, sagte Wohlgemuth mit Blick auf eine mögliche Millionen-Ablöse. Undav selbst würde jedenfalls gerne bleiben: „Ich habe es öfter schon gesagt, dass ich mich hier wohlfühle. Wir spielen überragenden Fußball, haben alle richtig Spaß. Ich genieße das. Wenn man so wertgeschätzt wird, möchte man bleiben.“
Und bei Guirassy? Steht weiter zu befürchten, dass er den VfB im Sommer via Ausstiegsklausel in seinem Arbeitspapier verlässt. Wohlgemuth bleibt dennoch gelassen. Auch in dem Wissen, mit einer sicheren Europapokal-Teilnahme einen weiteren Trumpf im Ärmel zu haben. „Wir versuchen, unser Bestes zu geben, ihn hier zu behalten“, so Wohlgemuth. Und dabei dürfte die Aussicht als unumstrittener Stammstürmer regelmäßig vor 60.000 Zuschauern in der Königsklasse aufzulaufen, keine Nebensächlichkeit sein.
Zumal sich der Guineer am Samstagabend endgültig zum König von Cannstatt gekrönt hat. Das Regnum von Guirassy dem Großen beginnt also gerade erst. Wer würde da schon direkt das Zepter wieder aus der Hand legen?